Weil die seit Mitte Dezember geltenden Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie keine wesentliche Besserung brachten, haben Bund und Länder am 5. Januar beschlossen, sie zu verschärfen. Was bedeutet das für den Schulunterricht? Da die in der Schulpolitik zuständigen Länder unterschiedliche Vorgaben machen, zeigt sich hier ein äußerst unterschiedliches Bild.
In Berlin setzt man auf »Salz«. Das stehe für schulisch angeleitetes Lernen zu Hause, erläutert Aaron Eckstaedt, Leiter des Jüdischen Gymnasiums Moses Mendelssohn. In der zweiten Januar-Woche findet dort kein Präsenzunterricht statt.
Noch bis kurz vor Schulbeginn am 4. Januar gab es Unstimmigkeiten. Eigentlich hätte das Gymnasium nach Vorgabe der Berliner Senatsverwaltung für die Abschlussjahrgänge öffnen müssen. Am vergangenen Freitag habe sich das Kollegium dagegen ausgesprochen, berichtet Eckstaedt. Am Schabbat sei die Nachricht der Senatsverwaltung eingetroffen, dass die Schulen gemeinsam mit den Eltern selbst entscheiden könnten, ob sie Präsenzunterricht anbieten.
Elternvertreter »Wir sprechen uns mit den Elternvertretern dagegen aus, Präsenzunterricht durchzuführen«, betont Eckstaedt. Nun lernen alle Schüler von zu Hause aus – nach dem ganz normalen Stundenplan. Das Gymnasium arbeite schon seit dem vergangenen Frühjahr mit der Software »Microsoft Teams«. Am Anfang habe es gehakt, doch mittlerweile zeigt sich Eckstaedt zufrieden: »Ich glaube, dass wir sehr gut damit umgehen können.«
Er geht davon aus, dass auch in der kommenden Woche kein Präsenzunterricht für die Abschlussjahrgänge stattfinden wird. Eckstaedt sagt, er warte das Votum der Gesamtelternvertretung der Schule ab.
Die Pläne der Senatsverwaltung, Ende Januar neben den Abschlussklassen auch den Klassen fünf und sechs wieder gestaffelten Präsenzunterricht anzubieten, betrachtet er skeptisch: »Diese ganzen Modelle gehen davon aus, dass die Infektionszahlen sinken.« Momentan sei das Gegenteil der Fall. »Wir gehen eher davon aus, dass der Präsenzunterricht weiterhin nicht stattfindet«, sagt Eckstaedt.
Beschlüsse Für die Schüler des Hamburger Joseph-Carlebach-Bildungshauses hat sich mit den jüngsten Beschlüssen von Bund und Ländern nichts geändert. »Schon vor den Ferien zur Jahreswende hatten wir nur Notbetreuung, und es fand kein Präsenzunterricht mehr statt«, berichtet Stefanie Szczupak, im Vorstand der Jüdischen Gemeinde in Hamburg zuständig für das Bildungshaus. Das gelte auch weiterhin.
Die Modelle für den Präsenz-Unterricht gehen von sinkenden Infektionszahlen aus.
Die Schule habe 2020 ein Digitalpaket erarbeitet. Es bestehe, so Szczupak, aus drei Komponenten, mit denen auch schon vor den Ferien unterrichtet worden sei. Zum einen sei eine interne Cloud angelegt worden, in der montags die Wochenaufgaben für jedes Fach und jeden Schüler vom jeweiligen Tutor hinterlegt würden. Zudem werde die Online-Konferenzsoftware »Big Blue Button« genutzt. »Jede Klasse hat dort einen eigenen virtuellen Klassenraum«, erläutert Szczupak.
Eine Lernmanagementsoftware verbinde schließlich die Cloud und »Big Blue Button«. Sie beinhalte alle Lernmaterialien und die aktuellen Aufgaben. »Dadurch können wir online unterrichten«, sagt Szczu-
pak. Es sei ein digitaler Präsenzunterricht. »Es funktioniert«, freut sich Szczupak.
