Die Türen sind verschlossen. Noch ist geheim, was sich die Kids im Jugendzentrum erarbeiten. In ihren Handykalendern steht für sonntags nur: Proben für die 19. Jewrovision. Wobei ihnen die Übungszeiten so wichtig sind, dass sie eigentlich nicht daran erinnert werden müssen.
Vom 6. bis 8. März ist es so weit, dann findet das große Event in Berlin statt – die Geheimniskrämerei hat ein Ende, und Song, Vorstellungsvideo und Choreografie werden im Hotel Estrel präsentiert.
Die Hotelmitarbeiter haben bereits Erfahrung mit jüdischen Großveranstaltungen.
Die Hotelmitarbeiter haben bereits Erfahrung mit jüdischen Großveranstaltungen, denn während der European Maccabi Games 2015 waren die Sportler und Betreuer in der Sonnenallee untergebracht. Zum größten jüdischen Song Contest gehört auch ein Mini-Machane, das Haus wird also gut gefüllt sein. 15 Teams wollen mit ihren Acts zum diesjährigen Thema »Be Yourself« das Publikum begeistern.
Teilnehmen werden wieder die Jugendzentren der größeren jüdischen Gemeinden wie München, Frankfurt, Hamburg, Köln und als Gewinner des Vorjahres Berlin. Aber auch Kids aus kleineren Gemeinden tanzen und singen mit, indem sie sich mit anderen Jugendzentren zusammenschließen. Die große Bühne muss ausgenutzt werden.
Proben Daniel Schwarz aus Gelsenkirchen hat mehrmals auf der Jewrovision-Bühne gestanden und gehört nun dem Madrichim-Team an. 24 Kids wollen für ihr Jugendzentrum einen Act kreieren. »Aber nicht alle sind die ganze Zeit auf der Bühne beschäftigt«, erzählt der 19-Jährige. Derzeit wird jeden Sonntag geprobt, und kurz vor der Jewrovision sind mehrere Treffen und ein Intensiv-Wochenende mit Übernachtung geplant.
»Wir sind ein kleineres Jugendzentrum, und bei uns kann jeder mitmachen«, sagt der Student. Überhaupt sollte jeder, der Lust dazu hat, mit von der Partie sein können. »Das ist in meinen Augen die Jewrovision.«
Der selbst geschriebene Text steht bereits. Auf die Musik haben sie sich auch geeinigt, es werden zwei Songs gemixt. Derzeit arbeiten sie an der Choreografie, während Kostüme und Bühnenbild noch ausgesucht werden müssen. Auch das Video muss noch gedreht werden. »Die Stimmung ist gut.« Denn die Jewrovision ist natürlich für die Jugendlichen das Highlight schlechthin. Und immerhin hatte es Gelsenkirchen vergangenes Jahr auf den vierten Platz geschafft.
Beim Veranstalter, dem Zentralrat der Juden in Deutschland, wollen sie in diesem Jahr einen Coach beantragen. »Es ist gut, wenn ein Außenstehender auf die Show schaut und vielleicht noch andere Ideen einbringt«, meint Daniel.
Fahrgemeinschaften Der Bus ist bereits gemietet. »Es wird kein Platz frei bleiben«, sagt Shterna Wolff vom Jugendzentrum »Chai« aus Hannover. Ältere Teilnehmer organisieren ihre Fahrt selbst, denn nach Berlin ist es nicht weit. Oft findet die Pädagogin es schwierig, die Kids mit guten Angeboten fürs Jugendzentrum zu begeistern. »Sie haben durch die Ganztagsschule weniger Zeit, sind viel mit ihren Handys und Social Media beschäftigt und rasch abgelenkt.«
Deshalb sind Handys im Juze nicht erwünscht. Doch zu Zeiten der Jewrovision sind die Kids begeistert mit dabei. »Es ist ein starker Text geworden, den sie geschrieben haben«, sagt Wolff. Der Song steht auch. »Sie machen alles alleine«, lobt sie die Jugendlichen. Und das ist für sie das Wichtigste.
