Emigration

Die erste Vertreibung

von Michael Wuliger

Diese Ausstellung fällt aus dem Rahmen. Wo das Jüdische Museum Berlin (JMB) sich sonst gern in knalligen Effekten übt, wie bei der bonbonbunten Freud-Schau im April, ist die Ausstellung Heimat und Exil. Emigration der deutschen Juden nach 1933 wohltuend konventionell.
Das beginnt bei der Struktur. Die Schau ist chronologisch geordnet. Sie fängt an mit der Situation vor 1933. Fotos aus deutsch-jüdischen Familienalben – Babys, Ausflugsbilder, Porträts von Rabbinern oder Corpsstudenten – zeugen von der Verwurzelung in Deutschland. Die endet 1933 mit einem Bild marschierender SA und dem Lärm der Stiefel auf dem Trottoir. Rund 500.000 Juden lebten damals in Deutschland. 280.000 von ihnen flohen in den folgenden Jahren. Warum, erklären Dokumente aus jener Zeit: Antisemitische Propaganda, Ausbürgerungs- und Berufsverbotsbescheide, »Arisierungs«-Urkunden, Bilder der Pogromnacht im November 1938.
Wer wollte da nicht weg? Doch das war schwierig. Erstens wegen der schikanösen deutschen Verwaltung, dargestellt mit ihren Formularen, Petitionen, Stempeln und Bescheiden. Und dann mußte man ein Aufnahmeland finden, was mehr als schwierig war. Wir sehen verzweifelte Briefe österreichischer Juden, die nach dem »Anschluß« 1938 an unbekannte Amerikaner gleichen Familiennamens schreiben, in der Hoffnung, daß diese möglicherweise entfernten Verwandten ihnen das begehrte »affidavit« unterschreiben würden, eine Bürgschaft, ohne die man keine Chance hatte, in die USA zu kommen.
Zu den wenigen Ländern, die Juden gerne nahmen, gehörte die Dominikanische Republik, deren Diktator Trujillo sich von jüdischer Einwanderung ein »rassisches« Gegengewicht gegen Schwarze und Mestizen erhoffte. Unter anderem kam so eine Gruppe linkssozialistischer Jungzionisten in den karibischen Staat, wo sie wirtschaftlich reüssierte – mit einem Schweinezuchtbetrieb, der bei Ausstellungen zahlreiche Pokale gewann, die man in einer Vitrine bewundern kann.
Viele jüdische Flüchtlinge zog es eher in Nachbarländer wie die Tschechoslowakei, Frankreich und die Niederlande. Keine kluge Wahl, wie sich bald herausstellen sollte. Wohin die Reise letztendlich ging, zeigt ein niederländisches Zugschild: »Westerbork - Auschwitz«.
Sicher war man nur in Übersee. Sei es in Großbritannien, in Südamerika, den USA, oder in Palästina. Oder, wenn alle Stricke rissen, in Schanghai, für dessen internationale Niederlassung Juden kein Visum brauchten. Vom beengten Leben im Ghetto der chinesischen Küstenstadt erzählt in einem ausführlichen Audiointerview einer der bekanntesten »Schanghaier«: Michael Blumenthal, der Gründungsdirektor des Jüdischen Museums Berlin.
Die Ausstellung endet mit einem Raum der Besinnung: An acht Audiostationen kann der Besucher per Kopfhörer Gedichte und Lieder deutsch-jüdischer Emigranten hören, während auf einen stilisierten Steinbruch Bilder der unwiderruflich zerstörten einstigen deutsch-jüdischen Symbiose projiziert werden.

Heimat und Exil. Emigration der deutschen Juden nach 1933. Jüdisches Museum Berlin, 29. September 2006 bis 9. April 2007
Der gleichnamige Katalog erscheint im Jüdischen Verlag Frankfurt am Main

Jerusalem

Israel entzieht Vertretern Australiens in Palästinensergebieten Visa

Australien ist eines der westlichen Länder, die im kommenden Monat einen palästinensischen Staat anerkennen wollen. Darauf und auf Einreiseverbote für israelische Politiker folgt ein Gegenschritt

 18.08.2025

Halle

Datenbank über Opfer medizinischer Forschung in NS-Zeit veröffentlicht

Tausende Menschen wurden im Nationalsozialismus zu medizinischen Untersuchungen gezwungen. Ihre Schicksale sollen nun sichtbar werden

 18.08.2025

Dresden

Tora-Rolle entsteht in aller Öffentlichkeit

Vor dem Dresdner Stadtmuseum kann demnächst jeder durch ein Schaufenster zusehen, wie eine Thora-Rolle entsteht

 14.08.2025

Berlin

Auswärtiges Amt: Israel muss Tötung von Journalisten erklären

Laut Israel der Al-Jazeera-Reporter Anas al-Scharif zugleich ein Hamas-Terrorist

 11.08.2025

Halle

Neue Datenbank zu NS-Opfern medizinischer Zwangsforschung

Privatpersonen können gezielt nach betroffenen Angehörigen suchen

 07.08.2025

Berlin

Kinder aus Gaza: Linke will für Aufnahme »Kleeblatt« nutzen

Mehrere deutsche Städte würden hilfsbedürftige Kinder aus dem Krisengebiet im Nahen Osten aufnehmen. Die Linke schlägt eine gemeinsame Aktion vor

 07.08.2025

Berlin

Umgang mit Gaza: SPD-Fraktion erhöht Druck auf Koalition

Muss die Bundesregierung mehr tun, um den Menschen im Gazastreifen zu helfen? Die SPD-Fraktion fordert konkrete Maßnahmen

 06.08.2025

Einwurf

Mit Heine gegen den Terror

Wer die Bilder der ausgemergelten Geiseln Rom Braslavski und Evjatar David kaum ertragen kann, findet zumindest ein bisschen Trost in Heinrich Heines Gedichten. Seine Verse sind auch heute so wahrhaftig wie vor 200 Jahren

von Maria Ossowski  04.08.2025

Berlin

Deportationsmahnmal in Moabit beschädigt

Polizeibeamte entdecken auf der Putlitzbrücke Farbspritzer und Paketklebeband am Mahnmal

 04.08.2025