Archäologie

Geschichte von unten

Wer im Heiligen Land nur auf den Spuren der Bibel wandern will, wird in einer der schönsten und best-
erhaltenen städtischen Perlen Israels nicht fündig. König Salomon hat zwar Akko, den wichtigsten Hafen des Landes, an den Phönizierkönig Hiram abgetreten. Im Tauschgeschäft lieferte Hiram das Baumaterial für den Tempel in Jerusalem, darunter die berühmten Zedern des Libanon. Chefarchäologe Eliezer Stern erklärt die Hafenstadt Akko zum »Tor des Heiligen Landes« und schwärmt weiter: »Wer Akko beherrscht, der hat den Schlüssel zur Macht im Land Israel in der Hand.«
Tatsächlich mangelt es nicht an berühmten Feldherren, die Akko belagert, erobert, zerstört oder wiederaufgebaut haben: Tutmosis III. und Ramses II., Alexander der Große, Ptolomäus, Caesar und Vespasian. Herodes eroberte von Akko aus Galiläa. Kaiser Nero siedelte in Akko Veteranen seiner Legion an. Zeitweilig hieß die Stadt: Colonia Claudia Ptolemais Germanica. Na-
poleon Bonaparte, von den Pyramiden kommend, erlitt vor Akko eine so schmachvolle Niederlage wie vor Moskau.

Kreuzfahrer Doch den Archäologen Eliezer Stern von der Antikenbehörde interessieren die großen Namen der Geschichte nicht wirklich. Für ihn sind die Kreuzfahrer die eigentlichen Helden und Erbauer der Stadt. Über den Trümmern der Griechen und Römer haben Genoaer, Venezianer, Pisaner, Templer und Hospitaler riesige Säle mit mächtigen Säulen hochgezogen. Jeder in seinem Viertel mitsamt Hospiz, Kirche und Wohnhäusern.
Wer genug vom türkischen Basar aus der osmanischen Zeit habe, wo Araber heute Gewürze, bunte Tücher und Plastikschuhe feilbieten, sollte sich in den Untergrund begeben, empfiehlt Stern. In Akko sei eine komplett verschüttete mittelalterliche Stadt erhalten geblieben, eine Art Pompeji aus der Kreuzfahrerzeit. So etwas gebe es in einem derart gut erhaltenen Zustand nirgendwo in Europa. Denn nachdem die Kreuzfahrer – 1147 von Saladin besiegt – im Jahr 1242 Akko endgültig verlassen hatten, rührte niemand mehr die Hinterlassenschaften der Europäer an. Das »moderne« Akko wurde einfach 14 Meter höher, über den mächtigen Bauten der Kreuzfahrerstadt neu errichtet. Die Bausubstanz der Kreuzfahrer blieb komplett erhalten.

Ausgrabungen Seit fast 20 Jahren ist Stern damit beschäftigt, Erdreich und Schutt aus Hallen mit romanischen und gotischen Bögen wegzuräumen. Die darübergebauten modernen Häuser sichert er mit Betonbalken ab. Das Refektorium, die Ritterhallen und die »schöne Halle« sind heute schon für Touristen zugänglich. Vor vielen Seitengängen zu weiteren Hallen hängen heute jedoch Schilder: »Eintritt verboten«. In wenigen Monaten sollen Touristen auch besichtigen können, was Stern Journalisten vorab zeigte.
Sein spannendster Fund: Graffiti. »Die meisten Kreuzfahrer waren Analphabeten. Deshalb haben wir nicht einen einzigen Buchstaben gefunden, sondern nur kleine, in den Gipsputz der Wände geritzte Wappen und symbolische Darstellungen der Grabeskirche«, erklärt Stern. Zwischendurch sitzt der Archäologe in der öffentlichen Latrine probe. Steinsitze mit Loch in der Mitte sind da aufgereiht. Etwa 50 Männer (und Frauen?) konnten da, einander gegenübersitzend, gleichzeitig ihr Ge-
schäft erledigen, während ein ausgeklügeltes Wassersystem von Zisternen auf dem Dach und unterirdischen Tunneln bis zum Meer für Wasserspülung sorgte. »Akko war damals dreimal dichter besiedelt als London mit seinen 20.000 Bewohnern. Deshalb war die öffentliche Infrastruktur der Stadt mit den separaten Vierteln der Kreuzfahrerorden besser durchgeplant und organisiert als in jeder anderen europäischen Stadt der damaligen Zeit.«

