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Auf Wiedervorlage

Erst rutschte das Thema immer weiter ans Ende der Tagesordnung, fiel dann, nachdem vorne viel debattiert worden war, hintenüber und landete schließlich wieder ganz oben auf der parlamentarischen To-do-Liste: »Tagesordnungspunkt vertagt«. Der unscheinbare Vorgang in der vergangenen Woche im Innenausschuss des Bundestages ist der vorläufig letzte Stand eines politischen Vorhabens, das noch vor acht Monaten verkündet wurde: Alle Fraktionen hatten am 4. November 2008, kurz vor dem 70. Jahrestag der Reichspogromnacht, die Regierung aufgefordert, ein Gremium aus Wissenschaftlern und Praktikern zu beauftragen, das in regelmäßigen Abständen einen Bericht zum Antisemitismus in Deutschland erstellen und Empfehlungen geben sollte, wie der Judenhass effektiv bekämpft werden kann.
Die Frage nach der Umsetzung dieses Vorhabens ist nun in die parlamentarische Sommerpause hinein verschoben worden – auf eine Sondersitzung des Innenausschusses am 26. August, zu der die Parlamentarier kurz aus dem Wahlkampf anreisen wollen. Dann soll über den Stand der Dinge gesprochen werden. Das Gremium einzusetzen, wäre Aufgabe des Bundesinnenministeriums. Einige Abgeordnete stellen nun die Frage, weshalb es noch immer nicht aktiv geworden ist. Ob der Expertenausschuss überhaupt noch in dieser Legislaturperiode Gestalt annehmen wird, ist fraglich.

aussitzen »Wir erfahren nichts«, beklagt Jerzy Montag von den Grünen und kritisiert: »Selbst bei der gebotenen, sorgfältigen Vorgehensweise hätte das Innenministerium dieses Gremium längst installiert haben müssen.« Stattdessen sei es dabei, das Thema schlicht »auszusitzen«, sagt Petra Pau (Linke). Es ist abzusehen, dass sich der Bundestags-Beschluss am kommenden 4. November zum ersten Mal jähren wird, ohne dass er umgesetzt wurde. »Dabei geht es hier um ein gesellschaftliches Problem, das drängt«, betont Pau. Die Expertise des geplanten Gremiums könne da hilfreich sein. Auch die FDP und die SPD kritisieren das Innenministerium.
Die CDU/CSU hingegen hatte sich bereits im vergangenen Jahr eigenständig positioniert. Die Etablierung eines Bundes- beauftragten gegen Antisemitismus, die ursprünglich statt eines Gremiums gefordert wurde, lehnte die Union damals unter Verweis auf eine angeblich drohende »Inflation der Beauftragten«, wie Hans-Peter Uhl (CSU) es formulierte, ab. Statt eines Beauftragen soll nun also, weniger medienwirksam, ein Gremium geschaffen werden: ein eher loser Kreis von unabhängigen Fachleuten, der in größeren Abständen zusammentritt und Berichte vorlegt. Zur Frage, warum das Gremium noch nicht gebildet wurde, möchte sich Uhl derzeit nicht äußern.

berufung Wer in dieses Gremium berufen wird, darüber sollen, so die gegenwärtige Planung, das Bundesinnenministerium und die Mitglieder des Innenausschusses je zur Hälfte entscheiden. Die Politik wird dem Gremium einen organisatorischen Rahmen geben. Welches inhaltliche Programm sich die Runde aber anschließend vornimmt, werden die Gremiumsmitglieder selbst bestimmen – weshalb ihrer Auswahl eine entscheidende Bedeutung zukommt. Genau hiermit ist die Politik, auch acht Monate nach dem Beschluss des Bundestages, offenbar noch immer beschäftigt.
Das Bundesinnenministerium antwortete im Mai auf eine Nachfrage von Petra Pau, das Gremium werde »voraussichtlich im ersten Halbjahr 2009« ins Leben gerufen. Noch müsse man »Gespräche hinsichtlich der Besetzung« führen. Doch schon im Mai war jenes Halbjahr fast vorbei. Charlotte Knobloch, Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, moniert entsprechend: »Aus gegebenen Anlässen ist es dringend notwendig, dass die Bundesregierung ein Expertengremium ernennt, das im Kampf gegen den Antisemitismus Richtlinien erarbeitet und eine Konferenz zum Thema Antisemitismus einberuft.«

warten Von Seiten des Bundestages wurden inzwischen schon Vorschläge für die Besetzung des Gremiums gemacht. Die Grünen haben Anetta Kahane, die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, vorgeschlagen. Bei der SPD soll der Abgeordnete Gert Weisskirchen im Gespräch sein.
Auch das Bundesinnenministerium hatte bei mehreren Fachleuten angefragt, unter anderem beim Potsdamer Historiker Julius Schoeps, dem Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien. Doch auch Schoeps sagt, dass er von dort nichts Konkretes mehr gehört hat. Auf Anfrage der Jüdischen Allgemeinen teilte das Innenministerium mit, daran werde weiterhin gearbeitet. Für die nächste Woche ist nun endlich eine Stellungnahme angekündigt.

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