Genuss

Deutsche, esst bei Juden

Soll das etwa eine ironische Anspielung auf die Boykottaufrufe der Nationalsozialisten sein? »Deutsche, esst bei Juden« steht in Frakturschrift auf einem Plakat im Münchner Restaurant »Schmock«. Da muss man schon schlucken, bevor der erste Gang überhaupt serviert ist. Geschmacklos? Geschmackssache. Genau die soll getestet werden. Können Küche, Ambiente und Service mit der großen Klappe mithalten?
Der Eingang in der belebten Augustenstraße wirkt einladend. Im Gegensatz zu ei- nem anderen israelischen Lokal in München, in dem man eine Sicherheitsschleuse passieren muss, die fast schärfer scheint als jene am New Yorker Flughafen, ist hier Laissez-faire angesagt. Zunächst ein bisschen zu sehr. Der Empfang gestaltet sich etwas holprig. Erst kommt gar keiner. Befürchtungen werden wach. Eine Online-Recherche vor dem Besuch ergab so viele unzufriedene Einträge aus den Jahren 2007 und 2008, dass man damit wohl die halbe Klagemauer bestücken könnte. Hauptkritikpunkt: der Service. Dazu passt, dass eine Art Oberkellner mir die Jacke fast zwangsweise abnehmen will. Irgendwo verständlich, da lauter Kleidungsstücke über den Stuhllehnen der Atmosphäre abträglich sein können – jedoch sollte die Prozedur etwas charmanter vonstatten gehen.

elegant Doch offenbar hat man aus den Internet-Kritiken Konsequenzen gezogen: Unsere Bedienung, eine junge Frau, die aussieht wie Cameron Diaz, gehört zum Nettesten und Aufmerksamsten, das wir jemals in München erlebt haben – einer Stadt, in der man sich an rabiate Drachenladys und blasierte Schnösel im Service fast gewöhnt hat. Die Speisekarte ist übersichtlich und passt auf ein Blatt Papier. Ein gutes Zeichen – weil besser als überfrachtete Wälzer, wo bis zu 300 Gerichte den Verdacht nähren, dass eh nichts frisch zubereitet wird. Wir bestellen eine »Israelische Vorspeisenplatte« (10,50 Euro), die nach angemessener Wartezeit serviert wird –und erleben den ersten Höhepunkt. Leuchtende Farben auf dem Teller, dazu frisches, warmes Brot, differenzierte, fantastische Geschmäcker. Gut war auch das Angebot der Kellnerin, sich die großzügige Portion zu teilen. Während wir auf den Hauptgang warten, bietet sich die Gelegenheit, das Ambiente wirken zu lassen: Die Einrichtung ist schlicht, aber elegant. Der kleine Restaurant-Saal, vorne ist das Café, zaubert eine intime Atmosphäre. Es herrscht angenehmes, indirektes Licht, das einem den Teint eines Hollywoodstars verleiht. Für erste Dates zu empfehlen!

entspannt Die Tische stehen relativ dicht beieinander, was in diesem Restaurant jedoch kein Problem darstellt. Hier sitzen Menschen, die sich etwas zu sagen haben und nicht pausenlos beim Nachbarn lauschen, um das gegenseitige Anschweigen erträglicher zu gestalten. Ein junges Paar turtelt neben uns, in der Ecke haben fünf Frauen ihren Stammtisch, hinten findet ein Essen unter Geschäftspartnern statt. Die Musik ist entspannend, aber nicht einschläfernd, nicht laut, nicht zu leise. Das »Gefillte Wildhuhn« (19,50 Euro) kommt perfekt gegart, zart und lässt sich gut vom Knochen lösen. Dazu gibt’s gebratene Pfifferlinge, mit Biss, und sehr fein schmeckendes Süßkartoffelpüree. Die Goldbrasse (Dorade Royal), mit Calamaretti und Couscous (21 Euro): königlich. Nachwürzen ist nicht nötig. Die Pfeffermühle mit Arafat-Konterfei bleibt unberührt.

