Zagreb

»Es gibt keine Zusammenarbeit«

Ivo Goldstein, angesehener Historiker und Publizist in Kroatien, ist zum Vorsitzenden der neuen jüdischen Gemeinde Bet Israel in Zagreb gewählt worden. Mit ihrer Gründungsversammlung, bei der 163 Mitglieder anwesend waren, formierte sich die Gemeinde nun auch offiziell – genau ein Jahr nach der ersten Zusammenkunft von Gläubigen. Die Spaltung der jüdischen Gemeinde in Zagreb, die in diesen Tagen den 200. Jahrestag ihres Bestehens feiert, ist die Folge eines Disputs, der im Vorjahr die Schlagzeilen beherrschte.

Herr Goldstein, wie kam es zur Gründung einer neuen jüdischen Gemeinde in Zagreb?
goldstein: Die neue Gemeinschaft entstand spontan, als sich im Herbst vorigen Jahres eine größere Gruppe von Gläubigen von der bestehenden Gemeinde abgespalten hat. Der Grund dafür war die Nicht-Verlängerung des Vertrags von Rabbiner Kotel Da-Don, obwohl es zuvor nie ernsthafte Klagen über dessen Arbeit gegeben hatte. Der Gemeinderat votierte mit 13 zu 11 Stimmen gegen eine Vertragsverlängerung, obwohl sich die Gemeindeversammlung zuvor mit 76 Prozent für das Bleiben des Rabbiners ausgesprochen hatte. Zur ganzen Debatte kam noch hinzu, daß wir feststellen mußten, daß Immobilien der Gemeinde von einzelnen veruntreut werden. Vor diesem Hintergrund haben wir Bet Israel gegründet.
Was hat sich seither getan?
goldstein: Wir halten seit Oktober vorigen Jahres regelmäßig Schabbatgebete, an Feiertagen versammeln sich bis zu 300 Gläubige. Im Juni haben wir schließlich den Bescheid erhalten, daß wir als Religionsgemeinschaft eingetragen sind. Dem Ganzen ging eine lange Diskussion voraus, da der Gesetzgeber solch einen Fall nicht vorgesehen hatte. Wir sind ja gewissermaßen keine neue Religionsgemeinschaft, denn Juden siedeln hier in der Region bereits seit dem 2. Jahrhundert v. u. Z. Wir sind vielmehr eine alte Gemeinschaft, die sich jetzt in zwei Lager gespalten hat. Viele Gläubige sind zu uns übergetreten, und täglich werden es mehr.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit der jüdischen Gemeinde Zagreb?
goldstein: Momentan gibt es keine. Die ganze Angelegenheit wird derzeit vor dem Verwaltungsgericht ausgetragen, da die alte Gemeinde die neue nicht anerkennen möchte. Zudem hat die Europäische Rabbinerkonferenz angekündigt, die jüdische Gemeinde Zagreb so lange zu boykottieren, bis der wahre Grund für die Nicht-Verlängerung des Vertrags von Rabbiner Da-Don offengelegt wird.

Wie hat sich der Zwist auf den geplanten Wiederaufbau der Synagoge ausgewirkt?
goldstein: Als wir noch eine Gemeinschaft waren, wurde der Wiederaufbau einer Replik der Fassade beschlossen, an Stelle der alten Synagoge, die 1941 zerstört wurde. Nun ist das ganze Projekt fraglich, denn die jüdische Gemeinde hat verkündet, daß sie mit Bet Israel weder verhandeln noch kooperieren will. Wir könnten bei dem Projekt allenfalls beratend mitwirken. Das ist wirklich eine traurige Situation.

Wie sieht die Situation der Rabbiner in Kroatien nun aus?
goldstein:Unser Rabbiner Kotel Da-Don hat derzeit keine Einkünfte, daher hoffen wir auf finanzielle Unterstützung. Der neue Rabbiner der jüdischen Gemeinde Zagreb heißt Zvi Eliezer Alonie, er war zuvor in Mainz tätig. Als solcher ist er dem israelischen Oberrabbinat jedoch nicht bekannt, auch die Europäische Gemeinschaft der Rabbiner erkennt ihn nicht an. Dadurch wird ein schlechtes Licht auf alle jüdischen Gemeinden in Kroatien geworfen.

Welche Zukunftspläne hat Bet Israel?
goldstein:Wir haben viele Pläne. Zunächst müssen wir uns konstituieren, wie jede neue Gemeinschaft oder ein Unternehmen auch. Dabei verstehen wir uns als moderne, religiöse jüdische Gemeinschaft. In absehbarer Zeit versuchen wir, gesellschaftliche, sozial-karitative, religiöse und kulturelle Aktivitäten zu organisieren, die es in jeder Gemeinde gibt. Vor uns liegt jedoch noch viel Arbeit. Dennoch bleiben wir optimistisch, das wir das alles schaffen werden – was sicher auch eine Frage der Zeit ist.

Das Gespräch mit dem Vorsitzenden von
Bet Israel führte Veronika Wengert.

Sydney

Jewish organizations decry the »scourge« of antisemitism

This time the focus is on Australia. It is hosting a conference of the international Jewish initiative »J7.« The group is presenting figures on Jew-hatred on the continent – and speaks of historic highs.

von Leticia Witte  03.12.2025

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  02.12.2025

Thüringen

Verfassungsschutz-Chef schätzt AfD-Jugend als rechtsextrem ein

Die Mitglieder der »Generation Deutschland« würden in ihren ersten Auftritten »weder eine Mäßigung noch eine Distanzierung oder gar Wandlung« zeigen, so Kramer

 02.12.2025

Tel Aviv-Jaffa

Shimon-Peres-Preis wird erstmals in Israel verliehen

60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind der Anlass: Zum ersten Mal wird der Shimon-Peres-Preis für gemeinsame demokratische Vorhaben in Israel feierlich übergeben

von Alexander Riedel  01.12.2025

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Teilnehmer des Mitzvah Day 2016 in Berlin

Tikkun Olam

»Ein Licht für die Welt«

Der Mitzvah Day 2025 brachte bundesweit Gemeinden, Gruppen und Freiwillige zu mehr als 150 Projekten zusammen

 23.11.2025

Hebraica

»Was für ein Buchschatz!«

Stefan Wimmer über die Münchner Handschrift des Babylonischen Talmuds als UNESCO-Weltkulturerbe

von Ayala Goldmann  23.11.2025

TV-Tipp

Oliver Masucci brilliert in dem Mehrteiler »Herrhausen - Der Herr des Geldes«

Biografischer Mehrteiler über Bankier Alfred Herrhausen

von Jan Lehr  17.11.2025

Amsterdam

Chanukka-Konzert im Concertgebouw kann doch stattfinden

Der israelische Kantor Shai Abramson kann doch am 14. Dezember im Amsterdamer Konzerthaus auftreten - allerdings nur bei zusätzlich anberaumten Konzerten für geladene Gäste

 13.11.2025