Joel Berger

»Die Kirche distanziert sich von den Juden«

»Die Kirche distanziert sich von den Juden«

Joel Berger über Papst Benedikt XVI. und antijüdische Gebete

Herr Rabbiner, der Papst erlaubt die tridentinische Messe wieder. Für die Zeit zwischen Karfreitag und Ostern enthält die Liturgie ein Gebet für die Bekehrung der Juden (vgl. S. 2). Hatte die katholische Kirche der Judenmission nicht längst abgeschworen?
berger: Abgeschworen wäre übertrieben. Sie haben die Mission nur nicht praktiziert, weil sie mit sich selbst beschäftigt waren, um sich vor allem Möglichen zu retten. Sie hatten für uns Juden nur keine Zeit und Energie.

Liest der Priester die Messe allein, darf er den alten Ritus nicht gebrauchen, liest er sie vor einer Gemeinde, darf er es – möglicherweise. Glauben Sie, die Formulierung ist bewusst uneindeutig gehalten?
berger: Das ist Benedikts typisch päpstliche Diplomatie. So geht er mit allen heiklen Fragen um. Möglichst spitzfindig, nicht eindeutig und ja nicht Stellung beziehen, sondern immer so, dass man alles in mehrere Richtungen interpretieren kann. Es ist unerhört, dass der Papst dieses Gebet nicht deutlich verbietet. Ein Skandal, dass die päpstliche Anordnung die Möglichkeit zulässt, in der Lateinmesse diese alten liturgischen Sätze gegen die Juden zu sagen, die unser Selbstverständnis untergraben.

Überrascht es Sie, dass der Papst nach so vielen Jahren der Annäherung dieses Gebet offenbar zulässt?
berger: Für die Kirche ist die jüdische Existenz – zugegeben oder nicht – eine Einschränkung ihres absoluten Anspruchs auf Wahrheit und Erlösung. Die päpstliche Anordnung bestätigt mich in dieser Annahme. Ich habe in den vergangenen Jahren manchmal gedacht: Vielleicht hat sich die Kirche doch verändert. Aber die päpstliche Anordnung beweist mir, dass dies nicht der Fall ist. Für mich ist sie ein deutliches Signal: Die katholische Kirche distanziert sich von den Juden, um sich erzkonservativen Kreisen anzunähern.

Haben Sie es vor zwei Jahren, als Juden und Katholiken gemeinsam den 40. Jahrestag der Erklärung Nostra Aetate feierten, für möglich gehalten, dass man so bald schon wieder über derart massive Antijudaismen in der Liturgie diskutieren wird?
berger: Bei diesem Papst habe ich mit allem gerechnet. Deshalb habe ich vor zwei Jahren bei seinem Besuch in Köln auch die Einladung zu einem Treffen in der Synagoge abgelehnt.

Mit dem ehemaligen Landesrabbiner von Württemberg sprach Tobias Kühn.

München

Paul Lendvai: »Freiheit ist ein Luxusgut«

Mit 96 Jahren blickt der Holocaust-Überlebende auf ein Jahrhundert zwischen Gewalt und Hoffnung zurück. Besorgt zeigt er sich über die Bequemlichkeit der Gegenwart - denn der Kampf »gegen das Böse und Dumme« höre niemals auf

 21.10.2025

Abkommen

»Trump meinte, die Israelis geraten etwas außer Kontrolle«

Die Vermittler Steve Witkoff und Jared Kushner geben im Interview mit »60 Minutes« spannende Einblicke hinter die Kulissen der Diplomatie

von Sabine Brandes  20.10.2025

Washington

Trump droht Hamas mit dem Tod

Die palästinensische Terrororganisation will ihre Herrschaft über Gaza fortsetzen. Nun redet der US-Präsident Klartext

von Anna Ringle  16.10.2025

Terror

Hamas gibt die Leichen von Tamir Nimrodi, Uriel Baruch und Eitan Levy zurück

Die vierte Leiche ist ein Palästinenser

 15.10.2025 Aktualisiert

München

Friedman fordert Social-Media-Regulierung als Kinderschutz

Hass sei keine Meinung, sondern pure Gewalt, sagt der Publizist. Er plädiert für strengere Regeln

 10.10.2025

Waffenruhe

»Wir werden neu anfangen, egal, wie schwer es ist«

Im Gazastreifen feiern die Menschen die Aussicht auf ein Ende des Krieges

 09.10.2025

Perspektive

Wir lassen uns nicht brechen – Am Israel Chai! 

Ein Zwischenruf zum 7. Oktober

von Daniel Neumann  06.10.2025

Berlin

Preis für Zivilcourage für Brandenburger Bürgermeisterin

Christine Herntier wird für ihr Engagement gegen Rechtsextremismus vom »Denkmal für die ermordeten Juden Europas« und der Jüdischen Gemeinde zu Berlin ausgezeichnet

 01.10.2025

Terror

»Das Einfühlungsvermögen für Juden ist aufgebraucht«

Die Berliner Psychologin Marina Chernivsky zieht eine bittere Bilanz nach dem 7. Oktober

von Franziska Hein  30.09.2025