Geburtstagswünsche

Frieden und einmal noch zum Wannsee

Von Ayala Goldmann

Seinen 92. Geburtstag hat Rudi Barta sich eigentlich anders vorgestellt. Der gebürtige Berliner, der seit fast 68 Jahren in Israel lebt, hätte am liebsten zusammen mit seinem Sohn und seiner Tochter in kleiner Runde gefeiert – beide Kinder wohnen in Haifa. Doch die Hisbollah wollte es anders. Und so nahm Rudi, der in der Nähe von Netanja in einer Seniorenanlage lebt, die Geburtstagsgrüße aus einem Haifaer Bunker entgegen, wo seine Kinder Schutz vor den Raketenangriffen aus dem Süd-Libanon suchten und ihm per Handy gratulierten. Der 92jährige gibt sich stoisch, wenn man ihn nach dem Kriegszustand in Nord-Israel befragt: »An meinem ersten Tag als Einwanderer in Palästina, das war 1938, sind wir von arabischen Kämpfern beschossen worden, als wir im Bus nach Jerusalem fuhren. Für mich ist das alles nichts Neues.«
Auf seinem Gartentisch, gleich vor der Schiebetür zum Wohnzimmer, liegt ein Brief aus Berlin. Kein persönliches Schreiben, nur der monatliche Veranstaltungshinweis des Jüdischen Museums. Trotzdem wird Rudi beim Anblick des Briefes ein bißchen sentimental. »Berlin ... herrliche Sache ... wenn ich da nochmal hinkommen könnte ...«, ruft der alte Jecke, der seinen Berliner Dialekt immer noch nicht abgelegt hat. Doch mit 92 Jahren ist das Reisen leider nicht mehr so einfach wie früher, und Berlin fast so weit weg wie damals im März 1938, als Rudi seine Heimatstadt verlassen mußte.
Noch heute erinnert sich Rudi Barta wehmütig an den Dachgarten von Karstadt am Neuköllner Hermannplatz. Dorthin ging er manchmal nach der Arbeit, um bei Kaffee zu den Klängen einer Band das Tanzbein zu schwingen. Geboren wurde er am 16. Juli 1914 in der Brückenstraße nahe der Jannowitzbrücke. Zuletzt besuchte er den ehemaligen Bezirk SO 16 und den Köllnischen Park bei seinem Aufenthalt in Berlin vor drei Jahren.
»Ich ging in einen christlichen Kindergarten. Daß ich Jude war? Darüber wurde als Kind bei uns gar nicht gesprochen«, erinnert sich Rudi. Er besuchte das Luisenstädtische Realgymnasium in der Dresdner Straße – bis sein Vater 1928, nach Börsencrash und Pleite seines Geschäftes für Küchengeräte, das Schulgeld nicht mehr aufbringen konnte. »Zum Glück hatte ich meinen christlichen Freund Sigi«, erinnert sich Rudi. Der brachte ihn auf eine Idee, wie er etwas Geld verdienen konnte: »Wir wurden Balljungen auf Charlottenburger Tennisplätzen.« Für 60 Pfennig die Stunde rannte Rudi Barta den Tennisbällen wohlhabender Berliner hinterher und verdiente »mit Trinkgeld fünf Mark am Tag«. Wenig später kam er in eine Lehre als Schuhmacher bei Leiser.
Arisierung, Jobverlust, Geldsorgen: Rudi Bartas Zuflucht war die jüdische Jugendbewegung, zunächst »Blau-Weiß« und später die Zionisten. Herbert Baum, der 1942 hingerichtete jüdische Widerstandskämpfer, war ein Kamerad Rudis. In der zionistischen Bewegung machte Rudi Karriere als Jugendleiter und sollte eigentlich 1940 eine Mission in Danzig übernehmen. »Doch im Januar 1938 kam meine Freundin Esther zu mir, totenbleich und mit einem Brief der Gestapo in der Hand: Als Jüdin mit sowjetrussischem Paß mußte sie innerhalb von 14 Tagen das Deutsche Reich verlassen.« Die Entscheidung, sich bei der Geschäftsstelle der Zionistischen Bewegung in der Berliner Meinekestraße um ein Zertifikat für Palästina zu bemühen, war schnell gefallen – und ebenso Rudis Entscheidung, mit ihr zu gehen. Die beiden heirateten.
Rudi und Esther aber gingen in den Kibbuz Scheih Ha-Breik, lebten in Zelten, ließen sich von Mücken zerstechen und bauten eine bescheidene Existenz auf. Rudi Barta arbeitete für den israelischen Hotelier Federman und machte sich schließlich als Grundstücks-Experte selbständig. Heute besitzt er mehrere Ferienwohnungen auf Menorca, hat vier Enkel, vier Urenkel und lebt mit seiner Frau Esther in Nordia. Spaß macht ihm vor allem seine Trommelgruppe, die auch über die Grenzen von Nordia hinaus bekannt ist.
Aber wenn er einen Wunsch frei hätte, würde er sich außer Frieden für Israel vor allem eines wünschen: nach Berlin zu reisen – und auf dem Wannsee zu segeln.

Krieg

Zwei Raketen aus Gaza auf Israel abgeschossen

Am Sonntagmorgen wurde Israel aus dem Gazastreifen mit Raketen beschossen. Eine Bekenner-Erklärung gibt es auch

 07.09.2025

Berlin

Uni-Präsidentin rechnet mit neuen »propalästinensischen« Aktionen

Die Präsidentin der Humboldt-Universität, Julia von Blumenthal, rechnet zum Wintersemester erneut mit »propalästinensischen« Aktionen. Dabei seien unter den Beteiligten kaum Studierende

 07.09.2025

Diplomatie

Netanjahu geht auf Belgiens Premier los

Für seine Entscheidung, Palästina als Staat anzuerkennen, wird Bart De Wever vom israelischen Ministerpräsident persönlich attackiert

von Michael Thaidigsmann  04.09.2025

Hannover

Angriff auf Gedenkstätte: Staatsanwaltschaft erhebt Anklage

Ein 26-jähriger Rechtsextremist war im Mai in Budapest festgenommen worden

 02.09.2025

Nahost

Deutscher Beauftragter für Menschenrechte reist nach Israel

Lars Castellucci macht sich ein persönliches Bild von der Lage in Israel und den palästinensischen Gebieten. Ein Augenmerk liegt darauf, wo deutsche Hilfe möglich ist - und wo sie behindert wird

 01.09.2025

Rotes Meer

Huthi greifen Öltanker an

Das Schiff gehört einem israelischen Milliardär

 01.09.2025

Ankara

Türkei bricht Handelsbeziehungen zu Israel ab

Der Handel der Türkei mit Israel belief sich im Jahr 2023 noch auf mehrere Milliarden US-Dollar. Nun bricht die Türkei alle Handelsbeziehungen zu Israel ab. Doch es ist nicht die einzige Maßnahme

 29.08.2025

Geburtstag

Popstar der Klassik: Geiger Itzhak Perlman wird 80

»Sesamstraße«, »Schindlers Liste« und alle großen Konzertsäle der Welt natürlich sowieso: Der Geiger gehört zu den ganz großen Stars der Klassik. Jetzt wird er 80 - und macht weiter

von Christina Horsten  29.08.2025

Bonn

Experte: Opfer mit Bewältigung von Rechtsterror nicht alleinlassen

Der erste NSU-Mord liegt beinahe 25 Jahre zurück. Angehörige der Opfer fordern mehr Aufmerksamkeit - und angemessenes Gedenken, wenn es um rechtsextreme Gewalt geht. Fachleute sehen unterschiedliche Entwicklungen

 29.08.2025