International Daraus, dass seine Küche nicht ganz koscher ist, macht der junge Inhaber Florian Gleibs keinen Hehl. Die Gerichte sind laut Homepage »Kosher-Style«, das heißt, sie werden in der nicht-koscheren Küche aus koscheren Zutaten zubereitet. Die Auswahl wirkt international-orientalisch mit israelischen Akzenten.
Zum Dessert wird eine Creme Brulée (7,50 Euro) gereicht – interessant sind die Kardamom-Noten. Kleines Minus: die Kruste ist kalt, sie sollte, im Gegensatz zur Creme, heiß sein. Dafür überzeugt der »Ugat Schokoladentarte mit Tutim Eis« (8 Euro), lauwarm und sehr reichhaltig. Der Cappuccino kommt mit sensationeller Crema. Ab 22 Uhr, es ist Samstag, wird es voller und lustiger. Statt einer angesichts des »Nazi-Plakats« befürchteten Wir-sind-ja-so-wahnsinnig-ironisch-Atmosphäre herrscht echte, unangestrengte Lockerheit. So ange- nehm, dass einem bei der nächsten Abendplanung ein Satz so selbstverständlich über die Lippen kommen dürfte wie sonst nur in Sachen Chinesen, Italiener und Griechen: »Gehen wir zum Israeli!«

Geiseldeal

Itay Chen ist wieder in Israel

Die Leiche des 19-jährigen, israelisch-amerikanischen Soldaten wurde am Dienstagabend von Terroristen der Hamas übergeben

 05.11.2025

Jerusalem

Nach Eklat in Jerusalem: Westfälische Präses setzt auf Dialog

Projekte, Gedenkorte und viele Gespräche: Die Theologin Ruck-Schröder war mit einer Delegation des NRW-Landtags fünf Tage in Israel und im Westjordanland. Angesichts der Spannungen setzt sie auf dem Weg zur Verständigung auf Begegnungen und Dialog

von Ingo Lehnick  06.11.2025 Aktualisiert

Terror

Hamas übergibt erneut Leichen an Rotes Kreuz

Die Hamas hat dem Roten Kreuz erneut Leichen übergeben. Ob es sich bei den sterblichen Überresten in drei Särgen wirklich um Geiseln handelt, soll nun ein forensisches Institut klären

 02.11.2025

Augsburg

Josef Schuster und Markus Söder bei Jubiläumsfeier von jüdischem Museum

Eines der ältesten jüdischen Museen in Deutschland feiert in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen. Das Jüdische Museum Augsburg Schwaben erinnert mit einer Ausstellung an frühere Projekte und künftige Vorhaben

 29.10.2025

Interview

»Wir sind für alle Soldaten da«

Shlomo Afanasev ist Brandenburgs erster orthodoxer Militärrabbiner. Am Dienstag wurde er offiziell ordiniert

von Helmut Kuhn  29.10.2025

Bayern

Charlotte Knobloch kritisiert Preisverleihung an Imam

Die Thomas-Dehler-Stiftung will den Imam Benjamin Idriz auszeichnen. Dagegen regt sich nicht nur Widerstand aus der FDP. Auch die 93-jährige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Münchens schaltet sich nun ein

von Michael Thaidigsmann  29.10.2025

Jerusalem

Karin Prien in Yad Vashem: »Jedes Mal für mich erschütternd«

Bei ihrer Israel-Reise erinnert die Bildungsministerin an die Millionen Opfer des Holocaust. Der Moment berührt die CDU-Politikerin auch aus einem persönlichen Grund

von Julia Kilian  28.10.2025

Bildungsministerin

Karin Prien reist nach Israel

Die CDU-Ministerin mit jüdischen Wurzeln will an diesem Sonntag nach Israel aufbrechen. Geplant sind Treffen mit dem israelischen Bildungs- und Außenminister

 26.10.2025

München

Paul Lendvai: »Freiheit ist ein Luxusgut«

Mit 96 Jahren blickt der Holocaust-Überlebende auf ein Jahrhundert zwischen Gewalt und Hoffnung zurück. Besorgt zeigt er sich über die Bequemlichkeit der Gegenwart - denn der Kampf »gegen das Böse und Dumme« höre niemals auf

 21.10.2025