Bildbiografie

Emil, Lottchen und die Nazis

von Kathrin Diehl

Es ist das berühmteste Kinderbuchcover der Welt. Wer über den Illustrator Walter Trier schreibt, muss mit dem Umschlagbild zu Erich Kästners Emil und die Detektive beginnen. Aber es gibt noch viel mehr und vor allem äußerst Erstaunliches von Walter Trier. Was, erfahren wir aus einem prächtigen, großformatigen Band, der drucktechnisch und textlich wunderbar gelungen ist (bis auf ein paar verwirrende Seitenumbrüche). Walter Trier – Politik, Kunst und Reklame verspricht eine »umfassende Würdigung des Gesamtwerks« und hält das Versprechen auch. Antje Neuner-Warthorst kommentiert äußerst kompetent und in angenehmem Ton. Man holt die alten Kästner-Bücher aus dem Schrank, sieht neu und ahnt etwas von der Genialität Triers.
1890 in Prag als Sohn eines Handschuhfabrikanten geboren, ging Trier mit 17 Jahren nach München, studierte dort bei Franz von Stuck, zeichnete bald für die Jugend, den Simplizissimus und die in Berlin erscheinenden Lustigen Blätter. In der Weimarer Republik war er ein Star, bekannt auch durch seine Gebrauchsgrafiken, die Berlins Litfaßsäulen und Plakatwände prägten. »Als ich ihn kennenlernte (1929), war er längst berühmt«, erinnerte sich Erich Kästner, der seinen eigenen Ruhm nicht zuletzt Triers kongenialen Illustrationen verdankte. Trier machte sich von Kästners kleinen Helden, ob Emil oder das doppelte Lottchen, sein ganz eigenes Bild. »Besonders fällt dies bei den Umschlagillu-strationen auf, die oftmals eine Szene zeigen, die so von Kästner gar nicht beschrie- ben wurde«, schreibt Neuner-Warthorst.
Sogar Nazis wurden da gelegentlich schwach. Auf der Schwarzen Liste des Nazi-»Kampfbundes für Deutsche Kultur« waren alle Bücher Erich Kästners aufgeführt, mit dem Zusatz: »alles außer: Emil«.
Nicht, dass das dem Zeichner viel genutzt hätte. Als Jude war er im Dritten Reich Persona non grata. 1936 emigrierte Trier mit Frau und Tochter nach London, wo er als gefragter Karikaturist Hitler und seine »Gang« attackierte. Immer wieder stellte Trier in seinen Zeichnungen die »Berliner Räuberbande« an die Wand (einmal sogar an die Jerusalemer Klagemauer). Hitler im Napoleonkonstüm, Himmler mit blutigem Hackbeil, Goebbels gnomenhaft und Göring gespickt mit Orden zierten auch die von Trier gezeichneten Flugblätter, die die Engländer über den deutsch besetzten Gebieten abwarfen. Außerdem lieferte er über zehn Jahre lang die Titelbilder für die Monatsschrift Lilliput, an denen man sich kaum satt sehen kann.
1947 zog Trier weiter nach Kanada. Seine Tochter hatte dort geheiratet, und er wollte in ihrer Nähe sein. Er arbeitete für die Werbung und machte Kinderbücher. 1951 starb Walter Trier in seinem Atelier in Collingwood/Ontario. Jetzt endlich kann man diesen Chronisten fürs Auge neu entdecken.

antje neuner-warthorst: walter trier – politik, kunst, reklame
Atrium, Zürich/Wien 2006, 236 S., 39 €

Sydney

Jewish organizations decry the »scourge« of antisemitism

This time the focus is on Australia. It is hosting a conference of the international Jewish initiative »J7.« The group is presenting figures on Jew-hatred on the continent – and speaks of historic highs.

von Leticia Witte  03.12.2025

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  02.12.2025

Thüringen

Verfassungsschutz-Chef schätzt AfD-Jugend als rechtsextrem ein

Die Mitglieder der »Generation Deutschland« würden in ihren ersten Auftritten »weder eine Mäßigung noch eine Distanzierung oder gar Wandlung« zeigen, so Kramer

 02.12.2025

Tel Aviv-Jaffa

Shimon-Peres-Preis wird erstmals in Israel verliehen

60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind der Anlass: Zum ersten Mal wird der Shimon-Peres-Preis für gemeinsame demokratische Vorhaben in Israel feierlich übergeben

von Alexander Riedel  01.12.2025

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Teilnehmer des Mitzvah Day 2016 in Berlin

Tikkun Olam

»Ein Licht für die Welt«

Der Mitzvah Day 2025 brachte bundesweit Gemeinden, Gruppen und Freiwillige zu mehr als 150 Projekten zusammen

 23.11.2025

Hebraica

»Was für ein Buchschatz!«

Stefan Wimmer über die Münchner Handschrift des Babylonischen Talmuds als UNESCO-Weltkulturerbe

von Ayala Goldmann  23.11.2025

TV-Tipp

Oliver Masucci brilliert in dem Mehrteiler »Herrhausen - Der Herr des Geldes«

Biografischer Mehrteiler über Bankier Alfred Herrhausen

von Jan Lehr  17.11.2025

Amsterdam

Chanukka-Konzert im Concertgebouw kann doch stattfinden

Der israelische Kantor Shai Abramson kann doch am 14. Dezember im Amsterdamer Konzerthaus auftreten - allerdings nur bei zusätzlich anberaumten Konzerten für geladene Gäste

 13.11.2025