Datteln

Die Wüste lebt

von Isabelle Nguyen

Elaine Solowey beugt sich über ein winziges Bäumchen. »Tatsächlich«, ruft sie, »es hat Blätter bekommen!« Liebevoll betrachtet sie die kleinen grünen Sprossen. Derart euphorisch begrüßt sie jede Pflanze, die es schafft, in der unwirtlichen Negevwüste zu überleben. 250 Baum- und Kakteenarten hat die Doktorin der Bodensanierung bereits im Zuge des Projekts »Experimentierhain« im Kibbuz Kturah angebaut. Einige davon haben medizinischen Nutzen, andere produzieren nahrhafte Früchte, wieder andere fungieren als Schutz vor dem starken Wüstenwind.
Gegenüber dem etwa 100.000 Quadratmeter großen Hain liegt der eigentliche Kibbuz. Pflanzen in zartem Grün und leuchtenden Gelb- und Pinktönen heben sich gegen die staubigen Wüstenfarben ab. Der Kibbuz Kturah, 1973 von jungen amerikanischen Zionisten gegründet, ist eine von vielen kleinen künstlichen Oasen in der Arava-Senke im Südosten Israels.
In einem der flachen Kibbuzgebäude befindet sich der Träger von Soloweys Projekt, das Arava-Institut für Ökologische Studien. Hier lernen und forschen junge Menschen aus Israel, Palästina, den USA und anderen Ländern gemeinsam: Es geht um Klimawandel, Wasserressourcen, alternative Energien und nicht zuletzt um Kooperationsmöglichkeiten im Nahen Osten. Das sind dringliche Themen in einer Region, die zum Großteil von Wüste bedeckt ist, in der das Wasser knapp wird und die Bevölkerung wächst. Und es sind Themen, die angesichts des Klimawandels auch für den Rest der Welt interessant sein dürften.
»Die konventionelle Landwirtschaft hat auf der ganzen Welt Anbauflächen vernichtet«, sagt Solowey, die am Institut das Fach »Nachhaltige Landwirtschaft« unterrichtet. Der Gebrauch von monokulturellen Pflanzen habe den Boden geschwächt und pulverisiert, erläutert sie, was die Erde auf längere Sicht unfruchtbar mache. »Wenn wir nicht bald umdenken, werden unsere Kinder dafür bezahlen müssen.«
Solowey, die aus Kalifornien stammt, kam kurz nach Gründung des Kibbuz nach Kturah und begann, Dattelpalmen zu pflanzen. Heute werden die besonders großen und saftigen Datteln »Medjoul« und »Deglet Nour« zu den besten der Welt gezählt. Etwa 300 Tonnen jeder Sorte liefert der Kibbuz pro Jahr an den israelischen Dattelexporteur Hadiklaim, der die Früchte in Europa, Asien, Afrika, Australien und Amerika verkauft. Kturah bezieht ein Fünftel seiner Gesamteinnahmen aus diesem Geschäft. Damit ist die Dattel das erfolgreichste Produkt einer gesunden Wirtschaft, in der kleine Projekte mit ebenso großer Sorgfalt behandelt werden wie die etablierten, gewinnbringenden Unternehmen. Zu letzteren gehören neben der Dattelplantage noch eine technisch hochentwickelte Algenfarm, Milchproduktion, eine Buchhaltungsfirma und verschiedene Bildungsprogramme für Wüstentouristen. Außerdem wird der Kibbuz durch Mitglieder unterstützt, die in der Umgebung als Lehrer, Ärzte, Dolmetscher arbeiten: Gemäß den traditionellen Prinzipien zahlt jeder seinen Lohn an die Gemeinschaft, die das Geld nach Bedarf aufteilt. Während die meisten Kibbuzim diese Regelung im Zuge von Privatisierungen aufgegeben haben, funktioniert sie in Kturah nach wie vor. Das Gruppengefühl setzt sich in den gemeinsamen Mahlzeiten im Speisesaal fort und findet auch Ausdruck in der für Israel unüblichen Mülltrennung, die der Kibbuz seit kurzem betreibt.
»Hier gibt es eine besondere Sensibilität für Ökologie«, erklärt Solowey. Das ist ein Grund, warum ein wissenschaftliches, nicht profitorientiertes Projekt wie der Experimentierhain hier möglich ist. Dort werden Bäume aus verschiedenen Ländern auf ihre Anpassungsfähigkeit an die israelische Wüste getestet. Soloweys Aufgabe als Domestizierungsmanagerin ist es, die passenden Samen zu finden. Denn nicht jede Spezies kann aufgrund schwierigster klimati- scher Bedingungen hier überleben. Von April bis September herrscht extreme Hitze, der Boden ist wegen des hohen Mineraliengehalts sehr salzhaltig. Mit Tropfbewässerung aus Schläuchen wird den Pflanzen sehr sparsam Wasser zugeführt. Nur Bäume, sagt Solowey, könnten sich solch widrigen Umweltfaktoren anpassen.
Wenn sie über ihre Schützlinge spricht, begreift man ein wenig, welches Potenzial in den Pflanzen steckt. »Gemüse nimmt nur von der Erde«, sagt sie und bezieht sich damit auf den Anbau von Tomaten, Gurken und Salat in den Gewächshäusern des Negev. »Bäume geben ihr etwas zurück. Sie lockern den Boden und öffnen ihn für Regen. Nur Bäume können an die Nährstoffe tief in der Erde kommen. Sie holen sie nach oben und machen daraus wunderbare Blumen und Früchte.« Darüber hinaus bieten sie den hier beheimateten Tieren Schatten und Zuflucht vor der brennenden Sonne.
»Beschützer der Erde« nennt Solowey ihre Pflanzen deshalb. In Kturah gibt es dank ihrer Initiative exotische Hüter aus aller Welt: den indischen Neem beispielsweise, der wegen seiner heilenden Eigenschaften auch »Baum des Lebens« genannt wird, die Marula, einen südafrikanischen Baum mit süßen Früchten, oder Pitaya-Kakteen aus Mittelamerika, die jährlich lediglich einen halben Kubikmeter Wasser verbrauchen. Zur Zeit setzt Solowey ihre Hoffnungen auf die Argania, einen marokkanischen Nussbaum, der im Zuge eines Samenaustauschs zwischen Israel und dem arabischen Land nach Kturah kam. Aus den Nüssen soll Öl gewonnen werden, das dann vom Kibbuz verkauft werden kann.
Noch ist der Garten aber nicht über die Projektphase hinaus – und somit abhängig von Sponsoren. Bisher wurde er von verschiedenen, hauptsächlich amerikanischen Organisationen finanziert. Jetzt hofft man auf ein EU-Projekt im nächsten Jahr, an dem 12 Länder teilnehmen sollen. Der Experimentierhain könnte dabei Israel vertreten, eine der wenigen Regionen dieser Erde, in der jedes Jahr mehr Bäume wachsen. Bis dahin wird Solowey weiter in ihrem Hain Bäume hegen, pflegen und beobachten. Geduldig und auch ein bisschen stur.

