Einspruch

Noch’n Gedicht

Falls Sie diesen Freitagnachmittag in Göttingen sind und nichts Besseres zu tun haben, können Sie um 17 Uhr in das Deutsche Theater der Universitätsstadt gehen. Dort liest Günter Grass aus seinem neuen Gedichtband Eintagsfliegen.

Sie können es aber auch sein lassen. Eine Sternstunde der Lyrik ist nicht zu erwarten. Was der Literaturnobelpreisträger von 1999 vortragen wird, klingt beispielsweise so: »So wurde er von einer Frau, die jener Gang verschworen, die ungehemmt selbst Mord nicht scheut, nach Rom gelockt, von dort per Schiff entführt, bevor noch in der Sunday Times zu lesen stand, was in dem Wüstenort Dimona von Anbeginn gebrütet wird: der atomare Tod in Bomben – ungezählt – verdichtet.«

Massenmörder »Er«, das ist Mordechai Vanunu, der israelische Techniker, der die Atomgeheimnisse des Landes öffentlich machte. »Ein Held unserer Tage«, so der Titel des Verswerks. »Jene Gang (…) die ungehemmt selbst Mord nicht scheut«, wird wohl der Mossad sein. Vielleicht auch die israelische Regierung oder die Weisen von Zion. In jedem Fall nicht ordinäre Killer, sondern Massenmörder: »(...) der atomare Tod in Bomben – ungezählt«. Da ist er wieder, der Topos aus Grass’ Frühjahrspoem »Was gesagt werden muss«: Die Juden als Bedrohung des Weltfriedens und der ganzen Menschheit.

Doch das soll hier nicht Thema sein. Fast schlimmer als der Inhalt ist nämlich auch diesmal wieder die Form: ein gestelztes Nachäffen klassischer griechischer Epik, bei dem der Lübecker Homer nicht mal das Versmaß durchhält.

Lyrischer Judenhass war schon von besserer Qualität. T. S. Eliot, auch er Antisemit und Nobelpreisträger, hat es in seinem Poem »Burbank with a Baedeker: Bleistein with a Cigar« vorgeführt. Dort heißt es in der sechsten Strophe: »The rats are underneath the piles. The jew is underneath the lot.« Welch’ eindringliche Metaphorik und sprachlich elegante Reduktion. Widerwärtiger Dreck, gewiss, aber von meisterlichem Stil. Wenn wir uns schon beleidigen lassen müssen, dann doch bitte von einem Könner. Grass aber bringt den literarischen Antisemitismus in Verruf.

Meinung

Der jüdischen Veteranen gedenken

Warum wir dieses Jahr einen Riss in unseren Herzen haben, was den für unsere Gemeinden so wichtigen 8. und 9. Mai angeht

von Josef Schuster  08.05.2024

Meinung

Die Zwei-Staaten-Lösung ist eine Schimäre

Warum die Forderung nach einem unabhängigen Palästinenserstaat möglicherweise gut gemeint, aber grenzenlos naiv ist

von Jacques Abramowicz  08.05.2024

Kassel

documenta: Kein Verhaltenskodex für Künstlerische Leitung

Der Aufsichtsrat fasste Beschlüsse. Können Antisemitismus-Eklats dadurch vermieden werden?

 08.05.2024

Bundesregierung

Klein: Forderung nach Vernichtung von Staaten unter Strafe stellen

Auch in Berlin seien »unerträglicher Hass und Hetze gegen Israel« verbreitet worden, betont der Antisemitismusbeauftragte

 08.05.2024

Berlin

Zentralrat der Juden kritisiert FU Berlin nach Besetzung

Josef Schuster: Irritierend, dass die Universitätsleitung erneut kein Wort über den antisemitischen Hintergrund verliert

 07.05.2024

Brüssel

Razzia im EU-Parlament: Büro von AfD-Mann Krah durchsucht

Ein ehemaliger Mitarbeiter des Europaabgeordneten soll für China spioniert haben

von Marek Majewsky  07.05.2024

Universität

Berlins Regierender Bürgermeister meldet sich zu Israel-Hassern an der FU zu Wort

Israel-Hasser besetzen Hof der Freien Universität

 07.05.2024 Aktualisiert

Interview

Frau mit Haltung

Karoline Preisler über ihre Erfahrungen als einsame Gegendemonstrantin auf israelfeindlichen Kundgebungen

von Michael Thaidigsmann  07.05.2024

Berlin

Polizei löst Pro-Terror-Demonstration in Neukölln auf

Die Versammlung von Israelhassern war nicht angemeldet

 07.05.2024