archäologie

»Geschichte ist ein Mosaik«

archäologie
»Geschichte ist ein Mosaik«

Der Archäologe Ehud Netzer über das Grab des Herodes

Herr Netzer, Sie haben zusammen mit Ihren Mitarbeitern am Nordosthang des Herodiums das Grab von König Herodes entdeckt. (Vgl. Jüdische Allgemeine vom 10. Mai.) Was empfanden Sie in dem Moment, als Sie sicher waren, tatsächlich das Grab von Herodes vor sich zu haben?
Netzer: Ich bin niemand, der seine Begeisterung laut hinausschreit. Doch ich gebe zu: Als meine Mitarbeiter riefen, »Wir haben es!«, war das schon ein erhebender Augenblick.

Warum hat die Suche 35 Jahre gedauert?
Netzer: Als ich 1972 anfing, am Herodium zu graben, hatte ich nicht das Ziel, das Grab zu finden. Ich interessierte mich für die Architektur der biblischen Zeit. Ich bin ja auch Architekt. Erst seit etwa 1980 suchen wir aktiv nach der Grabstätte. Im Umkreis der Festung hatten wir die Überreste einer byzantinischen Kirche gefunden. Die Steine, aus denen die Kirche errichtet war, trugen Verzierungen, die typisch sind für Grabstätten aus der Zeit des Herodes. Außerdem habe ich auch nicht ununterbrochen gesucht. Zwischendurch gab es immer mal wieder politische Probleme, die uns von der Arbeit abhielten. Auf diese Weise haben wir sieben Jahre verloren.

Warum sind Sie so sicher, dass es sich wirklich um das Grab Herodes’ handelt?
Netzer: Sagen wir, ich bin zu 98 Prozent sicher, weil ich das Herodium genau kenne und weiß, dass Herodes dort begraben werden wollte. Wenn wir noch entsprechende Inschriften entdecken, können wir fast 100-prozentig sicher sein.

Wird dieser Fund unser Geschichtsbild ändern?
Netzer: Sehen Sie, Geschichte ist wie ein Mosaik aus vielen kleinen Steinchen. Und ein weiteres Steinchen haben wir jetzt gefunden. Herodes war eine bedeutende Persönlichkeit, insofern ist dieser Fund schon wichtig. Aber mit der Bedeutung der Qumran-Rollen ist er nicht zu vergleichen.

Ändert sich nun der Blick auf Herodes?
Netzer: Glaube ich nicht. Nur die Frage, wo genau er beigesetzt wurde, ist nun beantwortet. Insofern vervollständigt sich unser Bild.

Hat der Fund auch politische Implikationen für unsere Zeit?
Netzer: Davon gehe ich nicht aus. Die Stätte ist nur als historisches Denkmal bedeutend. Andererseits ist es eine Frage künftiger Friedensverhandlungen, ob das Gelände komplett in palästinensische Hand fällt oder als eine Art Nationalpark jedem offen steht. Aber heute befürchte ich keine Proteste von arabischer Seite wie kürzlich in Jerusalem. Das Herodium ist kein muslimisches Heiligtum.

Warum haben Sie Ihren Fund bis zur Pressekonferenz drei Wochen lang geheim gehalten?
Netzer: Wir brauchten so lange, um uns genau zu vergewissern, dass wir richtig liegen. Ich hätte lieber noch zwei Monate weiter geforscht, aber heutzutage ist es so: Irgendein Reporter hört von der Sache, und einen halben Tag später weiß es die ganze Welt. Da wollten wir lieber selbst an die Presse gehen.

Mit dem emeritierten Professor der Hebräischen Universität Jerusalem sprach Ingo Way.

München

Paul Lendvai: »Freiheit ist ein Luxusgut«

Mit 96 Jahren blickt der Holocaust-Überlebende auf ein Jahrhundert zwischen Gewalt und Hoffnung zurück. Besorgt zeigt er sich über die Bequemlichkeit der Gegenwart - denn der Kampf »gegen das Böse und Dumme« höre niemals auf

 21.10.2025

Abkommen

»Trump meinte, die Israelis geraten etwas außer Kontrolle«

Die Vermittler Steve Witkoff und Jared Kushner geben im Interview mit »60 Minutes« spannende Einblicke hinter die Kulissen der Diplomatie

von Sabine Brandes  20.10.2025

Washington

Trump droht Hamas mit dem Tod

Die palästinensische Terrororganisation will ihre Herrschaft über Gaza fortsetzen. Nun redet der US-Präsident Klartext

von Anna Ringle  16.10.2025

Terror

Hamas gibt die Leichen von Tamir Nimrodi, Uriel Baruch und Eitan Levy zurück

Die vierte Leiche ist ein Palästinenser

 15.10.2025 Aktualisiert

München

Friedman fordert Social-Media-Regulierung als Kinderschutz

Hass sei keine Meinung, sondern pure Gewalt, sagt der Publizist. Er plädiert für strengere Regeln

 10.10.2025

Waffenruhe

»Wir werden neu anfangen, egal, wie schwer es ist«

Im Gazastreifen feiern die Menschen die Aussicht auf ein Ende des Krieges

 09.10.2025

Perspektive

Wir lassen uns nicht brechen – Am Israel Chai! 

Ein Zwischenruf zum 7. Oktober

von Daniel Neumann  06.10.2025

Berlin

Preis für Zivilcourage für Brandenburger Bürgermeisterin

Christine Herntier wird für ihr Engagement gegen Rechtsextremismus vom »Denkmal für die ermordeten Juden Europas« und der Jüdischen Gemeinde zu Berlin ausgezeichnet

 01.10.2025

Terror

»Das Einfühlungsvermögen für Juden ist aufgebraucht«

Die Berliner Psychologin Marina Chernivsky zieht eine bittere Bilanz nach dem 7. Oktober

von Franziska Hein  30.09.2025