Terrorismus

Wider die Heuchelei!

Was wäre, wenn es in Deutschland ein ähnliches Inferno wie den 11. September 2001 gegeben hätte. Würde man dann immer noch die Nase rümpfen über bin Ladens Tod? Foto: dpa

Selten gab es so viel Scheinheiligkeit, Heuchelei und eitle Überheblichkeit wie in den vergangenen Tagen. Da ist die Leiche eines der schlimmsten Massenmörder des 21. Jahrhunderts noch nicht richtig auf dem Grund des Ozeans angekommen – und in Deutschland echauffiert man sich über die Rücksichtslosigkeit dieser rachedürstenden Amerikaner: dieses Jubeln, das Triumphgeheul über den Tod eines Menschen, widerlich. Einfach so erschossen, pfui! Das will ein Rechtsstaat, eine Demokratie sein? Na, das Völkerrecht wurde von den Cowboys ja schon immer gebrochen. Dann dieses unzivilisierte Auge um Auge, Zahn um Zahn. Mit dem Christlichen ist es in den USA offenkundig nicht weit her. Und wie die mit dem Islam rumspringen! Lassen einfach den Leichnam ins Meer rauschen. Respekt vor einer anderen Religion ist denen wohl völlig fremd. Wir sind doch der Westen, wir müssen doch ein Vorbild sein, unsere moralische Überlegenheit täglich unter Beweis stellen.

Ende der Vernunft Wenn ich das alles lese und höre, färbt sich mein Gesicht rot – vor Scham und Zorn. Diese Verlogenheit, diese Besserwisserei, dieses unredliche Verdammen von angeblicher Gewissenlosigkeit ärgert mich zutiefst. Und, ganz ehrlich, meine Freude über Osama bin Ladens Tod wird dadurch nochmals verstärkt. Ein Feind der Menschheit wurde ausgelöscht. Recht so! Der Saudi hatte Tausende Menschenleben auf dem Gewissen, auch deutsche. Man stelle sich vor, es hätte hierzulande ein dem 11. September 2001 vergleichbares Inferno gegeben. Mit der hiesigen Vernunft, der Contenance wäre es im Handumdrehen vorbei.

Bin Laden wollte den Westen und alles, was ihn auszeichnet, vernichten, ein auf der Scharia beruhendes Kalifat errichten. Der Terrorpate war ein Mörder im XXL-Format. Er hat zum Schwert gegriffen und ist nun durch das Schwert gefallen. Was, bitte schön, ist daran verwerflich? Es muss auch keinen stören, dass für die Navy Seal der Befehl lautete, bin Laden zu töten. Ein armer Unbewaffneter ist ums Leben gekommen? Unsinn! Nur die Allernaivsten können sich dem Irrglauben hingeben, der Oberterrorist hätte der Spezialeinheit willig seine Arme entgegen gestreckt, damit die Soldaten ihm Handschellen anlegen können.

Besiegtes Symbol Gewiss, bin Laden hatte nur noch ideologischen Einfluss auf Al Qaida und die Islamisten weltweit. Seine operativen Möglichkeiten waren seit Langem extrem eingeschränkt. Dennoch hatte die USA das Recht, ihn auszuschalten. Ein symbolischer Sieg, sicherlich, aber das schmälert den Erfolg um keinen Deut. Im Gegenteil. Bin Laden personifizierte die unmenschlichste Ideologie der Gegenwart. Insofern ist sein Tod zumindest ein kleiner Erfolg in diesem asymmetrischen Kampf gegen das Böse. Freut euch, möchte man ausrufen.

Doch gerade hierzulande wird der militärische Coup zerredet und unter einem Berg aus Bedenken und Befindlichkeiten begraben. Empörung allerorten. Selbst die Kanzlerin kriegt von Kirchenvertretern und Parteigenossen ihr Fett weg. Nur, weil die CDU-Vorsitzende es gewagt hatte, ihrer Freude über bin Ladens Tod öffentlich Ausdruck zu verleihen. Als Antwort bekommt die Regierungschefin jetzt zu hören, das seien Rachegedanken aus dem Mittelalter. Selbst wenn es so wäre: Wer ist schon frei von solchen Emotionen, von dieser urmenschlichen Gefühlserregung?

Dankbarkeit Nein, christliche Nächstenliebe allein mag den deutschen Furor, der Washingtons Vorgehen verdammt, nicht ausreichend erklären. Viele Stellungnahmen atmen den Geist des Antiamerikanismus. Die Yankees knallen die Leute einfach über den Haufen, typisch. Von denen kann man ja eh nichts anderes erwarten - so denkt hierzulande nicht nur eine Minderheit. Da läuft es einem kalt über den Rücken. Jetzt hilft nur eines: Sich erst recht über den Tod eines Menschenverachters freuen, den Erfolg bejublen. Und den USA einfach mal dankbar sein.

Den Haag

Erste Entscheidung in Klage gegen Deutschland am Dienstag

Im Verfahren Nicaragua gegen Deutschland will der Internationale Gerichtshof am Dienstag seinen Beschluss zu einstweiligen Maßnahmen verkünden

 26.04.2024

Meinung

Steinmeier auf Kuschelkurs mit einem Terrorfreund

Der Bundespräsident untergräbt mit seiner Schmeichelei gegenüber Recep Tayyip Erdogan einmal mehr Deutschlands Staatsräson

von Nils Kottmann  26.04.2024

Berlin

»Menschen haben nach dem 7. Oktober ihr wahres Gesicht gezeigt«

Ahmad Mansour wundert sich nicht über die Schließung zweier Jugendzentren in Berlin

von Sophie Albers Ben Chamo  26.04.2024

Diplomatie

USA, Großbritannien und Kanada verhängen Sanktionen gegen Iran

Es handelt sich um eine Reaktion auf den iranischen Angriff auf Israel

 26.04.2024

USA

Antiisraelische Proteste an Unis: Abschlussfeier abgesagt

An der Ostküste werden mehr als hundert Festnahmen gemeldet

 26.04.2024

Berlin

Polizei verbietet antiisraelisches »Palästina-Protestcamp«

Die Teilnehmer hätten Straftaten begangen, darunter auch Volksverhetzung, sagt die Polizei

 26.04.2024

Köln

Wallraff-Preis für israelische und palästinensische Initiativen

Mit gemeinsamen Aktionen setzen sich »Women of the Sun« und »Women Wage Peace« für Frieden ein

 26.04.2024

Berlin/Gaza

Brief an Hersh Goldberg-Polin

Lieber Hersh, wir kennen uns nicht – und doch sind unsere Lebenswege verbunden ...

von Ruben Gerczikow  26.04.2024

Berlin

Zentralrat der Juden kritisiert deutsche UNRWA-Politik

Josef Schuster: »Die Bundesregierung tut sich mit dieser Entscheidung keinen Gefallen«

 26.04.2024