Mini-Machane Beim Casting stellte sich heraus, wer auf der Bühne singen darf. Einige wollen gar nicht auftreten, sondern nur zum Mini-Machane. Auch in Hannover sei die Stimmung gut. »Wir wollen gewinnen«, sagt die Pädagogin. Der erste Platz wäre natürlich schön. Danach dürfe dann wieder ein anderes Jugendzentrum an der Spitze stehen, sagt sie und lacht. Einmal waren sie sogar schon Zweiter.
Den ersten Platz möchten auch die Kids aus Oldenburg gewinnen, sagt der 16-jährige Mosche Wältermann. Er ist seit Jahren dabei, und zwar als Tänzer. Video, Choreografie und Gesang – die 14 Kids sind mit ihrem Programm schon recht weit. »Wir sind alle mit Feuereifer dabei, und der Zusammenhalt ist stark.« In diesem Jahr werden sie wieder alleine auf der Bühne stehen, denn die Kids haben beschlossen, nicht weiter mit den Bremern zu starten, da es Konflikte gegeben hatte und die Strukturen nicht gepasst hätten.
performance Für die Kids aus Trier und Saarbrücken, die traditionell zusammen auf der Bühne stehen, wurde extra ein Studio für die Proben angemietet. »Dort gibt es Spiegel, und es ist leichter, so erfolgreich zu proben, da man sich sieht«, sagt Madricha Emilia Taran aus Trier. »Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren.« Zwölf bis 15 Jugendliche werden performen. »Wir wollen überraschen.« Mit mehr als 700 Kilometern ist Trier die Gemeinde, die nach Freiburg am zweitweitesten von Berlin entfernt ist. Emilia rechnet mit einer Busfahrt von zehn Stunden.
Per Casting sollten die Talente eines jeden Bewerbers erkannt werden.
Die Proben für die Jugendlichen aus Wuppertal, Duisburg, Essen, Krefeld und Mönchengladbach finden in Düsseldorf statt.
Auch die Jugendlichen aus Wuppertal, Duisburg-Mülheim/Ruhr-Oberhausen, Essen, Krefeld, Mönchengladbach und Aachen müssen zu den Proben fahren, denn diese finden überwiegend in der Düsseldorfer Grundschule statt, erzählt Mascha Brosius, Leiterin des Juze Krefeld. »Unsere Proben laufen seit November.« Und Camps sind auch geplant. Jedes Kind soll mitmachen können, sagt Mascha.
Ein Casting hat es für die mehr als 30 Jugendlichen nur gegeben, um ihre Talente herauszufinden. Der Song werde demokratisch ausgewählt. Dank vieler Veranstaltungen wie die Makkabi Junior Games und das Fußball-Turnier in Köln kennen sich die Kids und halten gut zusammen. »Ich bin stolz auf sie. Natürlich wollen wir auch einen vorderen Platz.«
Schirmherren Die Schirmherrschaft der 19. Jewrovision, die wieder von der Genesis Philanthropy Group unterstützt wird, haben Familienministerin Franziska Giffey und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (beide SPD) übernommen. »Die Jewrovision ermutigt Jugendliche, die eigene jüdische Identität selbstbewusst in unserer vielfältigen Gesellschaft zu leben und couragiert den eigenen Weg zu gehen«, sagt Müller.
Dieses Motto passe auch gut zu einer weltoffenen und vielfältigen Stadt wie Berlin, in der jüdisches Leben einen festen Platz habe. »Das ist vor dem Hintergrund unserer Geschichte alles andere als selbstverständlich und ein großes Geschenk. Wir sind gefordert, Antisemitismus in all seinen Formen konsequent entgegenzutreten und sicherzustellen, dass niemand aufgrund seiner Herkunft, seines Glaubens oder aus anderen Gründen diskriminiert oder angefeindet wird.«