Witz

Humor ist, wenn man trotzdem lacht

von Nathan Elberg

In Zeiten, in denen es tödlich sein konnte, anderer Meinung als die Regierung zu sein, war Humor für viele ein Mittel, mit dessen Hilfe wichtige Themen diskutiert und das gesellschaftliche Bewußtsein geschärft werden konnten, ohne gleich den Kopf in die Schlinge zu stecken. Es hat zahlreiche große satirische Künstler gegeben, von Aristophanes und Molière bis zu Lewis Carroll und George Orwell. In den heutigen Demokratien ist die häufigste Reaktion auf Politik Geringschätzung oder Apathie. Über das Medium Humor kann eine politische Botschaft vermittelt werden, für die die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung sonst kein Interesse aufbringt.
In den 1960er und 70er Jahren rebellierten junge Menschen gegen all das, was sie als die überlebten Werte ihrer Eltern ansahen. Sie hatten das Böse in der Welt fest im Blick und gingen auf die Straße, um diese Welt zu einem besseren Ort zu machen.
Als die Fernsehsendung »Saturday Night Live« 1975 zum ersten Mal ausgestrahlt wurde, war der Vietnamkrieg fast zu Ende. »Saturday Night Live« (SNL) war eine richtungweisende Sendung, in der das »Establishment« verhöhnt wurde. Die Komiker aus den Anfangszeiten von SNL entfachten eine Revolution in der Unterhaltungsindustrie. In dem gleichen Medium, das sich weigerte, Elvis Presleys Hüften zu zeigen, wurden mit einem Mal alle Grenzen der Konvention gesprengt, und in den späten Nachtstunden nahmen unerschrockene Komiker die Gesellschaft aufs Korn.
Es war kein Zufall, daß »Saturday Night Live« kommerziell erfolgreich war und ein junges Publikum anzog, das über Trends entschied und über eine riesige Kaufkraft verfügte. Die Führungskräfte und Buchhalter bei den großen Sendern erkannten, daß hip, cool und sarkastisch zu sein große finanzielle Vorteile mit sich brachte. Der Anthropologe Edmund Carpenter brachte es auf den Punkt: Mit der radikalen Hippiebewegung sei es vorbei gewesen, als der Talkshow-Moderator David Frost den radikalen Hippieführer Abbie Hoffman unterbrach: »Wir müssen hier eine Pause für die Werbung einlegen.«
Was anfangs hip war, wurde im Lauf der Zeit banal. Die Grenze des guten Geschmacks mußte immer weiter hinausgeschoben werden, damit auch die neueren Komiker etwas zum Übertreten hatten. Jetzt haben wir Fernsehsendungen, deren Humor sich ausschließlich um Ausscheidungsvorgänge dreht. In »innovativen« Live-Shows machen Komiker Dinge, für die sie vor nicht sehr langer Zeit ins Gefängnis gewandert wären.
Jahrelang veröffentlichten Zeitungen der Gegenkultur den Comicstrip »Life in Hell« von Matt Groening – eine nihilistische Serie über eine Handvoll entfremdete und unglückliche Kreaturen. Als ein Fernsehproduzent Groening fragte, ob er auf der Grundlage des Comics eine Fernsehserie ausarbeiten würde, befürchtete Groening, die Kontrolle über seine »Life in Hell«-Figuren zu verlieren. Um sich die Chance aber nicht entgehen zu lassen, entwickelte er eine neue Gruppe Figuren fürs Fernsehen – jene Familie, die man als die »Simpsons« kennt. Der Produzent der Simpsons, Mike Scully, erklärte, um für die Serie zu schreiben, brauche man »eine gesunde Verachtung für alles, was Amerikaner wertschätzen«. Die in der Prime Time ausgestrahlte Zeichentrickserie wurde in kürzester Zeit zu einem phänomenalen Erfolg und brachte dem Fernsehsender Fox Television über eine Milliarde Dollar ein. Die Simpsons gehören ganz gewiß zu den Dingen, die die Amerikaner wertschätzen.
Wenn Groenings Geschöpf Homer sagt: »Verspotte immer die, die anders sind als du« – auf wen zielt die Satire? Welche zentrale Botschaft wird den Familien vermittelt, die Groening reich gemacht haben? Worin besteht die Kultur, gegen die Homer, Bart und die anderen antreten?
Vor Jahrzehnten war George Carlin ein radikaler Komiker. Heute trägt er die langen grauen Haare zu einem ordentlichen Pferdeschwanz gebunden, spickt jeden zweiten Satz mit einem Schimpfwort und ist einfach nur öde. Humor mit Obszönitäten zu würzen ist ungefähr so gewagt, wie Salz auf seine Pommes frites zu streuen.
Man kann komisch sein, ohne bösartig zu sein. Bill Cosby erweckte das Sitcom Genre aus einem langen Schlaf, mit einer Fernsehserie, die unterhaltend und komisch war, ohne die Figuren zu erniedrigen oder in ihrem Sexleben zu schnüffeln. Die Serie scheute sich bei der Darstellung einer schwarzen Mittelschichtfamilie nicht, Grenzen zu überschreiten, verzichtete dabei aber völlig auf Stereotype oder Apologetik.
