Für den Antisemitismusbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung, Ludwig Spaenle, »sind die jüdischen Friedhöfe Quellen zur Geschichte des jüdischen Lebens vor Ort wie auch für die Regional- und Sozialgeschichte«. Da fügt sich das Projekt des Landesamtes für Denkmalpflege perfekt ein, das 124 historische jüdische Friedhöfe mit rund 80.000 Grabsteinen, manche noch aus dem 15. beziehungsweise 16. Jahrhundert, in Bayern kartografierte. Zuletzt waren die beiden jüdischen Friedhöfe in München an der Reihe, der eine in Thalkirchen, eröffnet 1816, der andere in Freimann, in Betrieb seit 1908.
Zunächst wurden Grundrisspläne erstellt. Für den Alten Israelitischen Friedhof ist der Überblick über die rund 3500 sichtbaren Grabstellen so weit gediehen, dass an fünf Grabsteinen Schäden durch Steinzerfall, Verwitterung, Metallkorrosion und Pflanzenwuchs beispielhaft dokumentiert wurden. Längerfristig ist die Dokumentation von rund 300 Grabsteinen geplant, darunter bedeutsame kunsthistorische Denkmäler wie das Grabmal für den Dramatiker Michael Beer, ein Bauwerk Leo von Klenzes, und besonders gefährdete Grabsteine.
Dazu gehören die Dokumentation von Schäden durch alte Bäume unter Schneelast, Zerstörung von bildhauerischen Arbeiten und Inschriften infolge Schuppenbildung und Abschälung, gefolgt von vorsichtiger Reinigung mit Wasser ohne chemische Zusätze zur Entfernung von Flechtenwuchs und Mikropartikelbefall. Ein spezielles Fotografier-Verfahren mit Streiflicht bringt unleserlich gewordene Inschriften im wahrsten Sinne des Wortes wieder zutage.
Gefragt sind – wie man im Bauwesen sagen würde – ganz verschiedene »Gewerke«: Kulturgeologen, Steinrestauratoren, Baumpfleger, Reiniger, Fotografen, Judaisten, Hebräisch-kundige Historiker und Archivare sowie IT-Spezialisten. Ziel ist nämlich, am Ende alle Informationen zu den Grabsteinen – Verortung, Inschriften, kunstgeschichtliche Beschreibung, Material, Zustand, biografische Daten der verstorbenen Person – in der Datenbank bet-olam-bayern.de zu speichern.
Einen wertvollen Beitrag könnte das Dokumentationsarchiv von Chaim Frank darstellen, der bereits vor 20 Jahren die Gräber am Alten Israelitischen Friedhof systematisch fotografierte und beschrieb. Seine Erkenntnisse sind teilweise die einzigen Zeugnisse, wo Sturmböen, Pilz- und Algenbefall, Wildwuchs und Erosion bereits irreparable Schäden verursachten. Das Kulturreferat der Landeshauptstadt bemüht sich derzeit, diese historischen Daten zu sichern.