Prozeß

In Rußlands Namen

von Ulrich Heyden

Der Prozeß gegen Aleksandr Kopzew, einen jungen Moskauer, der am 11. Januar mit einem Jagdmesser auf Gläubige in einer Moskauer Synagoge einstach und neun Menschen verletzte, wird neu aufgerollt. Das Oberste Gericht Rußlands überwies den Fall zurück an das Moskauer Stadtgericht. Nach Meinung des Staatsanwaltes ist es nicht begründet, daß der Richter den Angeklagten in Bezug auf Artikel 282 des Strafgesetzbuches (»Schüren von nationalem und religiösem Haß«) freisprach.
Der 20jährige arbeitslose Attentäter, der vor der Tat wochenlang vor dem PC saß und sich mit nazistischen Websites und blutrünstigen Internet-Spielen beschäftigte, war wegen »Mordversuch aus nationalen Gründen« zu 13 Jahren Arbeitslager verurteilt worden. Trotz Aufhebung des Urteils bleibt Kopzew jedoch weiter in Haft.
Daß es bei der Bluttat nicht zu Toten kam, bezeichnete Rußlands Oberrabbiner Berl Lasar als Wunder. Der Attentäter hatte während der Gerichtsverhandlung erklärt, daß er mit seiner Tat eine Bewegung im russischen Volk auslösen wollte. Tatsächlich stachelte die Bluttat von Moskau weitere Antisemiten an. Zwei Tage nach dem Massaker stellte sich im südrussischen Rostow am Don ein Student vor die örtliche Synagoge. Er brüllte antisemitische Parolen und bedrohte die Gläubigen mit einem abgebrochenen Flaschenhals. Der Mann konnte rechtzeitig verhaftet werden. Im Juni stach ein besoffener Mann mehrmals mit dem Messer in die Eingangstür des jüdischen Zentrums von Jekaterinenburg. Die Staatsanwaltschaft sprach von kleinem Rowdytum. Die Reaktion der Justizorgane in Jekaterinenburg ist typisch. Antisemiten und Skinheads fühlen sich in Rußland sicher.
Der russische Oberrabbiner Berl Lasar erklärte nach dem Urteil gegen Kopzew im März, 13 Jahre Arbeitslager seien eine angemessene Strafe. Ihn beunruhige jedoch »der manische Unwillen der Richter, derartige Verbrechen als Schüren von nationalem und religiösem Haß zu qualifizieren.« Wadim Kljuwgant, der Anwalt der Opfer in der Moskauer Synagoge, erklärte, der Richter habe den Artikel 282 nicht berücksichtigt, um »die Öffentlichkeit nicht zu beunruhigen«. Nach der Entscheidung des Obersten Gerichtes, das Verfahren neu aufzurollen, äußerte sich Rußlands Oberrabbiner nun hoffnungsvoll. »Ich denke, insbesondere jetzt, wo viele ausländische Politiker und die internationalen Medien bestätigen, daß in Rußland die Ausländerfeindlichkeit unter staatlicher Duldung wächst, zeigt die Entscheidung des Obersten Gerichts, daß die Macht und insbesondere die Justiz über die nationalistischen Erscheinungen wirklich beunruhigt ist und alle Mittel des Gesetzes anwenden will, dem ein Ende zu bereiten.« Er hoffe, daß nächste Urteil werde eine Warnung für alle Extremisten.
Die Anwälte des Attentäters forderten dagegen Strafmilderung. Kopzew sei sich seiner Tat nicht bewußt gewesen. Er sei nicht imstande, zielgerichteten Haß zwischen den Nationalitäten zu schüren. Zudem habe der Richter die Augenkrankheit und die psychischen Störungen des Angeklagten nicht berücksichtigt. Die Anwälte fordern, daß das Verfahren jetzt vor ein Geschworenengericht kommt. Auf diesem Wege hofft man, daß die psychische Krankheit von Kopzew Berücksichtigung findet.
Kopzew war nach der Tat untersucht worden. Er war während der Messerattacke zurechnungsfähig, erklärten die Ärzte. Allerdings habe eine chronische Schizophrenie auf seine Handlung eingewirkt. Der junge Attentäter, der nach einem Bericht des Massenblatts Moskowski Komsomolez in rechtsradikalen Fußball-Fan-Clubs verkehrte, hatte sich in seinem Schlußwort auf seine Weise bei den Opfern der Bluttat entschuldigt. »Ich will mich bei den Opfern entschuldigen. Sie führen natürlich keinen Krieg gegen mein Volk, so wie ihre Stammesgenossen, die sich an der Macht befinden.« Wie tief Kopzew im antisemitischen Sumpf steckt, zeigte er während der Gerichtsverhandlung. Auf die Frage, welche Ziele er mit seiner Tat verfolgt habe, sagte der Attentäter: »Sterben und die Leute zu Krüppeln machen, sonst werde ich nicht zu neuem Leben auferstehen.«
Kopzew wollte offenbar als Märtyrer sterben. Wie er selbst sagte, wollte er mit dem Tod von Juden sein Karma reinigen. Die Ermittlungen hatten ergeben, daß sicher der Attentäter über das Internet ausgiebig mit Nazi-Literatur versorgte. Unmittelbar vor der Tat las er das Buch Der Schlag der russischen Götter. Derartige Literatur wurde bisher fast ungehindert von fliegenden Händlern auf Moskauer Straßen angeboten.

