Urlauber

Ende der Saison

von Sabine Brandes

Vor wenigen Wochen noch galt Kfar Giladi als Ferienparadies. Beliebt bei Urlaubern aus dem In- und Ausland wegen seiner Idylle, der guten Luft und fantastischen Natur im nördlichen Zipfel Galiläas. In den Sommermonaten war hier nur schwer ein Zimmer zu bekommen. Das elegante Kibbuzhotel mit Schwimmbad, Fitneßanlagen und Streichelzoo war schon Monate im voraus ausgebucht. Doch dann kamen die Raketen der Hisbollah, und die Urlauber flohen. Die 800 Bewohner mußten fortan tagein, tagaus in Bunkern verbringen. Am vergangenen Sonntag wurde Kfar Giladi der Ort eines tragischen Unglücks: Zwölf Reservisten starben hier im Katjuschahagel.
Auch Zippori ist Urlaubern wohlbekannt. Einwohnerin Mira Rosenfeld ist eine erfolgreiche Geschäftsfrau. Sie entwickelte die landesweit bekannte Kosmetikserie »Zippori of Galilee« und betreibt die Erholungsanlage »Spa im Dorf« mit acht Zimmern. Gerade erst hat sie angebaut, weil der Andrang so groß war. Vier neue Suiten mit Whirlpool sind vor einem Monat fertig geworden. Die Vorbuchungen für Juli und August seien überwältigend gewesen, nahezu die gesamte Saison habe sie Aussicht auf ein volles Haus gehabt. Jetzt steht alles leer. Und Rosenfeld weiß manchmal nicht, wie sie den Kühlschrank ihrer Familie füllen soll. Denn die Kosten für Angestellte und Instandhaltung laufen unaufhörlich weiter, die Gäste aber bleiben aus.
Dabei gelte Zippori eigentlich gar nicht wirklich als Norden, betont die dynamische Frau. Doch alles Beteuern helfe nichts, wenn sie potentiellen Urlaubern die genaue Lage ihres Hotels beschreibt, winken die ganz schnell ab. »Die Menschen aus dem Zentrum fahren noch nicht einmal mehr nach Caesarea«, weiß Rosenfeld, »alles nördlich von Netanja gilt auf einmal als Norden.« Zwar kann sie die Angst verstehen, doch die Tatsache, daß niemand mehr kommt, frustriert sie zutiefst. »Dabei hatten wir gerade jetzt, nachdem Auswirkungen der zweiten Intifada endlich nachließen und die ausländischen Touristen zurückkamen, echte Hoffnung geschöpft. Alles wirkte so positiv, wir waren richtig euphorisch. Und dann war mit einem Schlag alles vorbei.«
Mehr als zehn Millionen Schekel, umgerechnet fast zwei Millionen Euro, verliere der Norden an Einnahmen durch den Krieg. »Und das jeden einzelnen Tag«, berichtet Jonathan Pulik, Pressesprecher im Tourismusministerium. Die Auswirkungen des Einbruchs im Fremdenverkehr seien für ganz Israel sehr schlimm, für den Norden aber schlicht ruinös. Denn dieser Teil des Landes mit Galiläa und dem Golan lebe hauptsächlich von den Einnahmen aus dem Geschäft mit den Touristen.
Der Naturpark Zippori neben Rosenfelds Wellness-Hotel ist berühmt für seine großartigen Mosaike. Weil in diesem Sommer Zigtausende Besucher erwartet wurden, hatte die israelische Naturparkbehörde die Anlage letztes Jahr aufwendig re-
staurieren lassen. In diesen Tagen liegt sie verlassen da. Noch nicht einmal im Kassenhäuschen sitzt mehr jemand.
Es trifft nicht nur den Naturpark, Hotels, Pensionen und Souvenirverkäufer. Jeder, der nur irgendwie mit Tourismus zu tun hat, ist betroffen. Auch in den Restaurants herrscht gähnende Leere. Im »Abu Maher«, dem größten arabischen Lokal in Nazareth, kehren noch nicht einmal mehr Einheimische ein. Es ist ein bedrückendes Bild, als der Kellner den einzigen beiden Gästen ihre Schaschlik-Spieße serviert.
Noch während die Bomben fallen, denkt Tourismusminister Isaac Herzog an die Zeit danach. 400.000 Euro sind bereits für eine spezielle Marketingkampagne bereitgestellt, um den Norden wieder in den Blick der Urlauber zu rücken. »Unmittelbar nach dem Ende der Sicherheitsmaßnahmen in der Gegend wird die Kampagne beginnen«, ließ das Ministerium ver-
lauten. Erfahrungen aus der Vergangenheit würden zeigen, daß der Inlandstourismus meist schnell wieder auf die Beine kommt, sofern die Infrastruktur nicht zerstört sei. Mit den Gästen aus dem Ausland aber sei das anders. Jüdische Organisationen in der ganzen Welt sollen ihre Mitglieder nun aufrufen, die Ferien im Norden Israels fürs nächste Jahr schon jetzt verbindlich zu buchen und zu bezahlen. Die Entwicklungsbehörde Galiläas will dafür eine spezielle Liste mit Hotels und Pensionen erstellen. Die Einnahmen aus den Vorabbuchungen sollen einen Teil der Ausfälle decken.
Parallel dazu werden sowohl im Büro des Finanz- wie auch des Premierministers separate Pläne erstellt, wie der Sektor kompensiert werden kann. Mira Rosenfeld braucht die Kompensation dringend, »damit es wenigstens einigermaßen weiterläuft«, sagt sie. Hoffnungslos ist sie nicht. »Es geht bei uns halt auf und ab. Das gehört wohl zu Israel dazu. Nach den schlechten Zeiten werden auch wieder gute kommen. Da bin ich ganz sicher.«

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