Bundestag

Bedenklich

von Katrin Richter

Am Tisch von Peter Struck blinkt ein kleines rotes Lämpchen. Da ruft einer an! Schnell greift der SPD-Fraktionschef zum Hörer, nimmt ab und legt gleich wieder auf. Mitten in der Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus hat er keine Zeit für Gespräche.
Es ist Dienstagmorgen, der 27. Januar, kurz nach 11 Uhr. Bundestagspräsident Norbert Lammert steht kerzengerade hinter dem Pult. Er heißt Damen, Herren, Exzellenzen und die Ehrengäste Ernst Cramer und Arno Lustiger willkommen. Ver- treter des Zentralrats der Juden in Deutschland begrüßt er nicht. Denn zum ersten Mal seit der Einführung des sogenannten Holocaust-Gedenktages vor 13 Jahren nimmt kein Vertreter der Organisation an der Gedenkstunde teil. Der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan J. Kramer, sagte zur Begründung für das Fernbleiben, es sei »respektlos und widersprüchlich zum eigentlichen Geist der Veranstaltung«, dass die Vertreter des Zentralrats, die den Holocaust überlebt hatten, kein einziges Mal persönlich begrüßt worden seien. Den Bitten, das Protokoll dementsprechend zu ändern, sei der Bundestag nicht nachgekommen. Lammert und sein Vorgänger Wolfgang Thierse (SPD) zeigten sich überrascht von der Absage. Der Vorwurf, man habe die Vertreter des Zentralrats in der Vergangenheit nicht begrüßt, sei unverständlich und bedauerlich. Auch die Einschätzung, Schoa-Überlebende wären wie Zaungäste behandelt worden, sei nicht nachvollziehbar.
Doch der Eklat ist in der Welt. Die Redner im Bundestag gehen aber auf diesen Vorfall nicht ein. Auch Lammert nicht. Einige Gesichter der Abgeordneten wirken versteinert. Die einen haben die Hände gefaltet, andere rollen mit dem Stuhl langsam vor und zurück, manche haben die Arme vor dem Körper verschränkt und schauen auf das weiße Heft, in dem der Ablauf der Gedenkstunde nachzulesen ist. Lammerts mahnt, wachsam zu sein, »wenn wir demokratische Regeln gefährdet sehen oder wenn Menschen Opfer von ideologisch motivierter Gewalt werden«.
Dann sind vier Schülerinnen der Berliner Sophie-Scholl-Oberschule an der Reihe. Sie lesen Passagen aus Kinder über den Holocaust. Schilderungen, die den Abge- ordneten offenkundig nahegehen. Plötzlich werden Köpfe bewegt und Hände ungläubig vor Münder gehalten. Das Gehörte lässt keinen kalt.
So atmet auch Bundespräsident Horst Köhler noch einmal tief durch, bevor er mit seiner Rede beginnt. Ganz leise tut er es, mit der Beschreibung eines Ortsschildes am Mannheimer Bahnhof. Von dort aus wurden mehr als 6.000 Juden in ein Internierungslager im französischen Ort Gurs deportiert. Mannheimer Jugendliche waren es, die sich für das Hinweisschild erfolgreich einsetzten. Denn in einer Zeit, in der es immer weniger Zeitzeugen gebe, so Köhler, werden »eines Tages die jungen Menschen, die heute den Alten zuhören, die unmittelbarsten Träger der Erinnerung in Deutschland sein«. Dass sich junge Menschen für die deutsche Geschichte interessieren, zeigt auch die anschließende Diskussionsrunde mit Teenagern aus Deutschland, Polen und Frankreich. Sie stellen Norbert Lammert Fragen, die den Bundestagspräsidenten nachdenklich stimmen. Was ist mit der Schuldfrage? Wie war das damals mit der Verjährung von Nazi-Verbrechen? Warum wird die NPD nicht verboten?
Aber nicht nur drinnen wird diskutiert. Auch vor dem Reichstag, vor dem wie jeden Tag Berlin-Besucher Schlange stehen, um die Glaskuppel zu besichtigen, werden Fragen gestellt. Was denn da heute los sei, möchte ein Mann aus Köln wissen und zeigt auf die Abgeordneten, die langsam aus dem Plenarsaal kommen. Etwa eine Sitzung? Eine Gedenkstunde! Ach, wofür denn? Es wird an den Holocaust erinnert. »Na wenigstens ist das Haus mal voll.« Fast voll. Denn der Platz für einen Vertreter des Zentralrats der Juden in Deutschland blieb frei.

Amsterdam

Chanukka-Konzert im Concertgebouw kann doch stattfinden

Der israelische Kantor Shai Abramson kann doch am 14. Dezember im Amsterdamer Konzerthaus auftreten - allerdings nur bei zusätzlich anberaumten Konzerten für geladene Gäste

 13.11.2025

Meinung

BBC: Diese Plattform für anti-israelische Vorurteile und Extremismus ist nicht mehr zu retten

Der öffentlich-rechtliche Sender Großbritanniens hat sich anti-israelischen Vorurteilen und Extremismus geöffnet. Er braucht dringend Erneuerung

von Ben Elcan  13.11.2025

Raubkunst

Zukunft der Bührle-Sammlung ungewiss

Die Stiftung Sammlung E. G. Bührle hat ihren Stiftungszweck angepasst und streicht die Stadt Zürich daraus

von Nicole Dreyfus  10.11.2025

Geiseldeal

Itay Chen ist wieder in Israel

Die Leiche des 19-jährigen, israelisch-amerikanischen Soldaten wurde am Dienstagabend von Terroristen der Hamas übergeben

 05.11.2025

Jerusalem

Nach Eklat in Jerusalem: Westfälische Präses setzt auf Dialog

Projekte, Gedenkorte und viele Gespräche: Die Theologin Ruck-Schröder war mit einer Delegation des NRW-Landtags fünf Tage in Israel und im Westjordanland. Angesichts der Spannungen setzt sie auf dem Weg zur Verständigung auf Begegnungen und Dialog

von Ingo Lehnick  06.11.2025 Aktualisiert

Terror

Hamas übergibt erneut Leichen an Rotes Kreuz

Die Hamas hat dem Roten Kreuz erneut Leichen übergeben. Ob es sich bei den sterblichen Überresten in drei Särgen wirklich um Geiseln handelt, soll nun ein forensisches Institut klären

 02.11.2025

Augsburg

Josef Schuster und Markus Söder bei Jubiläumsfeier von jüdischem Museum

Eines der ältesten jüdischen Museen in Deutschland feiert in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen. Das Jüdische Museum Augsburg Schwaben erinnert mit einer Ausstellung an frühere Projekte und künftige Vorhaben

 29.10.2025

Interview

»Wir sind für alle Soldaten da«

Shlomo Afanasev ist Brandenburgs erster orthodoxer Militärrabbiner. Am Dienstag wurde er offiziell ordiniert

von Helmut Kuhn  29.10.2025

Bayern

Charlotte Knobloch kritisiert Preisverleihung an Imam

Die Thomas-Dehler-Stiftung will den Imam Benjamin Idriz auszeichnen. Dagegen regt sich nicht nur Widerstand aus der FDP. Auch die 93-jährige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Münchens schaltet sich nun ein

von Michael Thaidigsmann  29.10.2025