Prozess

»Innerliche Befreiung«

von Bernd Kaufholz

Am Montag hat in Magdeburg der Prozess gegen sieben 24- bis 29-jährige Männer wegen Volksverhetzung begonnen. Ihnen wird vorgeworfen, bei einer »Sonnenwendfeier« das Tagebuch der Anne Frank verbrannt zu haben. Staatsanwalt Arnold Murra zeichnet ein düsteres Bild der Vorgänge am 24. Juni 2006 in Pretzien bei Schönebeck. Die gespenstische Szenerie der »Sonnenwendfeier«, organisiert vom »Heimat Bund Ostelbien«, in dem die Angeklagten Mitglieder waren, wird plastisch: Sieben junge Männer stehen gegen 22 Uhr vor einem Scheiterhaufen. Auswendig gelernte Redebeiträge aus dem Internet schallen den 70 bis 80 Besuchern der Veranstaltung entgegen. Sie hören Markiges wie: »Funken sprühen im deutschen Blut«, »Deutsche Jugend und deutsches Blut« und andere während der NS-Zeit verwendete »Feuersprüche«. Marc P. (29) hebt eine US-Flagge hoch und wirft sie in die Flammen.
Dann ist Lars K. (25) zur Stelle. Er hebt ein zerschlissenes Taschenbuch in die Höhe (zuvor sollen die Angeklagten damit Fußball gespielt haben). Zeugen hören den Satz: »Hiermit übergebe ich das Tagebuch der Anne Frank dem Feuer«. Dann soll der Satz gefallen sein: »Sowieso nur alles Lüge«. Die Pretziener seien schockiert gewesen, hätten sich abgewandt und seien nach Hause gegangen. »Kein Ausrutscher«, sagt Staatsanwalt Murra, »sondern gezielt, geplant vorbereitet. Ausgeführt als symbolträchtige Handlung, in typischer NS-Sprache.« Anne Frank sei verhöhnt worden und somit alle KZ-Opfer.
Fünf der Angeklagten hüllen sich in Schweigen. Für die beiden Hauptangeklagten Lars K. und Marc P. verlesen ihre Anwälte Erklärungen. Lars K. tue es »aufrichtig leid, dass er falsch verstanden wurde«. »Mein Mandant hat das Buch ins Feuer geworfen. Er hat jedoch nicht gesagt, dass ›alles nur Lüge‹ sei.« Lars K: »Ich habe mich im Internet über Sonnenwendfeiern informiert und gefunden, dass diese Feste ein Anlass sind, Wünsche zu äußern und Untaten zu vergessen.« Er habe sich mit der Buchverbrennung von der besonderen Belastung durch ein »böses Kapitel deutscher Geschichte innerlich befreien« und »eine Wende in seinem Leben einleiten« wollen. »Das ist wohl schiefgegangen. Ich hätte besser nachdenken müssen.« Allerdings habe es keinerlei Absprachen mit seinen Freunden gegeben. Niemand habe gewusst, was er verbrennen wollte.
Nachfragen des Anklägers Murra an den »geschichtsinteressierten« Lars K., ob ihm die Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 auf dem Berliner Opernplatz etwas sage? »Nein.« Ein neonazistisches Weltbild habe er nicht. Die politische Einstellung des Septetts nennt Lars K. »neutral bis rechts angehaucht«. Marc P. nennt als Motiv für die Flaggenverbrennung »Protest gegen die Aggressionspolitik der USA gegen Iran und Irak.«
Richter Bruns wendet sich am Ende des ersten Tages an alle Angeklagten. Sie sollen die Zeit bis zum nächsten Termin nutzen, um nachzudenken, ob nicht vielleicht doch etwas zu gestehen ist. »Geständnisse wirken sich immer strafmildernd aus.« Den Angeklagten drohen bis zu fünf Jahren Haft.

Berlin

Frei informiert die Fraktionschefs über Lage in Nahost

Die Bundesregierung ist nach dem US-Angriff auf den Iran im Krisenmodus. Am Vormittag findet ein Informationsgespräch im Kanzleramt statt, an dem auch die rechtsextremistische AfD teilnimmt

 23.06.2025

Ethik

Zentralrat will sich für Schächten auf europäischer Ebene einsetzen

In manchen Ländern und Regionen Europas ist das Schächten verboten

 22.06.2025

Iran-Krieg

Steinmeier sieht noch Chancen für Diplomatie

Für Diplomatie ist im nahen Osten derzeit kein Raum. Das muss aus Sicht von Bundespräsident Steinmeier aber nicht so bleiben

 18.06.2025

Krieg

Jerusalem warnt Menschen im Iran vor möglichen neuen Angriffen

In bestimmten Gebieten des Irans stehen offensichtlich neue Angriffe bevor. Israels Militär ruft die iranische Bevölkerung zur Evakuierung auf

 15.06.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 12. Juni bis zum 18. Juni

 11.06.2025

Tel Aviv/Gaza

Israel will Ankunft von Thunbergs Schiff in Gaza verhindern

Das Schiff des Bündnisses Freedom Flotilla Coalition ist unterwegs nach Gaza. Nach Angaben der Aktivisten nähern sie sich immer mehr dem Gebiet - Israel droht ihnen nun

 08.06.2025

Petition

Deutsche Prominente werfen Israel Völkermord vor

Die Unterzeichner verlangen eine Aussetzung von Rüstungsexporten

 05.06.2025

Bundestag

Wegen »Palestine«-Shirt: Linken-Abgeordnete des Plenarsaals verwiesen

Mit der politischen Botschaft auf ihrer Kleidung hatte Cansin Köktürk offenbar gegen die Regeln des Hauses verstoßen. Die Bundestagspräsidentin zog die Konsequenz

 04.06.2025

Medien

Presseschau zur Debatte um Deborah Feldmans »Weltbühne«-Artikel

In dem Blatt des umstrittenen Verlegers Holger Friedrich zieht die Autorin die Jüdischkeit des Chefredakteurs der Jüdischen Allgemeinen in Zweifel. In Zeitungskommentaren wird nun vernichtende Kritik an ihrem Text geübt

 26.05.2025