Zuwanderung

»Jetzt sind wir an der Reihe«

Ist die Zuwanderung Segen oder Fluch? Diese Frage verspricht eine hitzige Debatte. Der Saal im Düsseldorfer Lindner Congress-Hotel ist bis zum letzten Platz besetzt. Auf dem Podium diskutieren junge Juden, Zuwanderer und Alteingesessene, über das Für und Wider der Zuwanderung sowie ihre ganz persönlichen Perspektiven und Beobachtungen. Doron Kiesel, Professor für interkulturelle Sozialpädagogik an der Fachhochschule Erfurt, moderiert das Gespräch.
Aus der Perspektive eines Alteingesessenen berichtet Jonathan Heuberger, ein 21jähriger Jura-Student aus Frankfurt am Main. Im Gemeindealltag, in Ferienlagern und beim Religionsunterricht sehe man die »Konsequenzen der Einwanderung« deutlich, sagt er. Viele jüdische Einwanderer seien zwar wegen des Antisemitismus in Rußland hierher gekommen, doch in Deutschland, wo sie ihre jüdische Identität ausleben können, brächten sie sich wenig in die Gemeinden ein oder bevorzugten russische Kulturveranstaltungen, kritisiert Heuberger.
Als »Einwanderer der ersten Stunde« und Vertreter der russischstämmigen Juden ist Igor Davidovski auf dem Podium. Die Ansicht, die Zuwanderung sei gescheitert, hält er für absolut ungerechtfertigt. »Erst jetzt, nach 16 Jahren Einwanderung, beginnt die wahre Integration und das wahre Zusammenleben«, betont der 32jährige. In den ersten Jahren nach ihrer Übersiedlung nach Deutschland hätten sich die Zuwanderer erst etablieren müssen. Mittlerweile seien aber fast alle in ihrer neuen Heimat angekommen, sprechen Deutsch und könnten beim weiteren Aufbau der Gemeinden helfen. »Es gibt keine Ausreden mehr. Jetzt sind die Zuwanderer an der Reihe.«
Mit Viktor G. (23) sitzt auch ein Vertreter der kleineren jüdischen Gemeinden am Podiumstisch und berichtet von seinen Erfahrungen aus Karlsruhe. Dort habe sich zwar die Anzahl der Gemeindemitglieder auf nunmehr fast 850 Mitglieder erhöht. Dennoch verspürt G. eher einen Rückgang der Aktivitäten. Nur selten gebe es Bar- und Batmizwa-Feiern, und selbst die Gottesdienste seien spärlich besucht. Viele Alteingesessene fühlten sich durch die neuen Mehrheiten in ihren Gemeinden abgeschreckt.
Bei der Diskussion mit dem Publikum fallen harte Worte. Eine Zuwanderern behauptet, daß sie von den Etablierten als Jüdin zweiter Klasse betrachtet werde. Die Alteingesessenen bemängeln, daß sich die Zuwanderer in russische Kulturclubs zurückgezogen hätten.
Erst die Schlußworte von Igor Davidovski scheinen die Wogen wieder etwas zu glätten: »wir sollten aufhören zu jammern. jeder einzelne sollte sich einbringen. Die einzige Möglichkeit für uns, jüdisch zu bleiben, ist, in die jüdische Gemeinde zu gehen.« Für seine Sätze bekommt er viel Applaus von allen Seiten. »Die ‚Russen-Clubs‘ werden bald der Geschichte angehören«, sagt Igor Javornik aus Kiel. Eine endgültige Antwort auf die Frage »Zwang- Drehung – Segen oder Fluch?«, gab es diesmal aber noch nicht.

TV-Tipp

Oliver Masucci brilliert in dem Mehrteiler »Herrhausen - Der Herr des Geldes«

Biografischer Mehrteiler über Bankier Alfred Herrhausen

von Jan Lehr  17.11.2025

Amsterdam

Chanukka-Konzert im Concertgebouw kann doch stattfinden

Der israelische Kantor Shai Abramson kann doch am 14. Dezember im Amsterdamer Konzerthaus auftreten - allerdings nur bei zusätzlich anberaumten Konzerten für geladene Gäste

 13.11.2025

Meinung

BBC: Diese Plattform für anti-israelische Vorurteile und Extremismus ist nicht mehr zu retten

Der öffentlich-rechtliche Sender Großbritanniens hat sich anti-israelischen Vorurteilen und Extremismus geöffnet. Er braucht dringend Erneuerung

von Ben Elcan  13.11.2025

Raubkunst

Zukunft der Bührle-Sammlung ungewiss

Die Stiftung Sammlung E. G. Bührle hat ihren Stiftungszweck angepasst und streicht die Stadt Zürich daraus

von Nicole Dreyfus  10.11.2025

Geiseldeal

Itay Chen ist wieder in Israel

Die Leiche des 19-jährigen, israelisch-amerikanischen Soldaten wurde am Dienstagabend von Terroristen der Hamas übergeben

 05.11.2025

Jerusalem

Nach Eklat in Jerusalem: Westfälische Präses setzt auf Dialog

Projekte, Gedenkorte und viele Gespräche: Die Theologin Ruck-Schröder war mit einer Delegation des NRW-Landtags fünf Tage in Israel und im Westjordanland. Angesichts der Spannungen setzt sie auf dem Weg zur Verständigung auf Begegnungen und Dialog

von Ingo Lehnick  06.11.2025 Aktualisiert

Terror

Hamas übergibt erneut Leichen an Rotes Kreuz

Die Hamas hat dem Roten Kreuz erneut Leichen übergeben. Ob es sich bei den sterblichen Überresten in drei Särgen wirklich um Geiseln handelt, soll nun ein forensisches Institut klären

 02.11.2025

Augsburg

Josef Schuster und Markus Söder bei Jubiläumsfeier von jüdischem Museum

Eines der ältesten jüdischen Museen in Deutschland feiert in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen. Das Jüdische Museum Augsburg Schwaben erinnert mit einer Ausstellung an frühere Projekte und künftige Vorhaben

 29.10.2025

Interview

»Wir sind für alle Soldaten da«

Shlomo Afanasev ist Brandenburgs erster orthodoxer Militärrabbiner. Am Dienstag wurde er offiziell ordiniert

von Helmut Kuhn  29.10.2025