UNESCO

»Ein wichtiges Zeichen«

Der »Judenhof« in Speyer Foto: imago images / Danita Delimont

Die Weltkulturorganisation Unesco hat heute auch das jüdische Kulturgut in Mainz, Speyer und Worms als neues Weltkulturerbe ausgezeichnet. Die drei sogenannten »SchUM-Städte« waren im Mittelalter bedeutende Zentren der jüdischen Kultur in Nordeuropa.

SchUM ist abgeleitet aus den mittelalterlichen hebräischen Anfangsbuchstaben Schin (Sch), Waw (U) und Mem (M); sie stehen für die drei Städte Schpira, Warmaisa und Magenza - also für Speyer, Worms und Mainz. Die dortigen jüdischen Gemeinden waren seit dem 11. Jahrhundert als Zentren des mittel-, ost- und nordeuropäischen Judentums eng miteinander verwoben.

»Ich gratuliere den Städten Speyer, Worms und Mainz, dem Land Rheinland-Pfalz und dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Rheinland-Pfalz zu dieser Auszeichnung.«

Josef Schuster

In den drei Städten seien unter anderem richtungsweisende Synagogen, Frauenschulen, Ritualbäder, Talmudschulen und nicht zuletzt Friedhöfe entstanden, die über mehrere Jahrhunderte hinweg beispielgebend für jüdische Ritualbauten respektive die Bestattungskultur in Mitteleuropa gewesen seien, heißt es in der Bewerbung, die das Land Rheinland-Pfalz seit 2006 unterstützt hatte.

GELEHRSAMKEIT Der Zentralrat der Juden in Deutschland reagierte mit Freude auf die Entscheidung. »Ich begrüße die Anerkennung der SchUM-Stätten als Welterbe. Damit würdigt die Unesco die Bedeutung der Zentren jüdischer Gelehrsamkeit des Mittelalters in Speyer, Worms und Mainz«, erklärte Josef Schuster, Präsident des Zentralrats.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

»Gerade im Festjahr ›1700 Jahre jüdisches Lebens in Deutschland‹ ist die Entscheidung der Unesco ein wichtiges Zeichen, dass jüdisches Leben, Religion und Kultur seit vielen Jahrhunderten Bestandteil dieses Landes sind«, so Schuster weiter. »Ich gratuliere den Städten Speyer, Worms und Mainz, dem Land Rheinland-Pfalz und dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Rheinland-Pfalz zu dieser Auszeichnung.«

»Es ist ein wichtiges Signal, dass die Wiege des aschkenasischen Judentums in der Entscheidung des Welterbekomitees gewürdigt wurde«, sagte der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, dem »RedaktionsNetzwerk Deutschland«. Er verstehe die Ernennung als Einladung zu einer Auseinandersetzung »mit den außergewöhnlichen Stätten in Speyer, Worms und Mainz, in denen sich Licht und Schatten der jüdischen Geschichte erfahren lassen«.

SCHÖNHEIT »Die Jüdische Gemeinde ist stolz darauf, dass wir Juden zum weltweiten Ansehen von Rheinland-Pfalz beitragen können«, sagte Anna Kischner, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Mainz und Worms. »Mögen die Blicke der Touristinnen und Touristen angesichts der mittelalterlichen Vermächtnisse geweitet werden für die Schönheit unserer Kultur, mögen sie die Zusammenhänge erkennen und Botschafter werden nicht nur für die mittelalterlichen SchUM-Gemeinden, sondern auch für uns, für die jüdischen Leute, die heute hier am Rhein leben«, so Kischner.

Der Präsident der Konferenz der Europäischen (CER) und Oberrabbiner von Moskau, Pinchas Goldschmidt, erklärte: »Europas Juden freuen sich über diese wichtige Anerkennung der UNESCO, markiert sie doch, welchen wertvollen Beitrag jüdische Kultur seit vielen Jahrhunderten auch für Europas Kultur leistet.« Die drei Städte Speyer, Worms und Mainz gehörten zur Wiege des Judentums in Europa. Von ihr seien entscheidende Impulse für die Entwicklung des Judentums in Europa ausgegangen, so Goldschmidt weiter.

