Demokratie

»Äußerst beunruhigend«

Zentralratspräsident Josef Schuster Foto: Thomas Lohnes

Herr Schuster, Sie haben in einer ersten Reaktion auf den Ausgang der Landtagswahlen von einem »erschreckenden Rechtsruck« gesprochen. War der so zu erwarten?
In Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg entsprechen die Ergebnisse etwa den Umfragen, aber in Sachsen-Anhalt hat die AfD zu meiner großen Bestürzung deutlich mehr Stimmen erhalten als erwartet. Die Analysen zeigen, dass offenbar viele Bürger vor allem aus Protest gegen die etablierten Parteien AfD gewählt haben. Das entschuldigt in meinen Augen aber nichts. Ein mündiger Bürger sollte sich klarmachen, welche Ziele die Partei hat, die er wählt. Die AfD hat viele Ressentiments bedient und damit leider Erfolg gehabt. Das ist erschreckend und äußerst beunruhigend.

Wie sollten die etablierten Parteien jetzt mit der AfD umgehen?
Die demokratischen Parteien müssen die Ängste und Sorgen der Bevölkerung ernst nehmen und sich ihren Fragen stellen, ohne sich populistisch anzubiedern. Mut zu einem eigenen Profil gehört sicherlich auch dazu. Ich bin überzeugt, dass sich in der parlamentarischen Arbeit in den Landtagen zeigen wird, dass die AfD nicht in der Lage ist, tatsächlich Lösungen für politische Probleme zu finden.

Erwarten Sie, dass sich die AfD im politischen System etabliert?
Ich sehe durchaus die Gefahr, dass die AfD ihre Basis festigen kann. Erst die Euro-Krise, jetzt die Flüchtlingskrise: Es wird immer wieder Themen geben, die die Menschen aufwühlen oder verunsichern. Es besteht weiterhin die Gefahr, dass die AfD sich diese Stimmungen zunutze macht, egal auf wessen Kosten.

Im Entwurf des neuen AfD-Parteiprogramms wird angeblich ein Verbot der Beschneidung und des Schächtens gefordert. Wie bewerten Sie das?
Die AfD versucht, eine Debatte von gestern neu zu beleben, und übersieht offenbar, dass wir eine gute gesetzliche Regelung für die Beschneidung gefunden haben. Zum Schächten gibt es ebenfalls längst einen Konsens. Sollte der Entwurf tatsächlich als Parteiprogramm beschlossen werden, zeigt sich damit endgültig, dass die AfD ebenso Hass auf Juden schürt wie auf Muslime. Niemand darf sich davon täuschen lassen, wenn bei Kundgebungen der AfD Israelfahnen zu sehen sind oder vom christlich-jüdischen Abendland geredet wird.

Wie finden Sie es, dass auch Juden für die AfD kandidiert haben?
Wie Sie sich denken können, stimmt mich das nicht froh. Vermutlich haben auch sie sich blenden lassen von der Rhetorik der AfD, die häufig sogar Juden umschmeichelt, um Muslime als gemeinsamen Feind abzustempeln. Doch damit wird die AfD nur bei Einzelnen Erfolg haben. Die jüdische Gemeinschaft in Deutschland ist nicht islamfeindlich eingestellt. Wir haben zwar Sorgen bezüglich eines importierten Antisemitismus, doch wir fordern einen respektvollen Umgang mit allen Religionen im Land, insbesondere mit den Schwächsten der Gesellschaft, zu denen momentan sicherlich die Flüchtlinge gehören.

Mit dem Präsidenten des Zentralrats der Juden sprach Detlef David Kauschke.

Meinung

Steinmeier auf Kuschelkurs mit einem Terrorfreund

Der Bundespräsident untergräbt mit seiner Schmeichelei gegenüber Recep Tayyip Erdogan einmal mehr Deutschlands Staatsräson

von Nils Kottmann  26.04.2024

Berlin

»Menschen haben nach dem 7. Oktober ihr wahres Gesicht gezeigt«

Ahmad Mansour wundert sich nicht über die Schließung zweier Jugendzentren in Berlin

von Sophie Albers Ben Chamo  26.04.2024

Diplomatie

USA, Großbritannien und Kanada verhängen Sanktionen gegen Iran

Es handelt sich um eine Reaktion auf den iranischen Angriff auf Israel

 26.04.2024

USA

Antiisraelische Proteste an Unis: Abschlussfeier abgesagt

An der Ostküste werden mehr als hundert Festnahmen gemeldet

 26.04.2024

Berlin

Polizei verbietet antiisraelisches »Palästina-Protestcamp«

Die Teilnehmer hätten Straftaten begangen, darunter auch Volksverhetzung, sagt die Polizei

 26.04.2024

Köln

Wallraff-Preis für israelische und palästinensische Initiativen

Mit gemeinsamen Aktionen setzen sich »Women of the Sun« und »Women Wage Peace« für Frieden ein

 26.04.2024

Berlin/Gaza

Brief an Hersh Goldberg-Polin

Lieber Hersh, wir kennen uns nicht – und doch sind unsere Lebenswege verbunden ...

von Ruben Gerczikow  26.04.2024

Berlin

Zentralrat der Juden kritisiert deutsche UNRWA-Politik

Josef Schuster: »Die Bundesregierung tut sich mit dieser Entscheidung keinen Gefallen«

 26.04.2024

Dresden

Friedmann und Petri bei Diskussion zur Europawahl

Der Umgang mit Judenhass, Rassismus und Rechtsextremismus stehen im Fokus des Panels

 26.04.2024