Eldad Beck

»Iran ist anders, als man so hört«

Herr Beck, Sie haben vor Kurzem den Iran besucht. Was fällt einem Israeli dort als Erstes auf?
beck: Ich war überrascht, dass alles ganz anders war, als das, was man so hört: dass Revolutionsgarden oder strenge Frauen im Tschador beständig damit beschäftigt sind, Razzien in Internetcafés zu unternehmen oder Frauen zu bedrohen, die Lippenstift tragen. Das war nicht der Iran, den ich gesehen habe: Ich war beeindruckt, welche Freiheiten sich die Leute nehmen, wie modern und gut informiert sie sind und wie höflich die Menschen miteinander umgehen. Ich habe eine Reihe respektloser Witze über Mahmud Ahmadinedschad gehört.

Aber beschränkt sich das nicht nur auf eine Elite in Teheran?
beck: Ich war ebenfalls in Isfahan und Schiraz. Und auch hier war ich überrascht, welche wirtschaftliche Entwicklung zu verzeichnen ist. Überall sind riesige Infrastruktur- projekte im Gange. Man baut ein sehr gutes Autobahnnetz durch das ganze Land. Teheran, eine Stadt mit 16 Millionen Einwohnern, ist keine verschmutzte, beständig verstopfte Dritte-Welt-Metropole.

Sondern?
beck: Eine moderne Stadt, in der es kaum mehr Staus und Smogs gibt. Das Benzin wird rationiert. Autos werden auf Erdgas umgerüstet, derzeit sind alle Fahrzeuge mit einer automatischen Geschwindigkeitskontrolle ausgestattet. Bei einem Überschreiten von 140 Stundenkilometern setzt eine Sperre ein.

Haben Sie sich als Israeli zu erkennen gegeben?
beck: Ich bin mit einem Visum in meinem österreichischen Pass eingereist. Dass ich Israeli bin, habe ich niemandem auf die Nase gebunden, aber auch nicht verheimlicht. Die Reaktionen waren meist sehr aufgeschlossen. Auch das hat mich beeindruckt. In all den arabischen Ländern, die ich bislang besucht habe, ist der offene Verkauf von antisemitischer Literatur gang und gäbe. Bis auf eine verstaubte Ausgabe von »Mein Kampf« habe ich im Iran nichts dergleichen entdeckt.

Trotz der offiziellen Hetze?
beck: Ich bin nicht naiv. Ich weiß, was in den Moscheen und von Präsident Ahmadined-schad gepredigt wird. Und dennoch finde ich es bemerkenswert, dass Hetzliteratur nicht einmal in Buchhandlungen neben Moscheen verkauft wurde. Im Gegenteil. In den Buchhandlungen gab es Übersetzungen von George Orwells »1984« oder Franz Kafka. Offensichtlich ist der Antisemitismus – der iranischen Staatsführung zum Trotz – in der Bevölkerung nicht so weit verbreitet wie in arabischen Ländern oder bei der Hisbollah im Libanon.
Wie wichtig ist der Bevölkerung das Atomprogramm, das ja offiziell als »nationales Prestigeprojekt« bezeichnet wird?
beck: Ich glaube, dass die meisten Menschen mit wesentlicheren Dingen beschäftigt sind, wie der riesigen Inflation, der Korruption und der Arbeitslosigkeit. Die Leute kämpfen jeden Monat darum, über die Runden zu kommen.

Gäbe es eine Chance für eine Demokratisierung des Iran?
beck: Die religiöse Ideologie des Regimes spielt immer noch eine große Rolle. Solange Institutionen wie der »Wächterrat« oder der »Oberste geistige Führer« das letzte Wort haben, wird es keine echte Demokratie geben. Ich weiß nicht, wie man sich aus dieser religiösen Umklammerung lösen kann – denn für diese enorme Anstrengung scheinen die Menschen keine Kraft aufbringen zu können. Und doch versuchen sie tagtäglich, sich neue Freiräume zu schaffen. Das ist beeindru-ckend.

Mit dem Deutschlandkorrespondenten der
Zeitung Yedioth Ahronoth sprach Sylke Tempel.

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