Jerusalem

Die vollkommene Stadt

von David Kauschke

Jerusalem ist das Zentrum jüdischen Glaubens – und das bereits seit mehr als 3.000 Jahren. Hier standen die beiden Tempel, hier regierten die jüdischen Könige. Jerusalem ist stets im jüdischen Bewusstsein. König David formulierte es im 137. Psalm so: »Wenn ich dich je vergesse, Jerusalem, dann soll meine rechte Hand verdorren. Die Zunge soll mir am Gaumen kleben, wenn ich an dich nicht mehr denke, wenn ich Jerusalem nicht zu meiner höchsten Freude erhebe.« Jerusalem ist Quelle und Ziel der Gebete und Hoffnungen der Ju-
den – zu jeder Zeit.
Schon als die Juden Jerusalems an den Ufern von Babylon saßen und sich nach Zion sehnten, ist in der Bibel von einem Jerusalem-Tag, dem »Jom Jeruschalajim« die Rede. In der modernen Geschichte Israels ist der Jerusalem-Tag das Datum, an dem an die Wiedervereinigung der Stadt während des Juni-Krieges 1967 erinnert wird. 1980 erklärt die Knesset Jerusalem zur »ewigen und unteilbaren Hauptstadt« Israels. Der Jom Jeruschalajim ist einer von vier Feier- und Gedenktagen (mit Jom Haschoa, Jom Hasikaron und Jom Haatzmaut), die in den jüdischen Kalender aufgenommen werden. Begangen wird der Tag am 28. Ijar, in diesem Jahr zum 40. Mal.
Tausende Menschen ziehen an diesem Tag in Jerusalem um und durch die 1967 befreite Altstadt, der Marsch endet an der Klagemauer. Dieser Tag ist kein religiöser Feiertag. Dennoch ist es nach rabbinischer Auffassung eine religiöse Pflicht, zur Erinnerung an das historische Ereignis in Jerusalem und in den Synagogen weltweit die Psalmen der Lobpreisung, das Hallel-
Gebet, zu sagen.
In den Psalmen taucht der Name der Stadt häufig auf, in der gesamten hebräischen Bibel ist das hebräische Wort Jerusalem 641 Mal zu finden, in der Tora hingegen kein einziges Mal. Gleichwohl verwei-
sen die Kommentatoren darauf, dass Jerusalem gemeint ist, wenn zum Beispiel im
1. Buch Moses (14,18) Abraham von einer gewonnenen Schlacht zurückkehrt, und auf den Herrscher einer Stadt trifft: »Und Malki-Zedek, der König von Schalem, brachte heraus Brot und Wein, und er war Priester des höchsten Gottes.« Es ist wahrscheinlich, dass Schalem das Ur-Jerusalem war.
Auch die Geschichte der Bindung Isaaks steht mit Jerusalem in Zusammenhang: »Nimm doch deinen Sohn, deinen einzigen, den du liebst, den Isaak, und geh hin in das Land Morija und bringe ihn dort zum Opfer auf einem Berge, den ich dir ansagen werde.« (1. Buch Moses 22,2) Abraham gibt dieser Stätte später einen Namen (22,14): »Und Abraham nannte den Namen dieses Ortes: Der Ewige wird ersehen (Ha-
schem Jir´e).«
Dem Midrasch zufolge ist daraus der Name Jerusalem entstanden, aus der Verbindung von »Jeru« (sehen) und »Schalem« (vollkommen). »Deswegen nenne ich es Jeruschalajim« (Midrasch Rabba 56,10). Es ist die Stadt, in der man die Vollkommenheit sieht. Und es ist, so sagt es der Ramban (Nachmanides), die vollkommene Stadt, weil hier der Tempel stand.
Jerusalem ist in seiner Schönheit vollkommen: »Zehn Maß Schönheit kamen in die Welt, Jerusalem nahm neun und der Rest der Welt eines« (Kidduschin 49b). Nach rabbinischer Überlieferung hat Gott alle Städte der Welt geprüft, aber nur Jerusalem für geeignet befunden, die Stätte seines Heiligtums zu werden.
Israel feiert in diesen Tagen den 40. Jahrestag der Wiedervereinigung Jerusalems. Doch im religiösen Sinne ist die Stadt weiterhin geteilt – in ein irdisches und ein himmlisches Jerusalem. Raphael Jospe, Dozent für jüdische Philosophie an der offenen Universität Jerusalem, hat sich in seinem Text »Religionen in Israel« (Jerusalem, 1995) darüber Gedanken gemacht. Er schreibt, dass ohne die einzigartige Vision des oberen Jerusalems das irdische Jerusalem tatsächlich niemals bewahrt bleiben, aber ohne dieses irdische Jerusalem auch die einzigartige himmlische Vision niemals gedacht werden konnte. »Wenn die Juden sich das himmlische Jerusalem vorstellten, war es immer auch ein Richtungsweiser für ihre Hoffnungen, das irdische Jerusalem einmal wieder aufzubauen. Deswegen kennzeichnet Jerusalem im Judentum beides: den Wiederaufbau eines na-
tionalen Heims für das jüdische Volk und die Zeit des Friedens und der Gerechtigkeit in den Tagen des Messias.«

