Stockholm

Auf einer Wellenlänge

von Katharina Schmidt-Hirschfelder

Für Stockholms jüdische Gemeinde ist es eine historische Entscheidung. Die seit Monaten ausgeschriebene Rabbinerstelle in der Stockholmer Einheitsgemeinde ist nach langem Suchen an Chava Koster, konservative Rabbinerin aus New York, vergeben. Die 46-jährige Amerikanerin mit holländischen Wurzeln ist promovierte Linguistin und hat einen Masterabschluss in Jüdischen Studien. Sie spricht acht Sprachen, darunter Deutsch, Jiddisch und Ladino. Wirklich gerechnet hatte niemand mit ihr. Dass sich der Gemeinderat mehrheitlich für die einzige weibliche Kandidatin ausgesprochen hat, gleicht einer Revolution. Denn trotz der legendären schwedischen Reformfreudigkeit war eine weibliche Kandidatin für das Rabbineramt heftig umstritten. Selbst im Musterland der Gleichberechtigung.
Zwei von ursprünglich drei infrage kommenden Rabbineranwärtern hatten Anfang Mai ihre Bewerbungen zurückgezogen. So blieb Chava Koster als einzige Kandidatin übrig. Ein prekäres Dilemma bei der Bewerbersuche für die jüdische Gemeinde. Da traf es sich gut, dass kurzfristig noch ein weiterer Rabbiner auf Stellensuche auftauchte. Yosef Kleiner aus dem israelischen Rehovot, 44 Jahre alt, verheiratet, drei Kinder, mit erstklassigen Referenzen vom Seminario Rabinico Latinoamericano aus Buenos Aires, das zum internationalen Verband konservativer Gemeinden Masorti gehört. Dennoch hätte das Rennen kaum kontrastreicher sein können. Denn Kleiner polarisierte.
Kein Wunder, dass die Entscheidung mit Hochspannung erwartet wurde. Dass Koster das Potenzial mitbringt, die heterogene Gemeinde zu einen, hatte sie mit ihrer Probepredigt Ende Mai deutlich gezeigt. So voll wie an jenem Schabbat ist die Große Synagoge in der Wahrendorffsgatan sonst nur am Jom Kippur. Sämtliche Gebetsbücher – vergriffen. Selbst die Empore war bis auf den letzten Platz besetzt. Alle wollten die Rabbinerin aus New York hören.
Sie brauchte ein wenig Anlauf, um sich warmzureden. Ausgehend von der Bedeutung der »Berge in der Tora« spannte sie ihren philosophischen Bogen über Höhen und Tiefen des Lebens weiter bis zum Schabbat als »Gipfel in der Zeit«. Wer sich davon nicht angesprochen fühlte, horchte bei Kosters Geschichten auf. Wie die über Louis Finkelsteins Besuch beim Bostoner Dirigenten Serge Koussevitsky. Seine Ablehnung nichtkoscherer Kekse hatte Finkelstein dem verdutzten Dirigenten mit einer Metapher begründet. Judentum sei eine »religiöse Symphonie«. Schon das Fehlen einer einzigen Note »verderbe die Schönheit der ganzen Komposition«. Spätestens hier hatte Koster auch den letzten Zuhörer erreicht. Intellektuell, spirituell und menschlich. »Sie passt gut zu uns«, raunte es durch die Reihen der Beter.
Als drei Wochen später dann Yosef Kleiner anreiste, um sich der Stockholmer Gemeinde vorzustellen, waren die Erwartungen hoch. Für einen Moment lang sah es fast so aus, als würde der lebhafte Rabbiner aus Rehovot die nachhaltig positive Erinnerung an Chava Koster in den Schatten stellen. Doch dann geschah etwas Überraschendes. Es wollte einfach nicht funken zwischen Kleiner und den Stockholmern. Dabei hatte er sich mächtig ins Zeug gelegt. Seine temperamentvolle Gastpredigt zum Wochenabschnitt Beha›alotcha» glich einem Rollenspiel, das mitreißen sollte, von vielen jedoch als unpassend empfunden wurde. Die Mienen im Publikum blieben versteinert. «Zu kabbalistisch für meinen Geschmack», kommentierte eine ältere Dame befremdet. «Er spricht nicht unsere Sprache», wunderte sich ein junger Vater später beim Kiddusch.
Rabbiner Kleiner hatte sich zudem ablehnend auf die Frage geäußert, ob Kinder nichtjüdischer Mütter weiterhin die jüdische Schule besuchen dürften. Auch Kleiners Ansichten zu Homosexualität passten so gar nicht ins schwedische Konzept, wo gerade die bürgerliche Regierung homosexuelle Partnerschaften mit heterosexuellen Ehen rechtlich gleichstellt. In Schweden, dem Musterland von Gleichberechtigung und Liberalität, eine unangefochtene Selbst-
verständlichkeit.

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