Ausstellung

In Gottes Namen Guten Appetit

Sind Giraffen koscher? Das scheint die einzige Frage zu sein, auf die die Macher der Schau Koscher & Co im Jüdischen Museum Berlin keine Antwort haben. Die zehn Ausstellungsräume decken so gut wie alle Aspekte des Essens in unterschiedlichen Religionen ab. Beginnend natürlich mit dem Judentum, gehört dazu auch eine intensive Auseinandersetzung mit Speisegesetzen bei Christen, Muslimen und Hindus. Der Besucher taucht ein in eine Welt, in der es nur zwei Pole zu geben scheint: Gott (oder Götter, je nach Glauben) und Essen. Fast scheint es, als sei Ernährung eine eigene Glaubensrichtung.
So kann man zum Beispiel in einem Raum zwei Filme sehen: Der eine erklärt am Beispiel eines nepalesischen Mädchens, das bei einem Initiationsritus Reis isst, die je nach Kastenzugehörigkeit unterschiedlichen Speiseregeln im Hinduismus. Auf dem anderen Video werden Lämmer in Mekka rituell geschlachtet. Beide Filme stehen unter dem Titel »Opfer«. »Wir wollten eine Pluralität der Perspektiven«, sagt Bodo-Michael Baumunk, Kurator der Ausstellung. »Wir haben versucht, Vergleiche zu ziehen und die unterschiedlichen Beziehungen zum Judaismus zu finden.«

festmahle Und von denen gibt es viele. Der Raum »Schöpfung«, der die Ausstellung eröffnet, erzählt sowohl vom jüdisch-christlichen Baum der Erkenntnis im Himmel wie vom Zaqqum, dem Baum der vergifteten Früchte, der nach islamischem Verständnis Häretiker in der Hölle erwartet. Im Raum »Gesetz« geht es um die Kaschrut und um erlaubte beziehungsweise verbotene Speisen in anderen Religionen. Hier erfährt man unter anderem, dass Muslime nur in Ausnahmefällen koscheres Fleisch essen dürfen. Im Raum »Das Mahl« kann man Geschichten über Festmahle im Judentum, Hinduismus und bei den Zoroastrern hören – erzählt von Geschirr.
Ja, Geschirr. Man nimmt zum Beispiel eine Tasse, hält sie ans Ohr und hört eine Stimme erzählen. Äußerst vielfältig sind die Mittel, die das Museum bei dieser Schau einsetzt. Mit allen fünf Sinnen kann der Besucher die Informationen verdauen. Da gibt es Exponate, Bilder, Filme. In einem Raum ertönt, wenn man auf einen im Boden versteckten Knopf tritt, die Bracha, die vor dem Schächten gesprochen wird; in einem anderen hört man den Kiddusch, je nach Wunsch sefardisch oder aschkenasisch. Oder der Besucher kann mit einem Gerät namens »Bug Che-cker« Kopfsalat auf treife Insekten untersuchen (nicht lebende, sondern aus Plastik).

alltag Jedes Exponat dieser Ausstellung zeugt von gründlicher Recherche. Der neugierige Besucher wird hier zu einem gut informierten Experten in Sachen Essen, Schlachten und Feiern durch die Jahrhunderte. Erst zu Ende der Schau wird einem bewusst, dass man hier einen historischen Rundgang absolviert hat. Beginnend mit der Tora, dem Tempel und den uralten Speiseregeln, geht es über den Hunger im Holocaust, die Gründung Israels und die forcierte Schaffung einer israelischen Nationalküche zum heißesten Thema: Juden in Deutschland berichten in Videointerviews, welche Rolle die Kaschrut in ihrem Alltag spielt (oder auch nicht).

ironie Religion ist immer ein ernstes Thema, zumal wenn es um Vergleiche und Bezüge zwischen verschiedenen Glaubensrichtungen geht. Doch diese Ausstellung spart nicht mit Selbstironie. Da gibt es etwa einen Falafelturm, Würfel in Form von Hamantaschen oder die Doppelskulptur eines vegetarischen Künstlers, der fleischessende Menschen mit Hyänen gleichsetzt. Besonders zu empfehlen ist die Musikecke im Raum »Identität«, wo man auf Videoclips Lieder wie »Gefilte Fisch« und »This is how we’re Jewish« hören und sehen kann. Wobei die Bildqualität etwas zu wünschen übrig lässt. Manche der Clips wirken, als seien sie von YouTube heruntergeladen worden. Das aber ist der einzige Schönheitsfehler dieser für Besucher jeden Glaubens faszinierenden Ausstellung.

TV-Tipp

Oliver Masucci brilliert in dem Mehrteiler »Herrhausen - Der Herr des Geldes«

Biografischer Mehrteiler über Bankier Alfred Herrhausen

von Jan Lehr  17.11.2025

Amsterdam

Chanukka-Konzert im Concertgebouw kann doch stattfinden

Der israelische Kantor Shai Abramson kann doch am 14. Dezember im Amsterdamer Konzerthaus auftreten - allerdings nur bei zusätzlich anberaumten Konzerten für geladene Gäste

 13.11.2025

Meinung

BBC: Diese Plattform für anti-israelische Vorurteile und Extremismus ist nicht mehr zu retten

Der öffentlich-rechtliche Sender Großbritanniens hat sich anti-israelischen Vorurteilen und Extremismus geöffnet. Er braucht dringend Erneuerung

von Ben Elcan  13.11.2025

Raubkunst

Zukunft der Bührle-Sammlung ungewiss

Die Stiftung Sammlung E. G. Bührle hat ihren Stiftungszweck angepasst und streicht die Stadt Zürich daraus

von Nicole Dreyfus  10.11.2025

Geiseldeal

Itay Chen ist wieder in Israel

Die Leiche des 19-jährigen, israelisch-amerikanischen Soldaten wurde am Dienstagabend von Terroristen der Hamas übergeben

 05.11.2025

Jerusalem

Nach Eklat in Jerusalem: Westfälische Präses setzt auf Dialog

Projekte, Gedenkorte und viele Gespräche: Die Theologin Ruck-Schröder war mit einer Delegation des NRW-Landtags fünf Tage in Israel und im Westjordanland. Angesichts der Spannungen setzt sie auf dem Weg zur Verständigung auf Begegnungen und Dialog

von Ingo Lehnick  06.11.2025 Aktualisiert

Terror

Hamas übergibt erneut Leichen an Rotes Kreuz

Die Hamas hat dem Roten Kreuz erneut Leichen übergeben. Ob es sich bei den sterblichen Überresten in drei Särgen wirklich um Geiseln handelt, soll nun ein forensisches Institut klären

 02.11.2025

Augsburg

Josef Schuster und Markus Söder bei Jubiläumsfeier von jüdischem Museum

Eines der ältesten jüdischen Museen in Deutschland feiert in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen. Das Jüdische Museum Augsburg Schwaben erinnert mit einer Ausstellung an frühere Projekte und künftige Vorhaben

 29.10.2025

Interview

»Wir sind für alle Soldaten da«

Shlomo Afanasev ist Brandenburgs erster orthodoxer Militärrabbiner. Am Dienstag wurde er offiziell ordiniert

von Helmut Kuhn  29.10.2025