zuspruch

Brief an eine Mutter

Liebe Frau Schalit,
vor drei Wochen habe ich einen Sohn zur Welt gebracht. Jetzt, mitten in der Stille der Nacht, höre ich ihn atmen, spüre ihn seufzen, sauge seinen Duft in mich ein. Ich genieße unsere Nähe, liebe es, diesem kleinen zerbrechlichen Menschlein Geborgenheit zu schenken. Es wird immer so sein, denke ich. Wenn er eines Tages erwachsen ist und aus dem Haus geht – er wird wiederkommen. Er wird mein Kind bleiben und ich seine Mutter. Woher nehme ich unverschämterweise diese Sicherheit? Ich ziehe mein Kind in einem der wohl sichersten Länder der Welt auf, in der Schweiz. Hier spürt man nur selten den Terror, Krieg und Hass der Welt. Gelegentlich liest man in der Zeitung davon, aber vom eigenen Leben ist er ganz weit weg.
Vergangene Woche durchdringt jedoch eine Nachricht meine Blubberblase der frühen Mutterschaft: Ich lese, dass der deutsche Geheimdienst BND zwischen der Hamas und der Regierung Israels vermittelt. Es geht um einige Hundert palästinensische Gefangene im Austausch für Gilad Schalit, der vor drei Jahren von der Hamas entführt worden ist. Ich lese, sein Vater reise nicht zu einer Solidaritätskundgebung nach Deutschland, weil er da sein wolle, wenn Gilad nach Hause kommt. So viel Zuversicht, so viel Vertrauen, so viel Hoffnung, denke ich. Und doch auf dem Foto, Frau Schalit, sehen Sie traurig aus, erschöpft und müde. Kann sich jemand auch nur vorstellen, welch großes Leid Sie durchstehen müssen? Geschweige denn, was ihr Sohn an unsäglichen Qualen zu erleiden hat?
Ich frage mich, ob ich wohl den Mut hätte, Mutter zu sein, wenn ich diese Sicherheit nicht hätte. Würde ich in einem Land wie Israel, wo die Bedrohung jeden Tag gegenwärtig ist, genug Vertrauen in die Zukunft haben, um Kinder zu bekommen? Jemanden so sehr zu lieben, dass es schmerzt? Frau Schalit, ich bewundere Ihren Lebenswillen und die Kraft im Kampf, Ihren Sohn zu befreien und nach Hause zu holen! Sie nehmen nicht Abschied, sondern ringen um ihn und gegen das Vergessen der anderen Menschen, gegen die Ignoranz derer, denen er nicht so fehlt wie Ihnen. Und dabei sollte er uns allen fehlen! Jeden Tag, jeden Abend, an dem er nicht nach Hause kommt.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie eines Tages Ihren Sohn wieder in die Arme schließen und ihn beschützen können wie in seinen ersten Lebenstagen. Mögen Sie beide, Sie und Ihr Sohn, die Zeit bis zum Wiedersehen durchstehen! Ich schließe Sie in meine Gebete ein. Mehr kann ich nicht tun und fühle mich hilflos wie dieses kleine Menschlein, das neben mir im Bett liegt. Alles Gute, und mögen Sie gesegnet sein.
Ihre Anne Frenkel

Sydney

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