Der traditionelle jüdische Humor verspottete Narren, den Selbstgerechten, den Zaren oder den Antisemiten. Meistens aber lachten Juden über ihre eigenen Schwächen und über das schwierige Überleben in einer feindseligen, wirtschaftlich und moralisch rückständigen Welt.
Humor hat einen festen Platz in der jüdischen Tradition. Der talmudische Weise Rava leitete alle seine Vorträge mit »milta debedicha«, mit humorvollen Worten, ein, damit seine Schüler lockerer wurden. Sich des Sarkasmus zu enthalten gilt in der Gemara zwar durchaus als lobenswert, doch greift sie gelegentlich selbst auf Sarkasmus zurück, um einen Punkt zu verdeutlichen.
Humor ist nicht gleich Spott. Die Gemara sagt, daß Spott bis auf die Verspottung von »avoda zara« (Götzendienst) immer assur, das heißt verboten ist. Rabbi Yitzhak Hutner erläutert, daß die treibende Kraft hinter dem Spott der Wunsch ist, etwas Wichtiges seines Wertes zu entkleiden. Da avoda zara hingegen einer wertlosen Sache Bedeutung verleiht, weist seine Verspottung ihm wieder seinen angemessenen Platz zu.
Und wieso ist Spott »assur«? Gewöhnlich wird das Wort mit »verboten« übersetzt, tatsächlich bedeutet es »gefesselt«. Aus einer kabbalistischen Perspektive ist etwas, was assur ist, an die dunkle Seite gekettet, an das Böse gekettet.
Nach den Wundern in Ägypten, nach der wundersamen Durchquerung des Roten Meeres, waren die Juden, als sie die Wüste betraten, in einem spirituellen Rauschzustand. Die aktive Rolle Gottes in der Welt war für alle evident, die Augen hatten zu sehen. Die Bedeutung der Spiritualität, der Heiligkeit, lag klar zutage. Die Liebe Gottes für das jüdische Volk offenbarte sich in der materiellen Welt.
Dann kommt Amalek und sagt: »Die Beziehung Gottes zu Israel, die aktive Rolle Gottes in der Welt, Heiligkeit, das sind doch alles kleine Fische.« Amalek griff Israel an, physisch und spirituell; die selbsternannte Rolle der Amalekiter bestand darin, dem Streben Israels nach allem, was von Bedeutung ist, einen Dämpfer zu versetzen. Die Amalek wollten alles, was wichtig ist, seines Wertes berauben. Laut Rabbi Zalman Sorotskin wollten sie verhindern, daß Bnei Israel am Berg Sinai die Tora in Empfang nahm. Unsere Weisen betrachten Amalek als das Äußerste an Spott. Es wurde uns geheißen, nie zu vergessen, was die Amalekiter uns angetan haben, und sie aus unserer Mitte zu verbannen.
Die von den Buchhaltern der Medien so geschätzte »Gegenkultur« ist ein Spott. All die hippen, coolen oder sarkastichen Leute, die wir im Fernsehen oder in Filmen sehen, sie sind das »Establishment«. »Gegenkultur« bedeutet, nicht mit der Menge mitzulaufen; etwas zu machen, was man für richtig hält; das zu würdigen, das wirklich Respekt verdient. In einer auf den Kopf gestellten Welt sind Schabbat, Mikwe und Kaschrut Gegenkultur. Anderen Menschen mit Respekt zu begegnen, moralisch zu handeln – das ist wahrhaft subversiv in einer Verbraucherkultur, die sagt: »Alles ist erlaubt« oder: »Du bist, was du kaufst«.
Die Tora rügt diejenigen, die Gott nicht freudig dienen. Man soll glücklich sein, man soll Witze machen, man darf sogar sarkastisch sein. Aber man sollte den Spott vermeiden. Schätzen Sie das, was Bedeutung hat.
Rabbi Sorotskin erläutert den Tora-Vers »Haschem führt einen Krieg gegen Amalek immerfort, von einer Generation zu der nächsten«. Gott hätte Amalek mit einem Wort auslöschen können. Rabbi Sorotskin merkt dazu an, daß »Gott bei der Erschaffung entschlossen war, zuzulassen, daß die Macht Satans die Menschen in Versuchung führt, in den Augen Gottes Böses zu tun. Dies wird so lange dauern, bis auf der Welt Vollkommenheit herrscht.«
Wollen Sie die Welt zu einem besseren Ort machen? Dann werden Sie kein Anhänger Amaleks. Es mag sein, daß Schabbat, Mikwe, Kaschrut und Tora nicht so verlockend sind wie die »gegenkulturelle« Unterhaltung der großen Medienkonzerne. Doch sind sie bessere Verkehrungen für Tikkun Olam, für die Lösung der Probleme auf dieser Welt.

Abdruck mit freundlicher Genehmigung von »Ohr Somayach«, www.ohr.edu

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