Homeschooling Digital lernen auch die Schüler am Düsseldorfer Albert-Einstein-Gymnasium. »Wir haben – bedingt durch die Vorgaben des Landes Nordrhein-Westfalen – wieder auf unser bewährtes Online-System für Homeschooling umgestellt«, berichtet Schulleiter Michael Anger. Jeder Schüler habe ein vom Gymnasium zur Verfügung gestelltes Tablet. Die Softwareplattform für Aufgaben, Chats und Videokonferenzen sei »Microsoft Teams«. »Der Stundenplan wird voll erfüllt«, betont Anger.
Einen gemischten Ansatz verfolgt unterdessen die I. E. Lichtigfeld-Schule in Frankfurt. »In den Klassen eins bis sechs entscheiden die Eltern, ob sie ihre Kinder in die Schule schicken«, sagt Schulleiterin Noga Hartmann. »Es findet Distanzunterricht in Präsenz und Distanzunterricht von zu Hause aus statt«, erläutert sie. Vor den Ferien seien die hessischen Schulen geöffnet gewesen. Mittlerweile habe das Land Hessen die Präsenzpflicht aufgehoben.
Die Klassen fünf und sechs arbeiteten ebenfalls über »Microsoft Teams«, berichtet Hartmann. Die Plattform ermögliche Video- und Audiokonferenzen, Chats, das Abspielen digitaler Filme und das Hoch- und Herunterladen von Materialien. Hartmann betont: »Schüler, die in der Schule anwesend sind, haben gegenüber Schülern, die zu Hause lernen, keinen Vorteil, da kein herkömmlicher Frontalunterricht stattfindet.«
In Frankfurt wird nur der Abiturjahrgang Q3 im Schulgebäude unterrichtet.
Oberstufe In den Klassen sieben bis Q1 (Oberstufe) gehe der Distanzunterricht weiter. Die Schüler lernten zu Hause über »Teams«, erklärt Hartmann. Hauptfächer wie Sprachen und Naturwissenschaften hätten dabei höhere Priorität gegenüber Nebenfächern. Der Abiturjahrgang Q3 hat seinen Unterricht unterdessen laut Hartmann im Schulgebäude. »Dieser Jahrgang lernt exakt nach Stundenplan und schreibt alle Klausuren, da diese abiturrelevant sind.« Hartmann betont dabei, dass im Sommer die erste Abnahme des Abiturs im historischen Philanthropin-Gebäude seit 1939 bevorstehe.
»Wir haben den normalen Stundenplan eins zu eins in den digitalen Raum verlagert, sodass die Stunden einfach per Videokonferenz stattfinden«, berichtet Miriam Geldmacher, Direktorin des Jüdischen Gymnasiums München. Auch die Einzelförderung, Begabtenförderung, Wahlkurse, der Deutsch-als-Zweitsprache-Unterricht sowie weitere Angebote fänden auf diesem Weg statt. Die Schule nutze »Microsoft Teams« für den Unterricht, aber auch für die Dateienablage sowie für den Austausch unter den Kollegen.
Notbetreuung Für Schüler der fünften und sechsten Klasse bietet das Münchner Gymnasium eine Notbetreuung an. Sie werde jedoch aktuell nur von zwei Schülern genutzt, sagt Geldmacher. »Sie nehmen dann von der Schule aus am Online-Unterricht teil«, erläutert sie. »Da alle Schüler und Lehrkräfte mit iPads ausgestattet sind, haben wir auch technisch keine Probleme«, freut sich die Schulleiterin.
Bezüglich der weiteren Entwicklung bleibt Geldmacher jedoch vorsichtig: »Wir stellen uns darauf ein, dass wir auch über den 31. Januar hinaus im Distanzunterricht bleiben müssen.«