Einspruch

Kunst der Kompromisse

Rabbiner Julian-Chaim Soussan Foto: Marco Limberg

Auch wenn es manchmal nicht so scheint – man weiß ja, zwei Juden, drei Meinungen –, das Judentum betont stets die Bedeutung des Kompromisses. Das zeigt beispielsweise der Blick in den Talmud: Dort wird gestritten, aber nicht über Grundsätzliches, sondern ums Detail. Und am Ende steht eine demokratisch gefasste Entscheidung. Frieden ist eben nicht die Abwesenheit von Konflikt, sondern die Verbindung von Gegensätzen zu einem Ganzen.

Nun trafen bei den Berliner Jamaika-Sondierungen nicht nur zwei gegensätzliche Positionen aufeinander, sondern Vertreter von vier Parteien. Daraus ein Ganzes zu machen, war von vornherein eine schwierige Mission. Dennoch: Bislang galt, dass Verhandlungen zu einer Regierungsbildung führten. In Kiel und Hannover hat man es zuletzt vorgemacht. In Jerusalem gab es wohl seit Gründung des jüdischen Staates keine Regierung ohne mindestens drei, häufig gar bis zu sechs sehr unterschiedliche Koalitionäre.

rechtspopulisten Klar ist: Deutschland benötigt eine stabile Regierung, und zwar bald. Nicht zuletzt wegen der im Wahlkampf deutlich gewordenen tiefen Gräben in der Gesellschaft braucht das Land eine Politik, die eine Verbindung der Gegensätze zu einem Ganzen innerhalb der Demokratie schafft. Wenn es nicht gelingt, sich auf Kompromisse zu einigen, wird es vor allem Gewinner an den politischen Rändern geben, die Rechtspopulisten werden noch mehr Zulauf erhalten.

Bundespräsident Steinmeier hat die Parteien an ihre Verpflichtung gegenüber dem Gemeinwohl erinnert. Sie sollten nochmals innehalten und ihre Position überdenken, forderte er. Den Auftrag zur Regierungsbildung könnten sie nicht einfach an die Wählerinnen und Wähler zurückgeben.

Parteien müssen aufeinander zugehen, Gemeinwohl über das Parteiinteresse stellen. Politik ist die Kunst des Kompromisses. Jetzt – wie auch nach hoffentlich vermeidbaren Neuwahlen – gilt: Man kann seinen Prinzipien treu bleiben und gleichzeitig einen Kompromiss finden.

Der Autor ist Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Frankfurt/Main.

Befreiung des KZ Dachau

»Ein bestimmtes Milieu will von der Verantwortung für Israel nach der Schoa nichts mehr wissen«

Heute vor 79 Jahren wurde das Konzentrationslager Dachau befreit. Zentralratspräsident Josef Schuster hielt bei der Gedenkveranstaltung eine Rede, die wir hier dokumentieren

von Josef Schuster  05.05.2024

Berlin

Schuster warnt vor amerikanischen Verhältnissen an deutschen Unis

Jüdische Studenten sind seit Monaten vom steigenden Antisemitismus betroffen

 05.05.2024

Berlin

Jude (54) beleidigt und mit E-Scooter attackiert

Der Täter brüllte seinem Opfer »Free Palestine« entgegen

von Nils Kottmann  05.05.2024

Gedenkstätte Bergen-Belsen

»52.000 Tote, jeder mit einem Namen und einem Leben voller Hoffnungen«

Am Sonntag wurde in der Gedenkstätte Bergen-Belsen der 79. Jahrestag der Befreiung mit einer Gedenkzeremonie begangen

 05.05.2024

"Tsunami des Hasses"

Antisemitismus nimmt weltweit stark zu

Schockierender Anstieg: Tel Aviv Universität und Anti-Defamation League veröffentlichen Antisemitismusbericht 2023

von Sabine Brandes  05.05.2024

Hamburg

1000 Menschen bei Anti-Kalifat-Demo

Der Protest sollte ein Zeichen gegen den Islamisten-Aufmarsch sein, der vor einer Woche die Einführung eines Kalifats und der Scharia gefordert hatte

 05.05.2024

Berlin

Mann wird wegen Israelfahne ins Gesicht geschlagen und beraubt

Der 34-Jährige trug die Flagge wie ein Gewand, als ein Mann ihn attackierte

 05.05.2024

Antisemitische Proteste

Bildungsministerin fordert von Unis konsequentes Vorgehen

Die Universitätsleitungen müssten konsequent von ihrem Hausrecht Gebrauch machen, so die Ministerin

 04.05.2024

Kommentar

Zeit für ein Machtwort, Herr Woidke!

Brandenburg hat immer noch keinen Antisemitismusbeauftragten - dabei ist der jüngste Verfassungsschutzbericht alarmierend

von Michael Thaidigsmann  03.05.2024