Geiseldeal

Itay Chen ist wieder in Israel

Die Leiche des 19-jährigen, israelisch-amerikanischen Soldaten wurde am Dienstagabend von Terroristen der Hamas übergeben

 05.11.2025

Jerusalem

Nach Eklat in Jerusalem: Westfälische Präses setzt auf Dialog

Projekte, Gedenkorte und viele Gespräche: Die Theologin Ruck-Schröder war mit einer Delegation des NRW-Landtags fünf Tage in Israel und im Westjordanland. Angesichts der Spannungen setzt sie auf dem Weg zur Verständigung auf Begegnungen und Dialog

von Ingo Lehnick  06.11.2025 Aktualisiert

Terror

Hamas übergibt erneut Leichen an Rotes Kreuz

Die Hamas hat dem Roten Kreuz erneut Leichen übergeben. Ob es sich bei den sterblichen Überresten in drei Särgen wirklich um Geiseln handelt, soll nun ein forensisches Institut klären

 02.11.2025

Augsburg

Josef Schuster und Markus Söder bei Jubiläumsfeier von jüdischem Museum

Eines der ältesten jüdischen Museen in Deutschland feiert in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen. Das Jüdische Museum Augsburg Schwaben erinnert mit einer Ausstellung an frühere Projekte und künftige Vorhaben

 29.10.2025

Interview

»Wir sind für alle Soldaten da«

Shlomo Afanasev ist Brandenburgs erster orthodoxer Militärrabbiner. Am Dienstag wurde er offiziell ordiniert

von Helmut Kuhn  29.10.2025

Bayern

Charlotte Knobloch kritisiert Preisverleihung an Imam

Die Thomas-Dehler-Stiftung will den Imam Benjamin Idriz auszeichnen. Dagegen regt sich nicht nur Widerstand aus der FDP. Auch die 93-jährige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Münchens schaltet sich nun ein

von Michael Thaidigsmann  29.10.2025

Jerusalem

Karin Prien in Yad Vashem: »Jedes Mal für mich erschütternd«

Bei ihrer Israel-Reise erinnert die Bildungsministerin an die Millionen Opfer des Holocaust. Der Moment berührt die CDU-Politikerin auch aus einem persönlichen Grund

von Julia Kilian  28.10.2025

Bildungsministerin

Karin Prien reist nach Israel

Die CDU-Ministerin mit jüdischen Wurzeln will an diesem Sonntag nach Israel aufbrechen. Geplant sind Treffen mit dem israelischen Bildungs- und Außenminister

 26.10.2025

München

Paul Lendvai: »Freiheit ist ein Luxusgut«

Mit 96 Jahren blickt der Holocaust-Überlebende auf ein Jahrhundert zwischen Gewalt und Hoffnung zurück. Besorgt zeigt er sich über die Bequemlichkeit der Gegenwart - denn der Kampf »gegen das Böse und Dumme« höre niemals auf

 21.10.2025