Juristin

Vorkämpferin für Gleichberechtigung

Einweihung der Gedenkstele am Tegeler Weg Foto: Sebastian Brux

An Berlins erste Richterin erinnert seit Montag eine Stele am Landgericht Berlin. Das Gedenkzeichen für Marie Munk (1885–1978) wurde an der Dienststelle Tegeler Weg eingeweiht. Dort war die Juristin jüdischer Herkunft am 11. August 1930 als erste Frau in Berlin zur Richterin auf Lebenszeit ernannt worden.

Munk gilt als Pionierin im Rechtswesen. Sie war die erste examinierte Volljuristin, erste Rechtsanwältin Preußens und dann erste Richterin Berlins. Wegen ihrer jüdischen Herkunft wurde sie nach Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 aus dem Justizdienst entlassen. Drei Jahre später emigrierte Munk in die USA.

Als drittes Kind von Wilhelm und Paula Munk wurde Marie Munk 1885 in Posen geboren. Ihre Eltern waren Juden, aber weil der Vater, ein Jurist, aufgrund eines Gesetzes von 1869 nicht zum Richter am Reichsverwaltungsgericht berufen werden durfte, entschied er, sich und die Familie evangelisch taufen zu lassen.

JUDENTUM Das Judentum war Marie und ihren Geschwistern trotzdem vertraut, denn bei den Großeltern feierte die Familie weiterhin die jüdischen Feste. Viel Wert wurde außerdem auf Bildung gelegt, Marie schrieb in ihren unveröffentlichten Memoiren, dass der Vater noch mit über 70 Jahren begonnen hatte, aus privatem Interesse Chemie zu lernen. Die Kinder, so erinnerte sie sich, seien immer angehalten worden, in Lexika selbst nach Antworten auf ihre Fragen zu suchen.

Munk gilt als Pionierin im Rechtswesen. Sie war die erste examinierte Volljuristin, erste Rechtsanwältin Preußens und dann erste Richterin Berlins.

Munk besuchte die private höhere Mädchenschule von Lucie Crains und wurde darüber hinaus privat in Musik und Sprachen unterrichtet. Einfach bloß »höhere Tochter« wollte sie allerdings nicht sein – in ihren unveröffentlichten Memoiren schrieb sie, dass sie bestrebt war, »meinem Leben einen Sinn zu geben«. Sie begann eine Ausbildung zur Kindergärtnerin und wurde anschließend Volontärin in der Mädchen- und Frauenarbeit unter Leitung von Alice Salomon.

Marie Munk aber wollte mehr. Sie bereitete sich privat auf das Abitur vor, was auch Frauen damals an Schulen für Jungen ablegen mussten. 1907 bestand sie die Prüfungen und immatrikulierte sich zunächst in Berlin im Fach Wirtschaftswissenschaften und ein Jahr später in Freiburg in der juristischen Fakultät. Nachdem die preußischen Universitäten auch für Frauen geöffnet wurden, ging sie nach Bonn und wurde dort zur ersten Jurastudentin in Preußen. Schließlich promovierte sie 1911 in Heidelberg.

FRAUENRECHTE Als Juristin einen Job zu finden, war schwierig, Munk arbeitete zunächst in einer Bonner Kanzlei und ab Herbst 1912 für die Münchner Rechtsschutzstelle für Frauen. Diese Stellen, die maßgeblich von der Frauenbewegung mitinitiiert worden waren, sollten vor allem mittellose Frauen über ihre Rechte informieren.

1914 wechselte Munk als Leiterin der Abteilung für Adoptionen an die Deutsche Zentrale für Jugendfürsorge. Im gleichen Jahr gründete sie den Deutschen Juristinnen-Verein mit, der Frauen im Kampf um Gleichberechtigung unterstützte.

1953 schaffte sie mit über 70 Jahren in Cambridge den Abschluss Bachelor of Arts.

