Shnat Effes

Eiszeit in Tel Aviv

von Nino Ketschagmadse

Anna (Sarah Adler) ist am Rande der Verzweiflung. Die Soziologiestudentin und alleinerziehende Mutter eines 10jährigen Sohns rutscht unaufhaltsam in den finanziellen Abgrund. Die Bank gibt der unerwünschten Kundin keinen Kredit mehr, in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit ist sie nicht mal mehr als Erntehelferin gefragt. Ihre Miete kann sie auch nicht mehr bezahlen. Hausverwalter Ruven (Menashe Noi) setzt die kleine Familie vor die Tür; Anna landet auf der Straße und später auf dem Strich.
Ruven verschwendet derweil keine Gedanken an die Folgen seiner Entscheidungen. Der 40-jährige lebt scheinbar glücklich mit seiner gleichaltrigen Frau (Keren Mor) bis sie schwanger wird und das Kind behalten will, entgegen einer 13 Jahre zurückliegenden Abmachung zwischen den Eheleuten. Ruven fühlt sich betrogen, wird wütend, überfährt im Affekt einen Blindenhund und begeht Fahrerflucht. Kurz darauf sucht er, von seinem schlechten Gewissen geplagt, Eddi (Moni Moshonov), den Besitzer des Tieres auf. Ohne seine wahre Identität preiszugeben, versucht er, dem behinderten Mann zur Hand zu gehen. Doch der blinde Physiotherapeut durchschaut das Spiel.
Ruvens Frau Michal freundet sich inzwischen mit dem eigenbrötlerischen Radiotechniker Kagan (Danny Geva) an, der zum Leidwesen des Senderchefs nebenberuflich eine Reportage über seinen verstorbenen Vater, einen der ersten Protagonisten der israelischen Punkmusikszene produziert.
Mit den Geschichten seiner mit Topstars aus dem israelischen Film und Theater besetzten Hauptpersonen verwebt Pitchhadze weitere Schicksale, wie das von Matt, dem Waffenhändler, der nach Tel Aviv zurückkommt und auf ein normales Leben hofft. Anna und ihr Sohn haben in ihm endlich einen Menschen gefunden, der ihrem Alptraum ein Ende bereiten könnte. Zu schön, um wahr zu werden.
Das Leben ist die Summe aller unvorhergesehenen Dinge, sagt der georgisch- israelische Regisseur Joseph Pitchhadze über seinen Film Shnat Effes – Die Geschichte vom bösen Wolf, der zwei Jahre nach seiner israelischen Premiere nun auch hierzulande ins Kino kommt. Trotz seines an die Geschichte vom Rotkäppchen erinnernden Titels ist Shnat Effes alles andere als ein Märchen. In drei miteinander verwobenen Episoden kreuzen sich im heutigen Tel Aviv in kurzer Zeit die Wege von sieben Menschen, die auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein könnten. Doch sie sind alle auf der Suche nach sich selbst, nach Geborgenheit.
Ohne sich dezidiert politisch zu geben, erzählt Pitchhadzes Film viel über den Zustand der modernen israelischen Gesellschaft. Neben der Perspektivlosigkeit vieler Menschen zu Beginn des neuen Jahrtausends, geht es vor allem um die immer stärker auseinanderklaffende Schere zwischen Arm und Reich, um Vereinzelung und Entfremdung. Der Regisseur, der als Siebenjähriger 1972 mit seinen Eltern aus Georgien nach Israel kam, zeichnet soziale und moralische Brüche einer Gesellschaft, die sich von ihren Gründungsidealen verabschiedet hat, und in der die wirtschaftlich Starken zeigen, wo’s lang geht.

Sydney

Jewish organizations decry the »scourge« of antisemitism

This time the focus is on Australia. It is hosting a conference of the international Jewish initiative »J7.« The group is presenting figures on Jew-hatred on the continent – and speaks of historic highs.

von Leticia Witte  03.12.2025

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  02.12.2025

Thüringen

Verfassungsschutz-Chef schätzt AfD-Jugend als rechtsextrem ein

Die Mitglieder der »Generation Deutschland« würden in ihren ersten Auftritten »weder eine Mäßigung noch eine Distanzierung oder gar Wandlung« zeigen, so Kramer

 02.12.2025

Tel Aviv-Jaffa

Shimon-Peres-Preis wird erstmals in Israel verliehen

60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind der Anlass: Zum ersten Mal wird der Shimon-Peres-Preis für gemeinsame demokratische Vorhaben in Israel feierlich übergeben

von Alexander Riedel  01.12.2025

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Teilnehmer des Mitzvah Day 2016 in Berlin

Tikkun Olam

»Ein Licht für die Welt«

Der Mitzvah Day 2025 brachte bundesweit Gemeinden, Gruppen und Freiwillige zu mehr als 150 Projekten zusammen

 23.11.2025

Hebraica

»Was für ein Buchschatz!«

Stefan Wimmer über die Münchner Handschrift des Babylonischen Talmuds als UNESCO-Weltkulturerbe

von Ayala Goldmann  23.11.2025

TV-Tipp

Oliver Masucci brilliert in dem Mehrteiler »Herrhausen - Der Herr des Geldes«

Biografischer Mehrteiler über Bankier Alfred Herrhausen

von Jan Lehr  17.11.2025

Amsterdam

Chanukka-Konzert im Concertgebouw kann doch stattfinden

Der israelische Kantor Shai Abramson kann doch am 14. Dezember im Amsterdamer Konzerthaus auftreten - allerdings nur bei zusätzlich anberaumten Konzerten für geladene Gäste

 13.11.2025