woche der brüderlichkeit

Diesmal nicht!

von Rabbiner Avichai Apel

Es brennt, Brüder, es brennt. Mit dieser Zeile in Anlehnung an Mordechai Gebirtigs Hilferuf aus dem Schtetl hat Michael Wolffsohn seinen Leitartikel dieser Zeitung in der vergangenen Ausgabe begonnen. Darin beschreibt er das beklemmende Gefühl, das viele Juden hierzulande beschleicht: Nicht der Judenhass oder die Israelfeindschaft sind neu, sondern die Tatsache, das »aus allen antisemitischen Rohren gleichzeitig geschossen wird«.
Zum Beispiel aus Rom: Fast vor einem Jahr hat Papst Benedikt die alte lateinische Messe wieder erlaubt, in der am Karfreitag für die Erleuchtung der Juden gebetet wird. Nun holt er die ultrakonservative und antisemitische Pius-Bruderschaft wieder in die Kirche zurück, deren Bischof Richard Wil-liamson die Schoa leugnet.
Unter diesem Eindruck haben wir Ge-
meinderabbiner uns bei der Tagung der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschlands (ORD) in der vorvergangenen Woche entschlossen, den Dialog mit dem Vatikan abzubrechen. Das Verhalten des Papstes ist nicht tragbar. Geichzeitig haben wir auf das bisher gute Verhältnis mit den Katholiken in Deutschland verwiesen. Ich selbst habe vom Dortmunder Probst ein Schreiben erhalten, in dem er mir und unserer Ge-
meinde seine Unterstützung und Solidarität zusichert. Führende Vertreter der Bischofskonferenz bis zum Zentralkomitee der Deutschen Katholiken haben sich in gleichem Sinne geäußert.
Zugleich gibt es auch Stimmen wie die des Distriktoberen der deutschen Pius-Brüder, Franz Schmidberger. Er sprach sich am vergangenen Donnerstag gegen einen gleichberechtigten Dialog mit den Juden aus. Unterschiedlicher können die Signale aus der katholischen Kirche kaum sein.
Bei der ORD-Tagung haben wir auch auf die großartige Unterstützung der Bundesregierung für die jüdischen Gemeinden verwiesen. Das deutliche Wort von Bundeskanzlerin Angela Merkel, mit der sie den Papst zu einer Klarstellung aufgefordert hatte, dass eine Leugnung des Holocaust nicht geduldet werde, tut gut.
Wir vertrauen auf das Deutschland von heute. Auf seine Repräsentanten und seine Bürger. Wir wollen hier weiter für eine Zu-kunft jüdischen Lebens arbeiten. Und wir wollen auch den traditionell guten Kontakt zu den Katholiken in Deutschland er-
halten.
In den wenigen Tagen sollte nicht zerstört werden, was in den vergangenen Jahren aufgebaut wurde. Deshalb wollen wir seitens der ORD die Gespräche mit der Katholischen Bischofskonferenz fortführen, dort aber auch unsere Position unmissverständlich deutlich machen.
Dennoch: Es treibt uns um, was wir derzeit erleben. Auch jenseits der Grenzen Deutschlands. In Holland wird auf eine jüdische Einrichtung geschossen. In Venezuela werden Synagogen demoliert. In Italien heißt es: »Kauft nicht bei Juden.« In Südafrika sollen keine israelischen Schiffe mehr entladen werden. In Neuseeland wollen Gastwirte keine Israelis mehr bedienen. In Schweden werden dem Botschafter des jüdischen Staates Schuhe an den Kopf ge-
worfen. In der Türkei haben Menschen Angst, sich als Juden erkennen zu geben. In Spanien müssen israelische Basketballer von der Polizei geschützt werden. In Frankreich werden Brandbomben gegen jüdische Gotteshäuser geschleudert. Brüder, es brennt!
Uns erreichen Drohbriefe und Hassmails. Der offene Antisemitismus nimmt zu. Angesichts der israelischen Militäroffensive heißt es immer wieder: Gerade ihr Juden, mit eurer Geschichte, solltet euch doch ganz anders verhalten. In dieser Situation müssen wir Rabbiner uns vor unsere Gemeindemitglieder stellen.
Alle – auch Menschen anderen Glaubens – sind herzlich eingeladen, uns dabei zu unterstützen. In Brüderlichkeit. Taten statt Worte. Das ist, was jetzt zählt. Darüber hinaus denke ich, dass wir uns weiter um den Dialog der Religionen bemühen sollen. Es geht um Toleranz, Respekt und Verständnis füreinander.
Doch muss dabei klar sein: Die Rehabilitierung eines Bischofs, der den Holocaust leugnet, ist inakzeptabel. Der Verbleib einer offen judenfeindlichen Organisation in der katholischen Kirche ist nicht hinnehmbar. Damit setzt sich der Vatikan zumindest dem Verdacht aus, den Antisemitismus nicht zu bekämpfen.
Und daran müsste ich denken, wenn ich beim Festkonzert zur »Woche der Brüderlichkeit« in der ersten Reihe sitzen und die versöhnlichen Worte der Redner hören würde. Gespräche ja, Feiern nein. Nicht in diesen Tagen. Denn: Es brennt, Brüder, es brennt!

