Ultraorthodoxe

»Es geht ums Menschsein«

»Es geht ums Menschsein«

Avraham Ravitz über Ultraorthodoxe und
ihr Selbstverständnis

Herr Rabbiner, rund eine Millionen Israelis sind als ultraorthodox zu bezeichnen, etwa jeder sechste israelische Jude ist strenggläubig. In zwanzig Jahren dürte es jeder vierte sein. Kann die ultraorthodoxe Bevölkerung auch dann noch ihre Sonderrolle aufrechterhalten?
ravitz: Es ist keine Sonderrolle. Es ist ein eigenständiger Lebensstil, den es zu respektieren gilt. Ich glaube, daß sich eine größere ultraorthodoxe Bevölkerung nicht mehr in der Defensive fühlt, wie es heute der Fall ist. Das wird das Zusammenleben erleichtern. Ihrerseits werden die Säkularen ihre Haßkampagne gegen die Ultraorthodoxen einstellen, weil sie dann irrelevant ist.

Was geschieht mit der Freistellung vom Wehrdienst, wenn jeder vierte Jude ultraorthodox ist?
ravitz: Da wird vieles mißverstanden. Wenn Jeschiwa-Studenten nicht zur Armee gehen, dann weder, weil sie ein leichtes Leben wollen, noch weil der Wehrdienst halachisch verboten wäre. Das Leben eines Tora-Schülers bedeutet ein hartes Studium und materielle Entbehrungen. Kein normaler Mensch würde das aushalten, wenn es für ihn nicht wichtig wäre. Der Tora-Schüler verteidigt das Überleben des jüdischen Volkes, so wie der Soldat das Überleben und die Unabhängigkeit des Staates Israel verteidigt.

Und wie kommt die expandierende ultraorthodoxe Bevölkerung in 20 Jahren wirtschaftlich zurecht?
ravitz: Das gängige Vorurteil besagt, daß ›die Ultraorthodoxen‹ nicht arbeiten und dem Staat auf der Tasche liegen. In Wirklichkeit liegt die Zahl der Awrechim (der verheirateten Männer, die ganztägig in der Jeschiwa lernen) bei nur 40.000 – gerade weil wirtschaftliche Gründe nicht mehr zulassen. Zudem kommt der Staat nur für einen kleinen Teil ihres Lebensunterhalts auf. Für den Rest sorgen Juden aus aller Welt. Ich würde sagen, daß die Hilfe von draußen die staatlichen Zuwendungen um das Vier- bis Fünffache übertrifft. Die Spenden bedeuten übrigens, daß viel Geld aus dem Ausland nach Israel kommt.

Ökonomisch gesehen, sind die Jeschiwa-Studenten also Exporteure?
ravitz: Ökonomisch gesehen ja. Der Staat verdient auch daran, daß sie als Verbraucher Waren kaufen, damit Arbeitsplätze schaffen und bei ihren Einkäufen die Mehrwertsteuer entrichten. Würde man alle Tora-Schüler ins Ausland schicken, würde Israel wirtschaftliche Verluste in Milliardenhöhe erleiden. Ich glaube, daß der Anteil der Awrechim zurückgeht und die Beschäftigung zunimmt.

Schließlich haben auch in Osteuropa vor einhundert Jahren nicht alle Juden die Tora studiert.
ravitz: Aber alle hatten Respekt vor der Gelehrsamkeit, und das wird sich bei uns auch in 20 Jahren nicht ändern. Selbst wer Karriere macht und viel Geld verdient, wird anerkennen, daß die Elite in den Jeschiwot sitzt.

Karriere und Geld setzen in den meisten Fällen Fachwissen voraus. Können ultra-
orthodoxe Schulen das bieten oder müssen weltliche Unterrichtsfächer wie Mathematik und Computerkenntnisse ausgebaut werden?
ravitz: Unsere Schulen vermitteln Werte. Das Hauptfach bei uns heißt »Menschsein«. Dabei wird es bleiben. Wer für seinen Beruf Fachwissen braucht, kann es später nachholen ...

... und ist im Rückstand, weil er es nicht von Kind auf gelernt hat.
ravitz: Unsere Schüler sind das Lernen gewohnt. Den Rückstand holen sie schnell auf.

Das Gespräch führte Wladimir Struminski

Nach Absage in Belgien

Dirigent Shani in Berlin gefeiert

Nach der Ausladung von einem Festival werden die Münchner Philharmoniker und ihr künftiger Chefdirigent Lahav Shani in Berlin gefeiert. Bundespräsident Steinmeier hat für den Fall klare Worte

von Julia Kilian  15.09.2025

New York City

UN-Sicherheitsrat verurteilt Israels Angriff auf Katar einhellig

Sogar die USA schlossen sich der Erklärung an

 12.09.2025

Eurovision Song Contest

Gegen Israel: Irland erpresst Eurovision Song Contest-Veranstalter

Nach Slowenien hat auch Irland verkündet, dem Eurovision Song Contest fernzubleiben, sollte Israel teilnehmen. Damit verstoßen sie gegen Grundregeln des international beliebten TV-Wettbewerbs

 11.09.2025

Krieg

Zwei Raketen aus Gaza auf Israel abgeschossen

Am Sonntagmorgen wurde Israel aus dem Gazastreifen mit Raketen beschossen. Eine Bekenner-Erklärung gibt es auch

 07.09.2025

Berlin

Uni-Präsidentin rechnet mit neuen »propalästinensischen« Aktionen

Die Präsidentin der Humboldt-Universität, Julia von Blumenthal, rechnet zum Wintersemester erneut mit »propalästinensischen« Aktionen. Dabei seien unter den Beteiligten kaum Studierende

 07.09.2025

Diplomatie

Netanjahu geht auf Belgiens Premier los

Für seine Entscheidung, Palästina als Staat anzuerkennen, wird Bart De Wever vom israelischen Ministerpräsident persönlich attackiert

von Michael Thaidigsmann  04.09.2025

Hannover

Angriff auf Gedenkstätte: Staatsanwaltschaft erhebt Anklage

Ein 26-jähriger Rechtsextremist war im Mai in Budapest festgenommen worden

 02.09.2025

Nahost

Deutscher Beauftragter für Menschenrechte reist nach Israel

Lars Castellucci macht sich ein persönliches Bild von der Lage in Israel und den palästinensischen Gebieten. Ein Augenmerk liegt darauf, wo deutsche Hilfe möglich ist - und wo sie behindert wird

 01.09.2025

Rotes Meer

Huthi greifen Öltanker an

Das Schiff gehört einem israelischen Milliardär

 01.09.2025