Henryk M. Broder

Ein Phänomen

von Marina Maisel

Den 60. Geburtstag Israels nahm die Literaturhandlung zum Anlass, ein besonderes Programm anzubieten. Buchpräsentationen, Lesungen, Filmreihen, Literatur-
tage und ein Symposium im bayerischen Landtag finden und fanden in München statt.
Dabei scheuten sich die Veranstalter nicht, auch sensiblere Themen aufzunehmen, wie zum Beispiel »Die geheime Rekrutierung jüdischer Soldaten« oder zuletzt den Vortrag Henryk M. Broders über den »Jüdischen Selbsthass«. Rachel Salamander von der Literaturhandlung bedankte sich im Literaturhaus zunächst beim Mitveranstalter B‘nai B‘rith und begrüßte dann ihren Gast, Henryk M. Broder, von dem sie sagte: »Kaum einer schafft es wie er, heiße Eisen anzufassen«. Der streitbare Journalist, Publizist und Autor, der sich im »Spiegel« und anderen großen Publikationen regelmäßig öffentlich äußert, hat sich in letzter Zeit einem besonders »rätselhaften Phänomen« gewidmet, dem jüdischen Selbsthass. Was ist es, das Juden auch heute noch dazu verleitet, sich verächtlich gegen Juden zu äußern? Was treibt sie, nach allen Pogromen, Vertreibungen und Vernichtungsversuchen antisemitisch zu werden? Ein schwieriges, ein heikles Thema, das Broder in seinem Vortrag entwickelt. Ausgangspunkt seiner Überlegungen war der Prozess, den Henryk M. Broder durch viele Instanzen hindurch geführt hat. Broder hatte einen jüdischen Verleger und einen jüdischen Autor als Antisemiten bezeichnet – und wurde auf Unterlassung verklagt. Nach Broders Überzeugung sind Menschen, die behaupten, in Israel passiere das Gleiche wie im Dritten Reich in Deutschland, Antisemiten. Das Oberlandesgericht Frankfurt gab ihm in weiten Teilen recht. Eine weitere Motivation, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, fand Broder in der Schrift des Historikers und Soziologen Alvin H. Rosenfeld über »Fortschrittliches jüdisches Denken und der Neue Antisemitismus«. Es geht um die Situation in den USA, in Kanada und England und um das Phänomen, dass »Juden, die sich zwanghaft von Judentum distanzieren, den Antisemiten in den Hände arbeiten.«
Das Buch gibt es inzwischen auch in Deutschland und wird vom Broder empfohlen. »Als ich es las und mitten in diesem Prozess stand, dachte ich, vielleicht könnte man dieses Phänomen auch einmal aus der Nähe im deutschsprachigen Raum angucken.« so Henryk M. Broder in seinen Vorüberlegungen. Den Begriff »jüdischer Selbsthass« prägte 1930 Theodor Lessing. Jüdische Intellektuelle wie Karl Marx, der, nach Broder »Prototyp, des jüdischen Antisemiten«, Karl Kraus oder Otto Weininger verkörperten dieses Thema weiter. Auch heutzutage verbreiten moderne jüdische Intellektuelle, nach Broders Überzeugung, antisemitische Ideen. Henryk M. Broder referierte in seinem Vortrag nicht nur die Geschichte des jüdischen Selbsthasses, sondern versuchte auch Erklärungen für die Motive zu finden, die dazu geführt haben mögen.
Wie man es nicht anders von ihm kennt und erwartet, tut Broder dies mal polemisch, mal satirisch scharf und unterhaltsam, dabei aber immer unterfüttert mit einer Menge fundierter Fakten und Zitate. »Ich nehme es niemandem übel, wenn er kritisch gegenüber Israel ist. Ich möchte nur wissen, was in ihm den Impuls auslöst« sagt Broder. Seinen Vortrag beendet er mit einem Satz des Satirikers Roda Roda: »Aus dem Antisemitismus könnte schon was werden, wenn sich nur die Juden seiner annehmen würden«.

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  02.12.2025

Thüringen

Verfassungsschutz-Chef schätzt AfD-Jugend als rechtsextrem ein

Die Mitglieder der »Generation Deutschland« würden in ihren ersten Auftritten »weder eine Mäßigung noch eine Distanzierung oder gar Wandlung« zeigen, so Kramer

 02.12.2025

Tel Aviv-Jaffa

Shimon-Peres-Preis wird erstmals in Israel verliehen

60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind der Anlass: Zum ersten Mal wird der Shimon-Peres-Preis für gemeinsame demokratische Vorhaben in Israel feierlich übergeben

von Alexander Riedel  01.12.2025

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Teilnehmer des Mitzvah Day 2016 in Berlin

Tikkun Olam

»Ein Licht für die Welt«

Der Mitzvah Day 2025 brachte bundesweit Gemeinden, Gruppen und Freiwillige zu mehr als 150 Projekten zusammen

 23.11.2025

Hebraica

»Was für ein Buchschatz!«

Stefan Wimmer über die Münchner Handschrift des Babylonischen Talmuds als UNESCO-Weltkulturerbe

von Ayala Goldmann  23.11.2025

TV-Tipp

Oliver Masucci brilliert in dem Mehrteiler »Herrhausen - Der Herr des Geldes«

Biografischer Mehrteiler über Bankier Alfred Herrhausen

von Jan Lehr  17.11.2025

Amsterdam

Chanukka-Konzert im Concertgebouw kann doch stattfinden

Der israelische Kantor Shai Abramson kann doch am 14. Dezember im Amsterdamer Konzerthaus auftreten - allerdings nur bei zusätzlich anberaumten Konzerten für geladene Gäste

 13.11.2025

Meinung

BBC: Diese Plattform für anti-israelische Vorurteile und Extremismus ist nicht mehr zu retten

Der öffentlich-rechtliche Sender Großbritanniens hat sich anti-israelischen Vorurteilen und Extremismus geöffnet. Er braucht dringend Erneuerung

von Ben Elcan  13.11.2025