Abwassertunnel Hunderte Meter weit führt Stern die Journalisten gebückt durch die Abwassertunnel. Sie dienten auch als Geheimgänge und Fluchtwege in Richtung Hafen. »Die Kreuzfahrer müssen Chinesen gewesen sein«, lacht ein europäischer Hü-
ne, weil nue eine kleine chinesische Journalistin aufrechten Ganges ihre Fotos knipsen kann. Stern erzählt von einer »Andenken-Fabrik« der Kreuzfahrer. Bis zu seinen Ausgrabungen hatte man nur in Europa Ampullen gefunden, die Pilger »gefüllt mit Wasser und Luft aus dem Heiligen Land« mitgebracht hätten. »Hier entdeck-
ten wir die Werkstatt dieser Ampullen mitsamt den Formen, in denen der Ton gepresst wurde.« Heute liegen die Funde aus der Kreuzfahrerzeit im Labor. In etwa zwei Jahren würden die Kreuzfahrerhallen in ein Museum verwandelt, wo dann auch die Kleinfunde an ihrem ursprünglichen Fundort ausgestellt werden sollen.

Geiseldeal

Itay Chen ist wieder in Israel

Die Leiche des 19-jährigen, israelisch-amerikanischen Soldaten wurde am Dienstagabend von Terroristen der Hamas übergeben

 05.11.2025

Jerusalem

Nach Eklat in Jerusalem: Westfälische Präses setzt auf Dialog

Projekte, Gedenkorte und viele Gespräche: Die Theologin Ruck-Schröder war mit einer Delegation des NRW-Landtags fünf Tage in Israel und im Westjordanland. Angesichts der Spannungen setzt sie auf dem Weg zur Verständigung auf Begegnungen und Dialog

von Ingo Lehnick  06.11.2025 Aktualisiert

Terror

Hamas übergibt erneut Leichen an Rotes Kreuz

Die Hamas hat dem Roten Kreuz erneut Leichen übergeben. Ob es sich bei den sterblichen Überresten in drei Särgen wirklich um Geiseln handelt, soll nun ein forensisches Institut klären

 02.11.2025

Augsburg

Josef Schuster und Markus Söder bei Jubiläumsfeier von jüdischem Museum

Eines der ältesten jüdischen Museen in Deutschland feiert in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen. Das Jüdische Museum Augsburg Schwaben erinnert mit einer Ausstellung an frühere Projekte und künftige Vorhaben

 29.10.2025

Interview

»Wir sind für alle Soldaten da«

Shlomo Afanasev ist Brandenburgs erster orthodoxer Militärrabbiner. Am Dienstag wurde er offiziell ordiniert

von Helmut Kuhn  29.10.2025

Bayern

Charlotte Knobloch kritisiert Preisverleihung an Imam

Die Thomas-Dehler-Stiftung will den Imam Benjamin Idriz auszeichnen. Dagegen regt sich nicht nur Widerstand aus der FDP. Auch die 93-jährige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Münchens schaltet sich nun ein

von Michael Thaidigsmann  29.10.2025

Jerusalem

Karin Prien in Yad Vashem: »Jedes Mal für mich erschütternd«

Bei ihrer Israel-Reise erinnert die Bildungsministerin an die Millionen Opfer des Holocaust. Der Moment berührt die CDU-Politikerin auch aus einem persönlichen Grund

von Julia Kilian  28.10.2025

Bildungsministerin

Karin Prien reist nach Israel

Die CDU-Ministerin mit jüdischen Wurzeln will an diesem Sonntag nach Israel aufbrechen. Geplant sind Treffen mit dem israelischen Bildungs- und Außenminister

 26.10.2025

München

Paul Lendvai: »Freiheit ist ein Luxusgut«

Mit 96 Jahren blickt der Holocaust-Überlebende auf ein Jahrhundert zwischen Gewalt und Hoffnung zurück. Besorgt zeigt er sich über die Bequemlichkeit der Gegenwart - denn der Kampf »gegen das Böse und Dumme« höre niemals auf

 21.10.2025