Limmud-Festival

Zwischen Lounge und Deich

Der Untergang des deutschen Judentums» – das war der beliebteste Workshop am ersten Abend von Limmud. Sofas und Stühle in der Lounge waren besetzt, Teilnehmer standen bis dicht an die Fenster gedrängt, während Rabbiner Walter Rothschild referierte.

Wenn das der Untergang des deutschen Judentums ist, gibt es vielleicht noch Hoffnung. Immerhin: Mehr als 300 Teilnehmer sind aus ganz Deutschland nach Neuharlingersiel an die Nordsee gekommen, um beim Limmud-Festival vier Tage lang gemeinsam zu lernen, zu beten und zu feiern – knapp 400 werden es.

Location Im mittlerweile achten Jahr des Festivals ist Vieles wie immer: Das Essen ist lecker, das Programm abwechselungsreich und die Teilnehmer kommen schnell ins Gespräch. Eine Sache ist jedoch anders: Der Ort. «Es ist weniger waldig, windiger, kompakter, vom Gefühl her schöner», sagt Jonathan Marcus, der Chef des Limmud-Organisationsteams.

Ostfriesisch-nobles Urlaubsfeeling statt post-sozialistischem Ferienlager-Charme: Das DJH Resort in Neuharlingersiel liegt mitten im Nichts – aber direkt am Deich. Zimmer, Seminarräume und Speisesaal sind deutlich näher beieinander als beim alten Standort am Werbellinsee. Es gibt Lounge-Ecken, eine Bar und das «Teehaus» – ein gläserner Bungalow mit Bühne und Sofas. Das alles ist gut fürs Socializing, meint Marcus «auch bei schlechtem Wetter.»

Und genau das ist vielleicht gut so, denn an der See wechseln sich düstere Regen- und Hagelschauer und strahlender Sonnenschein im Minutentakt ab. «Die sollten Limmud-Mützen und Windjacken verkaufen», wurde schon im Bus aus Oldenburg gescherzt.

Trotzdem: Die meisten Teilnehmer scheinen die Begeisterung der Organisatoren für den neuen Ort zu teilen. «Die Location ist einfach super», sagt Anastassia Pletoukina abends in der Bar. «Ich genieße die Atmosphäre sehr.» Sie ist bekennender Limmud-Fan, schon zum vierten Mal dabei und leitet in diesem Jahr das neue Teenager-Programm.

Teenager Lagerfeuer, Stranderkundung, Jonglieren – bei den Kids geht es aktiv zu. Gelernt wird aber trotzdem. «Wir formulieren das Programm auch absichtlich locker und schauen dann, wie weit wir gehen können», erklärt Pletounika. «Erfahrungsgemäß ist es recht anspruchsvoll.» Über 100 Kinder und Jugendliche sind in diesem Jahr dabei, mehr als je zuvor. Entsprechend viel Programm gibt es für sie, aufgeteilt in drei Altersgruppen.

Auch für die russischsprachige Community ist in diesem Jahr besonders viel dabei. «Wir haben uns gefragt: Wie kann man das russisch-jüdische Erbe relevant machen und die Leute damit in Verbindung bringen», erklärt Limmud-Chef Marcus.

Eine Antwort: Alexej Boris. Der Kabarettist und Schauspieler präsentierte abends im gläsernen Teehaus seine ostjüdische Mischpoke. Also die Tante, die weiß: «Die nützlichste Einrichtung im Haushalt ist ein Mann mit schlechtem Gewissen.» Und den Cousin in Stuttgart, der ein Problem hat: Er liest Bücher, und will sogar «Gymnasium gehen.» Am Ende trägt er sogar ein tiefsinniges Gedicht über Vorurteile vor. Das Publikum soll schließlich was lernen. «Wir sind heute sehr niveaulastig gestartet...», sagt der Kabarettist. Recht hat er.

www.limmud.de

Berlin

Bundesverdienstkreuz für Hermann Simon

Regierender Bürgermeister Kai Wegner ehrt den Gründungsdirektor der Stiftung Neue Synagoge

 29.09.2023

Porträt der Woche

»Sieh hin und lerne!«

Sofia Sominsky ist Galeristin in München und »glückliche jiddische Mamme«

von Katrin Diehl  29.09.2023

Leer

Späte Würdigung

Der Schoa-Überlebende Albrecht Weinberg ist nun Ehrenbürger der Stadt

von Christine Schmitt  28.09.2023

Stuttgart

»Wir sind die Mehrheit«

Einsatz für die Demokratie – Anat Feinberg und Anton Maegerle erhalten die Oppenheimer-Medaille

von Brigitte Jähnigen  28.09.2023

Ukraine

Hilfe durch Teilhabe

Als Partner von IsraAID Germany spielen die jüdischen Gemeinden eine zentrale Rolle. Ein Interview

von Imanuel Marcus  28.09.2023

Sukkot

Hör mal, wer da hämmert

Überall werden Laubhütten errichtet – und hinter jeder verbirgt sich eine eigene Geschichte

von Christine Schmitt, Elke Wittich  28.09.2023

Interview

»Ich kenne nichts Vergleichbares«

Ansgar Brinkmann über die Maccabiah, seine neue Aufgabe als Makkabi-Nationaltrainer und alte Legenden

von Helmut Kuhn  27.09.2023

Bornplatzsynagoge

Hamburg gibt Jüdischer Gemeinde Grundstück zurück

Gemeindechef: Der heutige Tag zeigt, dass Unrecht nicht siegt und das jüdische Hamburg eine Zukunft hat

 27.09.2023

Berlin

Herausragendes Engagement

Bürgermeister Kai Wegner ehrt Petra und Franz Michalski mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik

 27.09.2023