Trauer

»Wir werden ihn sehr vermissen«

Roman Skoblo sel. A. (1948–2020) Foto: Douglas Abuelo

Romy, wie er liebevoll von allen, die ihn näher kannten, genannt wurde, wird im Leben der Berliner Juden fehlen. Das letzte Mal sah ich Roman Skoblo im März oder April in einer Sendung der Abendschau oder eines RBB-Spezial zur ersten Corona-Krise, in der er – in der ihm eigenen präzisen Art – Möglichkeiten und Grenzen der Laboranalysen im Kontext von Covid-19 darlegte.

Der im April 1948 geborene Skoblo war mit Leib und Seele Mediziner, kannte sich bestens aus in den neuesten Errungenschaften der medizinischen Forschung und beriet sehr ernsthaft, wenn man ihn um Rat fragte, insbesondere dadurch, dass er einen Kontakt zu dem Primus des jeweiligen Fachgebiets herstellte.

vorstand Aber Roman Skoblo war auch ein sehr bewusster und aktiver Jude – in der Wendezeit als für Jugend und Kultur zuständiges Mitglied des Vorstandes der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, zunächst noch unter dem langjährigen Vorsitzenden Heinz Galinski, dann unter Jerzy Kanal. Ich war damals beauftragt, die Jüdischen Kulturtage in Berlin zu leiten. So lerne ich ihn näher kennen.

Roman Skoblo war ein sehr bewusster und aktiver Jude.

Skoblo, ärztlicher Leiter und Inhaber eines Medizinlabors in Berlin, war eine besondere Persönlichkeit. Er gehörte zu denjenigen der Nachkriegsgeneration, die Galinski Ende der 80er-Jahre gezielt für Vorstand und Repräsentantenversammlung herangezogen hatte und dafür gewinnen konnte, Verantwortung zu übernehmen, um den Übergang der Gemeindeleitung auf Jüngere einzuleiten.

Er wurde dort von vielen als »der Professor« bezeichnet, denn er hatte die Gabe, komplizierte Vorgänge, wie beispielsweise die Vereinigung der jüdischen Gemeinde von Ost-Berlin und West-Berlin im Rahmen der deutschen Einheit, intellektuell zu durchleuchten und – wie es sich für einen Labormediziner gehört – in seine einzelnen Bestandteile zu zerlegen, diese zu analysieren. Er stellte verschiedene Lösungsmöglichkeiten vor – nicht in einer langwierigen Vorlesung, sondern zusammengefasst in wenigen inhaltsreichen Sätzen.

Wie oft fuhr ich mit ihm durch die Stadt, um im Vorfeld einen Veranstaltungsort für die Jüdischen Kulturtage zu besichtigen. Roman Skoblo wollte nichts dem Zufall überlassen. Wie in seinem Labor alles auf seine Bestandteile hin untersucht wurde, so bereitete er auch Veranstaltungen vor. Er fuhr die große Limousine, das Handy am Ohr, und kommentierte in Gesprächspausen, in denen am anderen Ende der Leitung monologisiert wurde, die Nachrichten im Autoradio oder diktierte mir druckreife Sätze für einen Brief, den wir an diesen oder jenen Politiker schreiben sollten.

multitasking Roman war ein Multitasking-Talent, stets voller Tatendrang – er verlangte seinen Mitstreitern alles ab und lieferte gleichzeitig selbst mehr als 100 Prozent.

In »seiner« orthodoxen Synagoge war er engagiert, spendete Kidduschim an jedem Schabbes, wenn sich kein anderer Spender fand. Er war sich bewusst, dass er selbst »non-observing« orthodox war und fasste das in dem Satz zusammen: »Wenn ich mehr Zeit hätte, wäre ich observant orthodox.«

Roman war ein Multitasking-Talent, stets voller Tatendrang – er verlangte seinen Mitstreitern alles ab und lieferte gleichzeitig selbst mehr als 100 Prozent.

Orthodox war für ihn aber nicht ausgrenzend gemeint, denn er war es, der es ermöglichte, dass im Rahmen der Kulturtage Rabbinerinnen und Kantorinnen ihre ersten Auftritte in der Jüdischen Gemeinde hatten, und dafür sorgte, dass die Eingeladenen im Gemeinderestaurant mit den lokalen Matadoren zusammentrafen – so auch die Rabbinerin mit dem orthodoxen Gemeinderabbiner.

austausch Kommunikation, Austausch bedeutete für ihn mehr als zufällige Gespräche. Er liebte Foren, in denen unterschiedliche Positionen in gepflegten Kontroversen ventiliert wurden. So war er Gründer des Lehrstuhls »Berliner Studien zu jüdischem Recht« an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität mit dem Schwerpunkt zu Ethikfragen in der Medizin.

Seit 1988 war er Vorsitzender des Landesverbandes, später auch des Bundesverbandes jüdischer Ärzte und Psychologen sowie einige Jahre als Vertreter des Zentralrats der Juden in Deutschland Mitglied in der zentralen Ethikkommission. Dies sind nur einige wenige Beispiele aus seinen umfangreichen Tätigkeiten. Wer ihn kannte, wird noch viele weitere Funktionen aufzählen wollen oder hier vermissen.

Romy Skoblos Aktivitäten waren so vielfältig, dass sie sich nicht in wenigen Zeilen zusammenfassen lassen. Jetzt ist er 72-jährig in seine Welt gegangen. Wir werden ihn sehr vermissen. Sein Andenken werde zum Segen!

Stuttgart

Opfer eines Schauprozesses

Nach fast drei Jahrzehnten Stillstand wurde nun ein Platz eingeweiht, der Joseph Süß Oppenheimer gewidmet ist

von Brigitte Jähnigen  10.12.2024

Esslingen

Antike Graffiti

Der Künstler Tuvia ben Avraham beschreibt das Judentum anhand uralter Buchstaben – und jeder darf mitmachen

von Valentin Schmid  09.12.2024

Berlin

Campus mit Kita und Café

Noch bis zum 10. Dezember können Architekten ihre Entwürfe für den Neubau an der Synagoge Fraenkelufer einreichen

von Christine Schmitt  09.12.2024

München

Mit Erfahrung zum Erfolg

Die Spieler des Schachklubs der IKG gehören zu den stärksten in Bayern – allen voran Leonid Volshanik

von Vivian Rosen  09.12.2024

Bundestag

Zentralrat der Juden schlägt Maßnahmen für Schutz jüdischen Lebens vor

Was der jüdische Dachverband von den Parteien mit Blick auf die Neuwahlen erwartet

 09.12.2024

Frankfurt

»Voll akzeptiert in der Gemeinde«

Rabbinerin Elisa Klapheck über das Jubiläum des Egalitären Minjans und das Konzept »Alle unter einem Dach«

von Ralf Balke  07.12.2024

Interview

»Damit ihr Schicksal nicht vergessen wird«

Die Schauspielerin Uschi Glas setzt sich für die Befreiung der israelischen Geiseln ein. Ein Gespräch über Menschlichkeit, Solidarität und Gegenwind

von Louis Lewitan  07.12.2024

Bedrohung

Wehrt euch!

Wie kann es sein, dass Juden wieder in Angst leben müssen? Wie kann es sein, dass Kippa zu tragen, gefährlich ist, während die Kufiya zum Fashion-Icon für Pseudo-Wokies wird? Ein Aufschrei

von Yaron Jacobs  07.12.2024

München-Schwabing

Ein Stück Hoffnung

Die Synagoge Shaʼarei Zion in der Georgenstraße erhielt eine neue Torarolle

von Luis Gruhler  07.12.2024