sorgen

Balsam für die Seele

Von einem Tag auf den anderen ist alles anders. »Kurz vor ihren Abschlussprüfungen konnte unsere Tochter nicht mehr«, er-
zählen Olga und Michael Lewin (alle Namen geändert). Ihre Tochter Anna, die bis zu diesem Zeitpunkt im Studium zu den besten ihres Jahrgangs zählte, brach ihre Ausbildung in Moskau ab. Es falle ihr mittlerweile schon schwer, morgens aufzustehen. Sie sehe noch genauso aus wie früher, doch ihr Inneres habe sich stark verändert, berichten die Eltern. Anna sei nun schwer zugänglich, überwiegend gereizt und immer schnell überfordert. Jede Betätigung sei noch heute ein Kraftakt für die Endzwanzigerin.
Die Lewins verzweifelten und bemühten sich um eine Emigration nach Deutschland, in der Hoffnung, dass die Mediziner ihr hier helfen könnten. Und als sie hörten, dass die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWSt) das Projekt »Integration von Menschen mit geistiger oder psychischer Behinderung in das jüdische Gemeindeleben« auf die Beine stellten, nahmen sie gleich an einem Treffen teil.

Abbruch Ebenfalls verzweifelt ist Katja Andropova, alleinerziehende Mutter, die ebenfalls aus der ehemaligen Sowjetunion stammt. Ihre Tochter Jana studierte am Musikkonservatorium Klavier und geriet so sehr unter Leistungsdruck, dass sie plötzlich ihr Studium abbrechen musste. Sie litt unter Versagensängsten. Die Mutter suchte Hilfe und wandte sich an die ZWSt, erzählt Projektleiter Michael Bader. Für die Angehörigen von psychisch Erkrankten sei es häufig schwer, Unterstützung zu finden und anzunehmen.
Das will die ZWSt nun ändern und hat ein mobiles Beratungszentrum für Menschen mit geistiger oder psychischer Behinderung eingerichtet, das die örtlichen Sozialabteilungen unterstützen soll. Menschen mit Behinderung, Angehörige und Sozialabteilungen erhalten nun von vier zusätzlichen Sozialarbeitern Hilfe. Das mobile Beratungszentrum wird im gesamten Bundesgebiet zum Einsatz kommen. Eine zentrale Telefonnummer ist bei der ZWSt freigeschaltet.

konzept Und so soll es dann ablaufen: Ein Ratsuchender ruft an. Sein Anliegen wird von einem Mitarbeiter aufgenommen und an einen Sozialarbeiter weitergeleitet, der Kontakt mit dem Anrufer aufnimmt. Auf Wunsch wird die Sozialabteilung der zuständigen jüdischen Gemeinde informiert und gemeinsam nach einer Lösung gesucht. Manchmal reicht eine telefonische Beratung. Aber es kann auch ein persönliches Gespräch stattfinden. »Wichtig ist uns, dass die Sozialabteilungen der Ge-
meinden mit dabei sind«, sagt Dinah Ko-
han, Mitarbeiterin des ZWSt-Projektes.
Dass es einen sehr großen Beratungsbedarf insbesondere bei depressiven Menschen und deren Angehörigen gibt, hat die ZWSt durch die Auswertung ihrer wissenschaftlichen Befragung festgestellt. Ein Problem sei jedoch, so Bader, dass in den meisten Fällen die Diagnose »psychische Behinderung« erst bei Volljährigen ausgesprochen würde. Sie führten dann schon ein selbstständiges Leben und hätten große Schwierigkeiten, ihre Krankheit und die ihnen angebotenen Hilfsangebote anzunehmen, sagt Michael Bader.

hilfe Für depressive Menschen und deren Angehörige sind Anlaufstellen oft schwer zu finden. Die Schwierigkeiten fingen schon damit an, einen guten, geeigneten Psychiater zu finden, der seinen Patienten aufmerksam zuhöre, hat Projektmit-
arbeiterin Dinah Kohan beobachtet. Patienten wie Angehörige seien oft hoch qualifiziert in ihrer Heimat gewesen, fänden aber in Deutschland selten Arbeit. Die Menschen mit Depressionen können oft ein Hochschulstudium oder einen höheren Schulabschluss vorweisen.
Doch während es für geistig Behinderte beschützende Werkstätten gebe, fänden depressive Menschen in Deutschland aufgrund ihrer Erkrankung kaum einen Ar-
beitsplatz. Hinzu komme, dass gerade Zu-
wanderer, die unter psychischen Problemen leiden, doppelt gehandicapt sind. Ihre sprachlichen und kulturellen Barrieren erforderten deshalb eine besonders sensible und meist russischsprachige Beratung.
Im Frühjahr 2010 soll in Frankfurt eine Wohngruppe für jüdische behinderte Menschen aufgebaut werden. Sie wird in Zu-
sammenarbeit zwischen der ZWSt, der jüdischen Gemeinde und der Behindertenhilfe des Internationalen Bundes für Sozialarbeit entstehen, kündigt Bader an. Darüber hinaus werden Tagungen und Bildungs-
urlaube angeboten. Viktoria Viprinski, Psychiaterin, die selbst aus der Sowjetunion stammt und sich auf Probleme der Zuwanderer spezialisiert hat, ist bei den Tagungen anwesend und bietet Beratungen an.

Terror

Hamas gibt die Leichen von Tamir Nimrodi, Uriel Baruch und Eitan Levy zurück

Die vierte Leiche ist ein Palästinenser

 15.10.2025 Aktualisiert

München

Friedman fordert Social-Media-Regulierung als Kinderschutz

Hass sei keine Meinung, sondern pure Gewalt, sagt der Publizist. Er plädiert für strengere Regeln

 10.10.2025

Waffenruhe

»Wir werden neu anfangen, egal, wie schwer es ist«

Im Gazastreifen feiern die Menschen die Aussicht auf ein Ende des Krieges

 09.10.2025

Perspektive

Wir lassen uns nicht brechen – Am Israel Chai! 

Ein Zwischenruf zum 7. Oktober

von Daniel Neumann  06.10.2025

Berlin

Preis für Zivilcourage für Brandenburger Bürgermeisterin

Christine Herntier wird für ihr Engagement gegen Rechtsextremismus vom »Denkmal für die ermordeten Juden Europas« und der Jüdischen Gemeinde zu Berlin ausgezeichnet

 01.10.2025

Terror

»Das Einfühlungsvermögen für Juden ist aufgebraucht«

Die Berliner Psychologin Marina Chernivsky zieht eine bittere Bilanz nach dem 7. Oktober

von Franziska Hein  30.09.2025

Nahost

Die Knackpunkte in Trumps Friedensplan

Netanjahu stellt sich hinter Trumps Plan für ein Ende des Gaza-Kriegs. Doch darin gibt es noch viele unklare Stellen

von Anna Ringle, Cindy Riechau  30.09.2025

Gaza/Jerusalem

Hamas fordert Feuerpause - Leben zweier Geiseln bedroht

Laut Kassam-Brigaden sei der Kontakt zu den beiden abgebrochen

 28.09.2025

New York/Teheran

Iran-Sanktionen wieder in Kraft

DIG und iranische Oppositionelle im Exil begrüßen die Entscheidung

 28.09.2025