Geiseldeal

Itay Chen ist wieder in Israel

Die Leiche des 19-jährigen, israelisch-amerikanischen Soldaten wurde am Dienstagabend von Terroristen der Hamas übergeben

 05.11.2025

Jerusalem

Nach Eklat in Jerusalem: Westfälische Präses setzt auf Dialog

Projekte, Gedenkorte und viele Gespräche: Die Theologin Ruck-Schröder war mit einer Delegation des NRW-Landtags fünf Tage in Israel und im Westjordanland. Angesichts der Spannungen setzt sie auf dem Weg zur Verständigung auf Begegnungen und Dialog

von Ingo Lehnick  06.11.2025 Aktualisiert

Terror

Hamas übergibt erneut Leichen an Rotes Kreuz

Die Hamas hat dem Roten Kreuz erneut Leichen übergeben. Ob es sich bei den sterblichen Überresten in drei Särgen wirklich um Geiseln handelt, soll nun ein forensisches Institut klären

 02.11.2025

Augsburg

Josef Schuster und Markus Söder bei Jubiläumsfeier von jüdischem Museum

Eines der ältesten jüdischen Museen in Deutschland feiert in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen. Das Jüdische Museum Augsburg Schwaben erinnert mit einer Ausstellung an frühere Projekte und künftige Vorhaben

 29.10.2025

Interview

»Wir sind für alle Soldaten da«

Shlomo Afanasev ist Brandenburgs erster orthodoxer Militärrabbiner. Am Dienstag wurde er offiziell ordiniert

von Helmut Kuhn  29.10.2025

Bayern

Charlotte Knobloch kritisiert Preisverleihung an Imam

Die Thomas-Dehler-Stiftung will den Imam Benjamin Idriz auszeichnen. Dagegen regt sich nicht nur Widerstand aus der FDP. Auch die 93-jährige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Münchens schaltet sich nun ein

von Michael Thaidigsmann  29.10.2025

Jerusalem

Karin Prien in Yad Vashem: »Jedes Mal für mich erschütternd«

Bei ihrer Israel-Reise erinnert die Bildungsministerin an die Millionen Opfer des Holocaust. Der Moment berührt die CDU-Politikerin auch aus einem persönlichen Grund

von Julia Kilian  28.10.2025

Bildungsministerin

Karin Prien reist nach Israel

Die CDU-Ministerin mit jüdischen Wurzeln will an diesem Sonntag nach Israel aufbrechen. Geplant sind Treffen mit dem israelischen Bildungs- und Außenminister

 26.10.2025

München

Paul Lendvai: »Freiheit ist ein Luxusgut«

Mit 96 Jahren blickt der Holocaust-Überlebende auf ein Jahrhundert zwischen Gewalt und Hoffnung zurück. Besorgt zeigt er sich über die Bequemlichkeit der Gegenwart - denn der Kampf »gegen das Böse und Dumme« höre niemals auf

 21.10.2025