Minjan

Dann kommen die Touristen

von Hans-Ulrich Dillmann

Wer spielerisch die vielen, zum Teil winzigen Inseln der Bahamas unter den jüdischen Bewohnern des Archipels aufteilen wollte, käme auf rund zehn Eilande pro Person. Doch von den mehr als 700 Bahama-Inseln sind nur 30 bewohnt, und die kleine jüdische Gemeinde konzentriert sich gar auf nur zwei Eilande: Auf der am dichtesten besiedelten Insel New Providence mit der Hauptstadt Nassau leben knapp 50 Jüdinnen und Juden, auf den Grand Bahamas rund 20. »Wir sind nur wenige«, sagt Anthony Gee, der amtierende Präsident der United Bahamas Hebrew Congregation.
Die einzige Synagoge der Vereinigten Israelitischen Gemeinde der Bahamas steht in Freetown. Zwischen einer lutherischen und einer römisch-katholischen Kirche befindet sich auf dem East Sunrise Highway ein eingeschossiger weißer Stuckflachbau. Ein Magen David und die Aufschrift »Luis de Torres Synagogue« künden davon, dass das 1972 errichtete Bauwerk ein jüdisches Gotteshaus ist. »Wir verstehen uns als Reformjuden und gehören der Union for Reform Judaism an«, sagt Gee, der vor 41 Jahren aus England auf der Suche nach Arbeit nach Freeport gekommen ist. Inzwischen besitzt der pensionierte Juwelier die Staatsbürgerschaft des karibischen Landes. »Ich liebe die Inselmentalität, auch wenn es oft länger dauert, bis was passiert ist.«
Die meisten Mitglieder der Israelitischen Gemeinde sind nicht im Land geboren. Die Mehrzahl kommt aus den USA und Kanada. Wenn es in Nordamerika kalt wird, siedelt gut ein Dutzend von ihnen für die Wintermonate auf Grand Bahamas über. »Dann haben wir auch immer garantiert einen Minjan«, versichert Gee, der eines der Gründungsmitglieder der Gemeinde ist. Auch wenn er selbst nicht darüber spricht, andere berichten, es sei maßgeblich Gees finanzieller Unterstützung zu verdanken, dass die Juden in Freeport heute über eine Synagoge verfügen.
Zwar öffnet der Gemeindepräsident auch zwischen April und September die Pforten der Luis-de-Torres-Synagoge, doch in den karibischen Sommermonaten kommen nur selten zehn Männer zum Gebet zusammen. »Die Mehrheit sind Pensionäre, die bei uns das gute Klima und Wetter genießen, dabei aber nicht ihre Religion vergessen.« Gee fungiert beim Schabbatgottesdienst als eine Art Chasan. »Ich bin von meinen Eltern jüdisch erzogen worden und habe als Kind Hebräisch gelernt«, sagt er.
Dass das Gemeindezentrum den Namen Luis de Torres trägt, habe mit der Geschichte der »Entdeckung der Neuen Welt durch Christoph Kolumbus zu tun«, berichtet Gee. Als die spanischen Konquistadoren auf ihrem Weg gen Westen am 12. Oktober 1492 das erste Mal Land in Sicht hatten, befanden sie sich vor der Insel Guanahani. Das heute zu den Bahamas gehörende Eiland taufte Kolumbus »San Salvador«. Mit an Bord seiner »Santa Maria« war Luis de Torres, ein zwangsgetaufter Jude, der Arabisch, Aramäisch, Hebräisch, Spanisch, Portugiesisch, Latein und Französisch sprach und für Kolumbus dolmetschen sollte.
Aber erst zwei Jahrhunderte später berichten die Annalen von der ständigen jüdischen Präsenz auf den Bahamas. Als die Briten 1620 eine erste Siedlung errichteten, kamen auch einige Juden. Einer von ihnen erlangte Berühmtheit im Land: Im 18. Jahrhundert wurde das Gemeindemitglied Moses Franks Staatsanwalt und Justizchef der Inselgruppe. »Nach dem Ersten Weltkrieg siedelten sich einige Familien aus Polen und Russland« an, sagt Gee. Jedoch selbst in ihren besten Zeiten zählte die jüdische Gemeinschaft auf den Bahamas nie mehr als rund 200 Personen.
»Die Mehrzahl der Nachfahren dieser Siedler aus Polen und Russland ist später wieder ausgewandert«, erzählt Stefan Hoffer, Präsident der Jewish Congregation of Nassau (JCN). Sein Vater kam aus Polen. Hoffer selbst wurde zwar in Florida geboren, ist aber seit seiner Kindheit Inselbewohner und »a real Bahamian«, wie er sagt. Stefan Hoffer ist Chef der zweiten jüdischen Gemeinde, auch sie gehört zum Reformjudentum und ist Mitglied der Jewish Congregations of Latin America and the Caribbean.
Auch wenn die jüdische Gemeinde Nassau größer ist als die in Freeport, verfügt sie über kein Gotteshaus. »Wir treffen uns einmal im Monat zum Gottesdienst, abwechselnd in der Wohnung von Gemeindemitgliedern. Und zu den Hohen Feiertagen mieten wir Räume in einem Hotel an«, sagt Hoffer. Zu Rosch Haschana lässt die Gemeinde einen Kantor aus Costa Rica einfliegen. Dann kommen auch sehr viele Touristen, die ihre Ferien auf den Bahamas verbringen, zum Gottesdienst. Vor allem bei US-amerikanischen Urlaubern ist der Archipel sehr beliebt, von Florida braucht man mit dem Flugzeug kaum eine Stunde bis Nassau.
Ein wenig verschlafen wirkt die Hauptstadt mit ihren Kolonialbauten und dem britischen Flair, garniert mit Palmen und tropischer Blütenpracht. Westlich der City, wo sich eine Brücke hinüber zum Ferienzentrum Paradise Island spannt, liegt an der Ecke Shirley Street/Lover’s Lane das durch eine Mauer abgetrennte Areal des jüdischen Friedhofs. Gerade mal zwei Dutzend Gräber gibt es hier, das älteste ist aus dem 19. Jahrhundert, als die Gemeinde ihre Blütezeit erlebte.
Zwischen den Juden von Freeport und Nassau gibt es trotz der gemeinsamen Basis im Reformjudentum nur wenige Berührungspunkte. Knapp eine Flugstunde liegen New Providence und Grand Bahamas auseinander. Für den Beobachter scheinen nicht nur das türkisfarbene Meer, sondern Welten dazwischenzuliegen.

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