Die Weimarer Republik brachte für Juristinnen erstmals die Möglichkeit, das Staatsexamen abzulegen, was Marie Munk umgehend tat. 1924 bekam sie die Zulassung als Anwältin und wurde 1930 in Berlin Landgerichtsrätin und Amtsgerichtsrätin. Immer wieder erarbeitete sie Gesetzesvorschläge, die mehr Gleichberechtigung von Frauen im Nichtehelichen-, Scheidungs- und Eherecht zum Ziel hatten.

Auch machte sich Munk machte für das sogenantne norwegische Modell stark, das damals bereits gemeinsames Sorgerecht und Erbberechtigung unehelicher Kinder vorsah. In der norwegischen Wikipedia-Version hat sie einen eigenen Eintrag.

EMIGRATION 1933 waren Juden in der deutschen Justiz nicht mehr erwünscht, Marie Munk wurde entlassen. 1936 wanderte sie in die USA aus, drei Jahre später wurde sie Gastprofessorin an einem College, 1943 bestand sie als erste Emigrantin die Prüfung zur Anwaltszulassung in den USA. Eine Stelle erhielt sie allerdings nicht, stattdessen arbeitete sie in ihrer eigenen Kanzlei und studierte nebenbei, 1953 schaffte sie mit über 70 Jahren in Cambridge den Abschluss Bachelor of Arts. Am 17. Januar 1978 starb Marie Munk, sie wurde 93 Jahre alt.

»Marie Munk war eine Vorkämpferin für Frauen in der Justiz und ist heute leider fast in Vergessenheit geraten«, sagte Justizsenator Dirk Behrendt bei der Einweihung der Stele. »Mit der Ehrung wollen wir einen Beitrag leisten, feministische Vorkämpferinnen sichtbarer zu machen. Als Anwältin, Richterin und als Gründerin des heutigen Juristinnenbundes sollte jede Jurastudentin – und auch jeder Jurastudent – wissen, wer Marie Munk war.«

Pessach

Vertrauen bewahren

Das Fest des Auszugs aus Ägypten erinnert uns daran, ein Leben in Freiheit zu führen. Dies muss auch politisch unverhandelbare Realität sein

von Charlotte Knobloch  22.04.2024

Pessach

Das ist Juden in Deutschland dieses Jahr am wichtigsten

Wir haben uns in den Gemeinden umgehört

von Christine Schmitt, Katrin Richter  22.04.2024

Bayern

Gedenkveranstaltung zur Befreiung des KZ Flossenbürg vor 79 Jahren

Vier Schoa-Überlebende nahmen teil – zum ersten Mal war auch der Steinbruch für die Öffentlichkeit begehbar

 21.04.2024

DIG

Interesse an Israel

Lasse Schauder über gesellschaftliches Engagement, neue Mitglieder und die documenta 15

von Ralf Balke  21.04.2024

Friedrichshain-Kreuzberg

Antisemitische Slogans in israelischem Restaurant

In einen Tisch im »DoDa«-Deli wurde »Fuck Israel« und »Free Gaza« eingeritzt

 19.04.2024

Pessach

Auf die Freiheit!

Wir werden uns nicht verkriechen. Wir wollen uns nicht verstecken. Wir sind stolze Juden. Ein Leitartikel zu Pessach von Zentralratspräsident Josef Schuster

von Josef Schuster  19.04.2024

Sportcamp

Tage ohne Sorge

Die Jüdische Gemeinde zu Berlin und Makkabi luden traumatisierte Kinder aus Israel ein

von Christine Schmitt  18.04.2024

Thüringen

»Wie ein Fadenkreuz im Rücken«

Die Beratungsstelle Ezra stellt ihre bedrückende Jahresstatistik zu rechter Gewalt vor

von Pascal Beck  18.04.2024

Berlin

Pulled Ochsenbacke und Kokos-Malabi

Das kulturelle Miteinander stärken: Zu Besuch bei Deutschlands größtem koscheren Foodfestival

von Florentine Lippmann  17.04.2024