Schindler-Juden

»Ich hab’eine Story für Sie«

von Dan Goldberg

»Leopold Pfefferberg« war den amerikanischen Einwanderungsbeamten in Ellis Island 1947 zu kompliziert. Sie änderten den Namen des Neueinwanderers aus Polen kurzerhand in »Leopold Page«. Zwei Jahre zuvor hatte der Mann gar keinen Namen mehr gehabt, sondern nur eine in den Unterarm eintätowierte Nummer: 69006. Dass er lebendig davon gekommen war, verdankte er einer anderen Zahl. Leopold Pfefferberg war die Nummer 173 auf Schindlers Liste gewesen. Und ohne ihn wäre die Geschichte des deutschen Fabrikanten und »seiner« geretteten Juden wahrscheinlich nie bekannt geworden.
Pfefferberg-Page, den seine Freunde Poldek nannten, betrieb in Beverley Hills einen kleinen Handtaschenladen. Regisseure, Produzenten, Schauspieler und Drehbuchautoren aus dem nahe gelegenen Hollywood kauften dort gelegentlich ein. Jedem, der mit der Traumfabrik zu tun hatte, erzählte Poldek die Geschichte seiner wundersamen Rettung. Doch niemand wollte daraus einen Film oder ein Buch machen. Bis er 1980 an Thomas Keneally geriet.: »Ich habe eine Story für Sie«, sagte er dem unbekannten australischen Autor.
»Nie hatte ich Worte voll so viel Inbrunst und Bildhaftigkeit gehört, gesprochen in Bariton- und Basstönen«, erinnert sich Keneally in seinem jetzt bei Random House Australia erschienen Buch Searching for Schindler. »Poldek war wie ein Hightech-Zug voller Special Effects.« Der Ladenbesitzer, glücklich, endlich jemanden gefunden zu haben, der ihm zuhörte, erzählte dem Schriftsteller wie er, seine Frau Misia und 1.200 andere todgeweihte Juden von dem »saufenden, rumvögelnden Schwarzmarkthändler« Oskar Schindler gerettet worden waren. Keneally war fasziniert, aus zwei Gründen, wie er sich erinnert. »Ich schaute auf Poldeks großes, ehrliches Gesicht und dachte bei mir: ‚Was ist es, das urbane Mitteleuropäer glauben ließ, Menschen wie er seien wie Viren in ihrer Zivilisation und müssten vernichtet werden?’« Hinzu kam die widersprüchliche Persönlichkeit des Krakauer Judenretters: »Oskar war ein Schurke in der Retterrolle«, schreibt Thomas Keneally. »Wir Schriftsteller mögen Paradoxien. Bei Schindler wusste man nie, wo die Menschenfreundlichkeit aufhörte und der Opportunismus begann.«
Zwei Jahre recherchierte Keneally die Geschichte von Schindlers Liste, forschte in Archiven und sprach mit Zeitzeugen. 1982 erschien sein Buch Schindler’s Ark, das sogleich den renommierten britischen Booker-Preis gewann. Zum allgemeinen Begriff wurde Schindlers Liste dann 12 Jahre später, als Steven Spielberg die Geschichte verfilmte und 1994 dafür seinen ersten Oscar erhielt. Dass der Regisseur sich des schwierigen Stoffs überhaupt angenommen hatte, war auch wieder Poldek Pfefferbergs Enthusiasmus (man kann auch sagen Penetranz) zu verdanken. Nicht nur rief er ständig in Spielbergs Büro an, erinnert sich Keneally. Der Ladenbesitzer bedrängte auch unablässig Spielbergs Mutter in ihrem koscheren Restaurant mit seinem Mantra: »Ein Oscar für Oskar!«
Poldek Pfefferberg starb 2001. Thomas Keneally hatte ihm vor seinem Tod versprochen, eines Tages ein Buch über ihn zu schreiben. Mit Searching for Schindler hat er dieses Versprechen jetzt eingelöst und eine Dankesschuld beglichen. Denn Schindlers Liste war, sagt der Autor, letzt-endlich Poldek Pfefferbergs Buch. »Ich sehe mich als Katalysator, nicht als Auslöser«, sagt Thomas Keneally: »Poldek war die Zündkerze. Ich war nur ein Kolben im Motor.«

Geiseldeal

Itay Chen ist wieder in Israel

Die Leiche des 19-jährigen, israelisch-amerikanischen Soldaten wurde am Dienstagabend von Terroristen der Hamas übergeben

 05.11.2025

Jerusalem

Nach Eklat in Jerusalem: Westfälische Präses setzt auf Dialog

Projekte, Gedenkorte und viele Gespräche: Die Theologin Ruck-Schröder war mit einer Delegation des NRW-Landtags fünf Tage in Israel und im Westjordanland. Angesichts der Spannungen setzt sie auf dem Weg zur Verständigung auf Begegnungen und Dialog

von Ingo Lehnick  06.11.2025 Aktualisiert

Terror

Hamas übergibt erneut Leichen an Rotes Kreuz

Die Hamas hat dem Roten Kreuz erneut Leichen übergeben. Ob es sich bei den sterblichen Überresten in drei Särgen wirklich um Geiseln handelt, soll nun ein forensisches Institut klären

 02.11.2025

Augsburg

Josef Schuster und Markus Söder bei Jubiläumsfeier von jüdischem Museum

Eines der ältesten jüdischen Museen in Deutschland feiert in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen. Das Jüdische Museum Augsburg Schwaben erinnert mit einer Ausstellung an frühere Projekte und künftige Vorhaben

 29.10.2025

Interview

»Wir sind für alle Soldaten da«

Shlomo Afanasev ist Brandenburgs erster orthodoxer Militärrabbiner. Am Dienstag wurde er offiziell ordiniert

von Helmut Kuhn  29.10.2025

Bayern

Charlotte Knobloch kritisiert Preisverleihung an Imam

Die Thomas-Dehler-Stiftung will den Imam Benjamin Idriz auszeichnen. Dagegen regt sich nicht nur Widerstand aus der FDP. Auch die 93-jährige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Münchens schaltet sich nun ein

von Michael Thaidigsmann  29.10.2025

Jerusalem

Karin Prien in Yad Vashem: »Jedes Mal für mich erschütternd«

Bei ihrer Israel-Reise erinnert die Bildungsministerin an die Millionen Opfer des Holocaust. Der Moment berührt die CDU-Politikerin auch aus einem persönlichen Grund

von Julia Kilian  28.10.2025

Bildungsministerin

Karin Prien reist nach Israel

Die CDU-Ministerin mit jüdischen Wurzeln will an diesem Sonntag nach Israel aufbrechen. Geplant sind Treffen mit dem israelischen Bildungs- und Außenminister

 26.10.2025

München

Paul Lendvai: »Freiheit ist ein Luxusgut«

Mit 96 Jahren blickt der Holocaust-Überlebende auf ein Jahrhundert zwischen Gewalt und Hoffnung zurück. Besorgt zeigt er sich über die Bequemlichkeit der Gegenwart - denn der Kampf »gegen das Böse und Dumme« höre niemals auf

 21.10.2025