»Ich wünsche mir, dass von den ersten jüdischen Welterbestätten in Deutschland auch ein Impuls ausgeht, dass sie ein Ort des Austausches und des gegenseitigen Lernens voneinander sind, um mehr über jüdisches Leben zu erfahren und offensichtliche Wissenslücken über das Judentum zu schließen. Über die positiven Beiträge des Judentums zur deutschen und europäischen Kultur ist nach wie vor viel zu wenig bekannt und es ist selten ein Thema an Schulen oder in Medien.«

RÜCKBLICK Mit ihren Talmudschulen, vor allem aber mit Gelehrten wie dem damals als »Leuchte des Exils« verehrten Mainzer Rabbi Gerschom ben Jehuda, hatten die drei Gemeinden großen Einfluss, wenn es etwa um die Auslegung religiöser Schriften oder um Fragen der Rechtsprechung ging.

Die SchUM-Stätten sind die 50. Welterbestätte in Deutschland. Michelle Müntefering, Staatsministerin für Internationale Kulturpolitik im Auswärtigen Amt, erklärte dazu, die Anerkennung dieses jüdischen Gemeindeverbundes, dessen Wurzeln auf das 10. Jahrhundert zurückgehen, sei die Krönung der Feierlichkeiten im Festjahr 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. In diesem Zusammenhang sei der Wiederaufbau der von den Nationalsozialisten zerstörten Wormser Synagoge eine wichtige Wegmarke.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Die Präsidentin der Deutschen Unesco-Kommission, Maria Böhmer, erklärte, die drei jüdischen Gemeinden seien Anziehungspunkt für Gelehrte aus nah und fern gewesen; sie hätten richtungsweisende Reformen auf den Weg gebracht und architektonische Maßstäbe gesetzt.

POGROME »Die Geschichte der jüdischen Gemeinden am Rhein ist auch eine Geschichte jahrhundertelanger Verfolgung, von den Pogromen des Mittelalters bis zur fast völligen Auslöschung des europäischen Judentums im Holocaust«, betonte Böhmer.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) würdigte die Bauwerke der SchUM-Gemeinden als steinerne Zeitzeugen einer außergewöhnlich reichen jüdischen Geschichte im Land. »Sie stehen auch für den Kulturtransfer zwischen Christentum und Judentum und mahnen uns, dies als gemeinsame, große Chance zu sehen.« kna/ja

Essay

Vorsichtig nach vorn blicken?

Zwei Jahre lang fühlte sich unsere Autorin, als lebte sie in einem Vakuum. Nun fragt sie sich, wie eine Annäherung an Menschen gelingen kann, die ihr fremd geworden sind

von Shelly Meyer  26.10.2025

Stuttgart

Whisky, Workshop, Wirklichkeit

In wenigen Tagen beginnen in der baden-württembergischen Landeshauptstadt die Jüdischen Kulturwochen. Das Programm soll vor allem junge Menschen ansprechen

von Anja Bochtler  26.10.2025

Porträt

Doppeltes Zuhause

Sören Simonsohn hat Alija gemacht – ist aber nach wie vor Basketballtrainer in Berlin

von Matthias Messmer  26.10.2025

Trilogie

Aufgewachsen zwischen den Stühlen

Christian Berkel stellte seinen Roman »Sputnik« im Jüdischen Gemeindezentrum vor

von Nora Niemann  26.10.2025

Dank

»Endlich, endlich, endlich!«

Die IKG und zahlreiche Gäste feierten die Freilassung der Geiseln und gedachten zugleich der Ermordeten

von Esther Martel  24.10.2025

Kladow

Botschaft der Menschlichkeit

Auf Wunsch von Schülern und des Direktoriums soll das Hans-Carossa-Gymnasium in Margot-Friedländer-Schule umbenannt werden

von Alicia Rust  24.10.2025

Osnabrück

Rabbiner Teichtal: »Unsere Aufgabe ist es, nicht aufzugeben«

»Wer heute gegen Juden ist, ist morgen gegen Frauen und übermorgen gegen alle, die Freiheit und Demokratie schätzen«, sagt der Oberrabbiner

 24.10.2025

Universität

»Jüdische Studis stärken«

Berlin bekommt als eines der letzten Bundesländer einen Regionalverband für jüdische Studierende. Mitgründer Tim Kurockin erklärt, wie sich der »JSB« künftig gegen Antisemitismus an den Hochschulen der Hauptstadt wehren will

von Mascha Malburg  23.10.2025

Sport

»Wir wollen die Gesellschaft bewegen«

Gregor Peskin ist neuer Vorsitzender der Makkabi-Deutschland-Jugend. Ein Gespräch über Respekt, neue Räume für Resilienz und interreligiöse Zusammenarbeit

von Helmut Kuhn  23.10.2025