Terror

Hamas übergibt erneut Leichen an Rotes Kreuz

Die Hamas hat dem Roten Kreuz erneut Leichen übergeben. Ob es sich bei den sterblichen Überresten in drei Särgen wirklich um Geiseln handelt, soll nun ein forensisches Institut klären

 02.11.2025

Augsburg

Josef Schuster und Markus Söder bei Jubiläumsfeier von jüdischem Museum

Eines der ältesten jüdischen Museen in Deutschland feiert in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen. Das Jüdische Museum Augsburg Schwaben erinnert mit einer Ausstellung an frühere Projekte und künftige Vorhaben

 29.10.2025

Interview

»Wir sind für alle Soldaten da«

Shlomo Afanasev ist Brandenburgs erster orthodoxer Militärrabbiner. Am Dienstag wurde er offiziell ordiniert

von Helmut Kuhn  29.10.2025

Bayern

Charlotte Knobloch kritisiert Preisverleihung an Imam

Die Thomas-Dehler-Stiftung will den Imam Benjamin Idriz auszeichnen. Dagegen regt sich nicht nur Widerstand aus der FDP. Auch die 93-jährige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Münchens schaltet sich nun ein

von Michael Thaidigsmann  29.10.2025

Jerusalem

Karin Prien in Yad Vashem: »Jedes Mal für mich erschütternd«

Bei ihrer Israel-Reise erinnert die Bildungsministerin an die Millionen Opfer des Holocaust. Der Moment berührt die CDU-Politikerin auch aus einem persönlichen Grund

von Julia Kilian  28.10.2025

Bildungsministerin

Karin Prien reist nach Israel

Die CDU-Ministerin mit jüdischen Wurzeln will an diesem Sonntag nach Israel aufbrechen. Geplant sind Treffen mit dem israelischen Bildungs- und Außenminister

 26.10.2025

München

Paul Lendvai: »Freiheit ist ein Luxusgut«

Mit 96 Jahren blickt der Holocaust-Überlebende auf ein Jahrhundert zwischen Gewalt und Hoffnung zurück. Besorgt zeigt er sich über die Bequemlichkeit der Gegenwart - denn der Kampf »gegen das Böse und Dumme« höre niemals auf

 21.10.2025

Abkommen

»Trump meinte, die Israelis geraten etwas außer Kontrolle«

Die Vermittler Steve Witkoff und Jared Kushner geben im Interview mit »60 Minutes« spannende Einblicke hinter die Kulissen der Diplomatie

von Sabine Brandes  20.10.2025

Washington

Trump droht Hamas mit dem Tod

Die palästinensische Terrororganisation will ihre Herrschaft über Gaza fortsetzen. Nun redet der US-Präsident Klartext

von Anna Ringle  16.10.2025