Auschwitz

Besser durchs KZ?

von Gabriele Lesser

Ausgelöst hat den Streit die unüberlegte Äußerung einer Sprecherin der polnischen Gefängnisverwaltung. »Wir möchten in den Häftlingen das Bewusstsein dafür wecken, wohin die Toleranz des Bösen führen kann. Was für ein furchtbares System man in einer Gesellschaft schaffen kann, die Gewalt und Verfolgung akzeptiert. Die Häftlinge sollen wissen, was in Auschwitz geschah. Das soll eine Schocktherapie sein«, erklärte Luiza Salapa gegenüber der polnischen Tageszeitung Gazeta Wyborcza. Man werde einen eintägigen Besuch in der Gedenkstätte Auschwitz in das Resozialisierungsprogramm für Häftlinge aufnehmen, die den überwiegenden Teil ihrer Strafe bereits verbüßt hätten.
»Das Wort ‚Schocktherapie‘ ist völlig fehl am Platze«, kommentiert Bella Szwarcman, Mitglied der jüdischen Gemeinde in Warschau. »Sicher sind Bildungsveranstaltungen zum Thema Holocaust richtig. Alle Polen sollten etwas darüber wissen, ob Häftlinge oder nicht.« Aber es sei die Frage, ob sich die Häftlinge freiwillig mit dem Thema beschäftigten oder ob es ihnen aufgezwungen werde. »Im zweiten Fall«, so Szwarcman, »kann die ‚Schocktherapie‘ dazu führen, dass die Häftlinge sich mit den Stär- keren im damaligen KZ identifizieren, also mit den SS-Männern. Nach dem Motto: ‚Besser böse und lebendig, als gut und tot.‘«
Auch der Katholik und Vorsitzende des Internationalen Auschwitzrates Wladyslaw Bartoszewski äußert Bedenken: »Als ehemaliger Auschwitzhäftling habe ich Zweifel, ob die Resozialisierung polnischer Strafgefangener darauf beruhen sollte, ihnen noch grausamere Gefängnisse zu zeigen.« Dies um so mehr, als diese Menschen ja meist nur schlecht gebildet seien und die Informationen über Auschwitz auf eine sehr eigene Art interpretieren könnten. Andererseits, räumt Bartoszewski ein, sei es vielleicht doch eine gute Idee, die von der Gefängnisleitung einfach nur schlecht vorgestellt worden sei.
Denn der Direktor der Gedenkstätte Auschwitz willigte in das neue Programm ein. »Wir schicken bereits seit einem Jahr Bildungsmaterial über Auschwitz in die Strafanstalten und haben dort auch schon erste Probeseminare abgehalten«, erklärt Piotr Cywinski. Die Strafgefangenen würden sich auf den Tag in der Gedenkstätte vorbereiten, vor Ort dann das ehemalige KZ besichtigen, Vorträge hören, Dokumentarfilme sehen und an einem Seminar mit Diskussionen teilnehmen.
In polnischen Internetforen wird die Initiative breit abgelehnt. Statt den Gefangenen einen Ausflug zu finanzieren, sollten sie zu schwerer Arbeit angehalten werden, so der Tenor. Womöglich lernten sie in Auschwitz neue Tötungsmethoden kennen. Dann wäre das Gegenteil dessen erreicht, was man beabsichtige. »Nachher will jeder der Kapo sein«, schreibt ein Diskussionsteilnehmer.
Monika Krawczyk hingegen, die Direktorin der Stiftung zur Rettung des Jüdischen Erbes, hält zwar die Idee von einer »Schocktherapie« für abwegig, die Bildungsinitiative aber für eine gute Idee. »Wenn die Chance besteht, Interesse für das Schicksal der Juden zu wecken, sollte man sie ergreifen.«

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  02.12.2025

Thüringen

Verfassungsschutz-Chef schätzt AfD-Jugend als rechtsextrem ein

Die Mitglieder der »Generation Deutschland« würden in ihren ersten Auftritten »weder eine Mäßigung noch eine Distanzierung oder gar Wandlung« zeigen, so Kramer

 02.12.2025

Tel Aviv-Jaffa

Shimon-Peres-Preis wird erstmals in Israel verliehen

60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind der Anlass: Zum ersten Mal wird der Shimon-Peres-Preis für gemeinsame demokratische Vorhaben in Israel feierlich übergeben

von Alexander Riedel  01.12.2025

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Teilnehmer des Mitzvah Day 2016 in Berlin

Tikkun Olam

»Ein Licht für die Welt«

Der Mitzvah Day 2025 brachte bundesweit Gemeinden, Gruppen und Freiwillige zu mehr als 150 Projekten zusammen

 23.11.2025

Hebraica

»Was für ein Buchschatz!«

Stefan Wimmer über die Münchner Handschrift des Babylonischen Talmuds als UNESCO-Weltkulturerbe

von Ayala Goldmann  23.11.2025

TV-Tipp

Oliver Masucci brilliert in dem Mehrteiler »Herrhausen - Der Herr des Geldes«

Biografischer Mehrteiler über Bankier Alfred Herrhausen

von Jan Lehr  17.11.2025

Amsterdam

Chanukka-Konzert im Concertgebouw kann doch stattfinden

Der israelische Kantor Shai Abramson kann doch am 14. Dezember im Amsterdamer Konzerthaus auftreten - allerdings nur bei zusätzlich anberaumten Konzerten für geladene Gäste

 13.11.2025

Meinung

BBC: Diese Plattform für anti-israelische Vorurteile und Extremismus ist nicht mehr zu retten

Der öffentlich-rechtliche Sender Großbritanniens hat sich anti-israelischen Vorurteilen und Extremismus geöffnet. Er braucht dringend Erneuerung

von Ben Elcan  13.11.2025