ausstellung

Auf den zweiten Blick

Ein sanftes Rauschen erfüllt den Raum. So, als ob zwar leise, aber stetig Regen fällt. Dazu passen die Bilder, die auf eine Wand projiziert werden, sich dort, wie von leichter Hand ineinanderfügen: Menschen in luftiger Sommerkleidung bewegen sich in Zeitlupe im Schatten einer Mauer, umhüllt von einem feinen Nebel aus Wassertropfen, die auf ihrer Haut perlen, auf ihren T-Shirts, auf ihren Einkaufstaschen. Sie scheinen auf den Regen gewartet zu haben: Behaglich räkeln sie sich, manche legen den Kopf in den Nacken und schließen die Augen, während ihr Gesicht von einer dünnen Schicht aus Feuchtigkeit überzogen wird – Bilder der Erlösung, von religiöser Inbrunst.
Canicule, Paris 2003 – Hundstage, Paris 2003 heißt die Arbeit der israelischen Videokünstlerin Nira Pereg, bis 8. August zu sehen im Edith-Ruß-Haus für Medienkunst in Oldenburg. Es ist eine eher kleine Werkschau aus drei raumgreifenden Filmprojektionen und zwei begleitenden Fotoserien, die es aber in sich haben: Denn die 1969 in Tel Aviv geborene Pereg erweist sich als eine Meisterin der leisen Irritation. Sie ruft dazu auf, genau hinzuschauen. Und so wie ihre Projektionen bald den Blick schärfen, ist man nur bereit, den kleinen Unstimmigkeiten, die einem auffallen, nachzugehen: Warum scheint offenbar die Sonne so gleißend, wenn es doch regnen soll? Warum fällt der Regen so sanft? Und was sind das für Schläuche und Rohre, die kurz unten ins Bild rücken?
Gedreht hat Nira Pereg diese Straßen-szene in Paris im Sommer 2003. Ganz Westeuropa, besonders Frankreich, litt seinerzeit unter extrem heißen Temperaturen und ausbleibendem Regen. Zwischen Lille und Marseille starben Hunderte von älteren Menschen an Austrocknung. Von dieser Katastrophe ist zunächst nichts zu spüren. Doch auf den dritten, vierten, vielleicht auch erst fünften Blick fällt dem Betrachter auf, dass es ausschließlich junge Menschen sind, die sich in den Wassernebel stellen, den die Stadtverwaltung damals mittels mobiler Sprenkleranlagen herstellen ließ; die sich sanft um ihre eigene Achse drehen, bis schließlich Kinder auftauchen. Sie spreizen die Finger zum Victoryzeichen, als seien sie auf einem Rockkonzert. Sie alle beherrschen die Gesten des lockeren Lebens; sie, die jung sind, sie scheuen sich nicht, ihre Kleidung der Nässe auszusetzen. Und so haben sie die besten Chancen, heil durch diesen Sommer zu kommen. Die, die um sich fürchten müssen, sie sieht man nicht.
Auch Peregs eindrucksvolle Arbeit Sabbath, Jerusalem, 2008 arbeitet mit Mitteln der Verfremdung wie der Zeitlupentechnik. So erzeugt sie vom ersten Moment an eine Spannung zwischen dokumentarischer Kühle, visueller Mediation und zunehmender Irritation. In einer gut siebenminütigen Filmschleife zeigt sie die Schlie- ßung des von dem Avantgarde-Architekten Zvi Hecker gebauten Jerusalemer ultraorthodoxen Viertels Ramot Polin an Schabbat. Gitter werden scheppernd über die Straßen gezogen und ineinander gehakt, letzte Autos durchgewunken. Männer schreiten auf die noch verkehrsreichen Kreuzungen und geben sich untereinander tonlos Anweisungen. Still trennt sich Jerusalem in eine säkulare und eine sakrale Stadt. Pereg hat ihren Film nachvertont, so- dass die Geräusche wie das Scheppern von Metall auf Asphalt und das Hupen der Autos seltsam träge hinterherhallen. Es ist eine unwirklich wirkliche Welt, die Pereg zeigt, Bilder, die im Kopf des Betrachters noch lange bleiben. Frank Keil-Behrens

Geiseldeal

Itay Chen ist wieder in Israel

Die Leiche des 19-jährigen, israelisch-amerikanischen Soldaten wurde am Dienstagabend von Terroristen der Hamas übergeben

 05.11.2025

Jerusalem

Nach Eklat in Jerusalem: Westfälische Präses setzt auf Dialog

Projekte, Gedenkorte und viele Gespräche: Die Theologin Ruck-Schröder war mit einer Delegation des NRW-Landtags fünf Tage in Israel und im Westjordanland. Angesichts der Spannungen setzt sie auf dem Weg zur Verständigung auf Begegnungen und Dialog

von Ingo Lehnick  06.11.2025 Aktualisiert

Terror

Hamas übergibt erneut Leichen an Rotes Kreuz

Die Hamas hat dem Roten Kreuz erneut Leichen übergeben. Ob es sich bei den sterblichen Überresten in drei Särgen wirklich um Geiseln handelt, soll nun ein forensisches Institut klären

 02.11.2025

Augsburg

Josef Schuster und Markus Söder bei Jubiläumsfeier von jüdischem Museum

Eines der ältesten jüdischen Museen in Deutschland feiert in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen. Das Jüdische Museum Augsburg Schwaben erinnert mit einer Ausstellung an frühere Projekte und künftige Vorhaben

 29.10.2025

Interview

»Wir sind für alle Soldaten da«

Shlomo Afanasev ist Brandenburgs erster orthodoxer Militärrabbiner. Am Dienstag wurde er offiziell ordiniert

von Helmut Kuhn  29.10.2025

Bayern

Charlotte Knobloch kritisiert Preisverleihung an Imam

Die Thomas-Dehler-Stiftung will den Imam Benjamin Idriz auszeichnen. Dagegen regt sich nicht nur Widerstand aus der FDP. Auch die 93-jährige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Münchens schaltet sich nun ein

von Michael Thaidigsmann  29.10.2025

Jerusalem

Karin Prien in Yad Vashem: »Jedes Mal für mich erschütternd«

Bei ihrer Israel-Reise erinnert die Bildungsministerin an die Millionen Opfer des Holocaust. Der Moment berührt die CDU-Politikerin auch aus einem persönlichen Grund

von Julia Kilian  28.10.2025

Bildungsministerin

Karin Prien reist nach Israel

Die CDU-Ministerin mit jüdischen Wurzeln will an diesem Sonntag nach Israel aufbrechen. Geplant sind Treffen mit dem israelischen Bildungs- und Außenminister

 26.10.2025

München

Paul Lendvai: »Freiheit ist ein Luxusgut«

Mit 96 Jahren blickt der Holocaust-Überlebende auf ein Jahrhundert zwischen Gewalt und Hoffnung zurück. Besorgt zeigt er sich über die Bequemlichkeit der Gegenwart - denn der Kampf »gegen das Böse und Dumme« höre niemals auf

 21.10.2025