Spieltheorie

»Hot spot« Göttingen

»Hot spot« Göttingen

Wie jüdische Wissenschaftler die Spieltheorie prägten

von Anke Ziemer

Die Spieltheorie hat die Vorstellungen von strategischem Handeln Einzelner oder ganzer Interessengruppen in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen geprägt. Das Teilgebiet der Mathematik analysiert die Mu- ster von strategischen Interaktionen, mit denen jeder Teilnehmer das optimale Ergebnis zu erzielen sucht. Bei der jüngsten »Berlin Lecture«, einer Vortragsreihe des amerikanisch-jüdischen Touro College, hob der Ökonomie-Professor Michael Krüger die Bedeutung europäisch-jüdischer Forscher besonders hervor.
Seit Anfang des 17. Jahrhunderts befaßten sich Wissenschaftler immer wieder mit der Frage, ob und wie man den Verlauf von Glücks- und Gesellschaftsspielen systematisch beschreiben kann. Ab der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren zahlreiche Mathematiker vor allem von Strategiespielen fasziniert, zum Beispiel John von Neumann und Oskar Morgenstern, später auch John Harsanyi, Reinhard Selten und Robert Aumann. Einige von ihnen forschten und lehrten bis in die dreißiger Jahre an der Göttinger Universität, dem damaligen europäischen Zentrum der Mathematik und Physik.
John von Neumann, 1903 in einer jüdischen Bankiersfamilie in Budapest geboren, analysierte in seiner Göttinger Zeit zahlreiche Gesellschaftsspiele. 1928 wurde er durch einen Aufsatz des Mathematikers Émile Borel über sogenannte Minimax-Eigenschaften zu Ideen geführt, die auf einen seiner originellsten Entwürfe hinausliefen: die Spieltheorie. Schnell erkannte er, daß sie auch auf wirtschaftliche Fragestellungen anwendbar war. Mit Oskar Morgenstern verfaßte er 1944 am Institute for Advanced Study in Princeton das Standard- werk The Theory of Games and Economic Behavior, in dem er mathematische Theorie und wirtschaftswissenschaftliche Anwendung verband. Die Pioniere der Spieltheorie gingen davon aus, daß die Beteiligten streng rational handeln und nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind. Nach diesem Muster liefern sich zum Beispiel konkurrierende Unternehmen Preisschlachten.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geriet das Modell in die Kritik, denn Menschen entscheiden nicht nur nach rationalen Kriterien. Zudem können sie nicht alle Informationen berücksichtigen, die ihre Entscheidungen beeinflussen. John Nash analysierte in den fünfziger Jahren Situationen, in denen die Teilnehmer nur bei kooperativem Vorgehen erfolgreich sein können. Der aus einer jüdisch-ungarischen Fa- milie stammende John Harsanyi setzte sich in den Sechzigern mit dem Problem unvollständiger Information auseinander. Dafür erhielt er 1994 zusammen mit Reinhard Selten den Wirtschaftsnobelpreis.
2005 ging diese Auszeichnung unter anderem an den Mathematiker Robert Aumann von der Hebräischen Universität Jerusalem. Der 1930 in Frankfurt am Main geborene Aumann rettete sich 1938 mit seiner Familie in die USA, wo er strategische Entscheidungsprozesse in gesamtwirtschaftlichen Konflikt- und Konkurrenzsituationen untersuchte und entscheidend dazu beitrug, Preis- und Handelskriege besser zu verstehen. »Die internationalen Zentren der spieltheoretischen Forschung werden finanziell enorm gefördert«, betonte Krüger. »Wir sollten uns vergegenwärtigen, wie bedeutungsvoll Deutschland auf diesem Gebiet heute hätte sein können, denn vor 1933 lag der ‚hot spot’ in Göttingen.«

Geiseldeal

Itay Chen ist wieder in Israel

Die Leiche des 19-jährigen, israelisch-amerikanischen Soldaten wurde am Dienstagabend von Terroristen der Hamas übergeben

 05.11.2025

Jerusalem

Nach Eklat in Jerusalem: Westfälische Präses setzt auf Dialog

Projekte, Gedenkorte und viele Gespräche: Die Theologin Ruck-Schröder war mit einer Delegation des NRW-Landtags fünf Tage in Israel und im Westjordanland. Angesichts der Spannungen setzt sie auf dem Weg zur Verständigung auf Begegnungen und Dialog

von Ingo Lehnick  06.11.2025 Aktualisiert

Terror

Hamas übergibt erneut Leichen an Rotes Kreuz

Die Hamas hat dem Roten Kreuz erneut Leichen übergeben. Ob es sich bei den sterblichen Überresten in drei Särgen wirklich um Geiseln handelt, soll nun ein forensisches Institut klären

 02.11.2025

Augsburg

Josef Schuster und Markus Söder bei Jubiläumsfeier von jüdischem Museum

Eines der ältesten jüdischen Museen in Deutschland feiert in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen. Das Jüdische Museum Augsburg Schwaben erinnert mit einer Ausstellung an frühere Projekte und künftige Vorhaben

 29.10.2025

Interview

»Wir sind für alle Soldaten da«

Shlomo Afanasev ist Brandenburgs erster orthodoxer Militärrabbiner. Am Dienstag wurde er offiziell ordiniert

von Helmut Kuhn  29.10.2025

Bayern

Charlotte Knobloch kritisiert Preisverleihung an Imam

Die Thomas-Dehler-Stiftung will den Imam Benjamin Idriz auszeichnen. Dagegen regt sich nicht nur Widerstand aus der FDP. Auch die 93-jährige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Münchens schaltet sich nun ein

von Michael Thaidigsmann  29.10.2025

Jerusalem

Karin Prien in Yad Vashem: »Jedes Mal für mich erschütternd«

Bei ihrer Israel-Reise erinnert die Bildungsministerin an die Millionen Opfer des Holocaust. Der Moment berührt die CDU-Politikerin auch aus einem persönlichen Grund

von Julia Kilian  28.10.2025

Bildungsministerin

Karin Prien reist nach Israel

Die CDU-Ministerin mit jüdischen Wurzeln will an diesem Sonntag nach Israel aufbrechen. Geplant sind Treffen mit dem israelischen Bildungs- und Außenminister

 26.10.2025

München

Paul Lendvai: »Freiheit ist ein Luxusgut«

Mit 96 Jahren blickt der Holocaust-Überlebende auf ein Jahrhundert zwischen Gewalt und Hoffnung zurück. Besorgt zeigt er sich über die Bequemlichkeit der Gegenwart - denn der Kampf »gegen das Böse und Dumme« höre niemals auf

 21.10.2025