Amsterdam

Chanukka-Konzert im Concertgebouw kann doch stattfinden

Der israelische Kantor Shai Abramson kann doch am 14. Dezember im Amsterdamer Konzerthaus auftreten - allerdings nur bei zusätzlich anberaumten Konzerten für geladene Gäste

 13.11.2025

Meinung

BBC: Diese Plattform für anti-israelische Vorurteile und Extremismus ist nicht mehr zu retten

Der öffentlich-rechtliche Sender Großbritanniens hat sich anti-israelischen Vorurteilen und Extremismus geöffnet. Er braucht dringend Erneuerung

von Ben Elcan  13.11.2025

Raubkunst

Zukunft der Bührle-Sammlung ungewiss

Die Stiftung Sammlung E. G. Bührle hat ihren Stiftungszweck angepasst und streicht die Stadt Zürich daraus

von Nicole Dreyfus  10.11.2025

Geiseldeal

Itay Chen ist wieder in Israel

Die Leiche des 19-jährigen, israelisch-amerikanischen Soldaten wurde am Dienstagabend von Terroristen der Hamas übergeben

 05.11.2025

Jerusalem

Nach Eklat in Jerusalem: Westfälische Präses setzt auf Dialog

Projekte, Gedenkorte und viele Gespräche: Die Theologin Ruck-Schröder war mit einer Delegation des NRW-Landtags fünf Tage in Israel und im Westjordanland. Angesichts der Spannungen setzt sie auf dem Weg zur Verständigung auf Begegnungen und Dialog

von Ingo Lehnick  06.11.2025 Aktualisiert

Terror

Hamas übergibt erneut Leichen an Rotes Kreuz

Die Hamas hat dem Roten Kreuz erneut Leichen übergeben. Ob es sich bei den sterblichen Überresten in drei Särgen wirklich um Geiseln handelt, soll nun ein forensisches Institut klären

 02.11.2025

Augsburg

Josef Schuster und Markus Söder bei Jubiläumsfeier von jüdischem Museum

Eines der ältesten jüdischen Museen in Deutschland feiert in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen. Das Jüdische Museum Augsburg Schwaben erinnert mit einer Ausstellung an frühere Projekte und künftige Vorhaben

 29.10.2025

Interview

»Wir sind für alle Soldaten da«

Shlomo Afanasev ist Brandenburgs erster orthodoxer Militärrabbiner. Am Dienstag wurde er offiziell ordiniert

von Helmut Kuhn  29.10.2025

Bayern

Charlotte Knobloch kritisiert Preisverleihung an Imam

Die Thomas-Dehler-Stiftung will den Imam Benjamin Idriz auszeichnen. Dagegen regt sich nicht nur Widerstand aus der FDP. Auch die 93-jährige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Münchens schaltet sich nun ein

von Michael Thaidigsmann  29.10.2025