Propaganda

Hass 2.0

von Patrick Gensing

»Für Rasse, Volk und Nation!« In ihrem Profil auf der Internet-Videoplattform »YouTube«-Deutschland lässt »Riefenstahl 89« keinen Zweifel aufkommen, wo sie politisch steht. Auch die Werke ihres historischen Vorbilds, Leni Riefenstahl, sind hier leicht zu finden. Zum Beispiel ihr Triumph des Willens – in einer unkommentierten Version. Erstaunlich, denn das Machwerk gilt in Deutschland als NSDAP-Propaganda und darf öffentlich nur mit entsprechenden Erläuterungen gezeigt werden. Also ein Verstoß gegen geltendes Recht?
Aber es geht noch radikaler. Im Internet wird in aller Offenheit gehetzt und gehasst. Gerade auf viel genutzten Plattformen wie YouTube finden sich zahllose Spielarten von Rassismus, Fremden- und Judenfeindlichkeit. Und es gibt eine breite Front Gleichgesinnter. Der Benutzer »Volksaufklärer« zeigt mit seinen Videos anschaulich die ideologische Schnittmenge zwischen Islamismus und Rechtsextremismus: Da gibt es einen Beitrag zu den »Lügen der BRD-Juden über den islamistischen Terror« oder »ZIONs Massenmord auf den Rheinwiesen«. Krassestes Beispiel für die antisemitische Querfront: Ein Rap aus Berlin, von »zwei Arabern und einem Nazi«. In ihrem Song fordern sie: »Bomben auf Tel Aviv«. Auch »Antifahunter88« (die 88 ist bei Neonazis eine Chiffre für »Heil Hitler«) treibt bei YouTube sein Unwesen. »Antifahunter88« wirbt für ein NPD-nahes Internet-TV-Projekt, das in beachtlicher Zahl moderne rechtsextreme Propagandastreifen pro- duziert. Damit soll der »Kampf um die Köpfe« gewonnen werden. Auf den Seiten der NPD-Jugendorganisation JN heißt es dazu passend: »Dieses System kann nicht reformiert werden, sondern muss beseitigt und durch etwas Neues ersetzt werden.«
Das Internet bietet für Rechtsextremisten und Antisemiten jeglicher Couleur viele Vorteile. NPD-Chef Udo Voigt spricht daher vom »Weltnetz« als einer »wunderbaren Sache«. Hier ließen sich Inhalte »ohne Zensur« günstig und global verbreiten. Das Erstellen von Internet-Seiten geht zudem schnell, einfach und kostet wenig Geld. Die Rechtsextremisten haben dabei vor allem junge Leute im Blick. Gerade Jugendliche holen sich ihre Informationen aus dem Internet. Für viele ist es die wichtigste Informationsquelle. Dazu genießen die Inhalte eine verblüffend hohe Glaubwürdigkeit; populäre Verschwörungstheorien belegen dies.
Rechtsextremisten verstehen es inzwischen gut, ihre Internetangebote auf die junge Zielgruppe abzustimmen. »Die rechten Seiten arbeiten mit viel Symbolik und wenig Text«, heißt es bei »Jugendschutz. net«. Mithilfe dieser Initiative versuchen die Bundesländer, gegen jugendgefährdende Inhalte im Netz vorzugehen. Keine leichte Aufgabe. Rechtsextremisten wissen genau, was rechtlich noch zulässig ist. Falls die Rassisten und Antisemiten doch nicht an sich halten können, breiten sie ihre Hetze anonym auf Internetseiten aus, die ausländische Anbieter zur Verfügung stellen. Fast 1.500 rechte Websites zählte Jugendschutz.net im Oktober, vor anderthalb Jahren waren es etwa 1.000. Experten sind sich sicher: Die Angebote haben mittlerweile eine Breitenwirkung. Dies gilt insbesondere für Musik, die hier vertrieben wird. Und als Einnahmequelle ist der Online-Versandhandel mit CDs und Kleidung für die rechtsextreme Bewegung äußerst wichtig. Jugendschutz.net kooperiert international mit diversen Partnern, setzt auf freiwillige Selbstkontrolle von Unternehmen, die im Internet Raum für Webseiten vermieten. Viele haben Selbstverpflichtungen unterzeichnet, wonach Seiten mit Hass-Inhalten gesperrt werden.
Doch das ist ein Hase-und-Igel-Spiel: Neonazis ziehen weiter und nutzen andere Anbieter. Zahlreiche Initiativen und Organisationen bemühen sich daher, die Offensive von Rechts inhaltlich zu kontern. Ein umfangreiches virtuelles Netzwerk ist bereits entstanden. Jüngstes Mitglied: »Störungsmelder.org«. Der ist bei der Wochenzeitung »Die Zeit« angesiedelt. Dort schreiben Prominente, Schüler und Fachleute über die Aktivitäten der Neonazis. Der Clou des Weblogs: Mit ihrer Popularität sollen die Promis als »Türöffner« zu Jugendlichen fungieren, die von keiner noch so bedeutenden Fachseite je erreicht werden.
Ein wichtiger Schritt. Denn der Schlüssel zum Erfolg im Kampf gegen Hass und Vorurteile liegt nicht im Internet. Kein Mensch wird allein durch dieses Medium zum Neonazi und Antisemiten. Allerdings finden diese hier alles, was ihr Herz begehrt. Auch bei »YouTube«-Deutschland. Was wohl das ZDF, Greenpeace und der FC Bayern München als Partner von YouTube davon halten, dass ihre Inhalte neben antisemitischer und Nazi-Propaganda präsentiert werden?

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