Chanukka

Von links nach rechts – neu vor alt?

Eintrag von Rabbiner Riesenburger in Hermann Simons Heft für den Religionsunterricht Foto: privat

Chanukka

Von links nach rechts – neu vor alt?

Hermann Simon erinnert sich an einen immerwährenden Familienstreit

von Hermann Simon  10.12.2020 09:39 Uhr

In diesen Tagen ist viel von Weihnachten die Rede, wie in diesem Jahr gefeiert, wie eingeschränkt und anders es sein wird als sonst. Die Einschränkungen betreffen auch uns jüdische Familien, und zwar bei Chanukka, das in diesem Jahr am Abend des 10. Dezember beginnt. Größere Familienfeiern wird es wegen Corona nicht geben, weil der Schutz des Lebens für uns oberstes Gebot ist, hat Zentralratspräsident Josef Schuster zu Recht erklärt.

Immerhin gibt es wieder größere jüdische Familien. Das war in den 50er-Jahren in Ost wie West nicht der Fall. Von den wenigen jüdischen Familien, die es beispielsweise in Ost-Berlin gab, waren es noch weniger, die nicht Weihnachten, sondern Chanukka feierten. Dass meine dazugehörte, ist das Verdienst meiner Eltern, die der Meinung waren, man müsse sich konsequent zu seiner Tradition bekennen.

Spannung So wurden vollkommen selbstverständlich zu Chanukka an jedem der acht Tage Kerzen des Chanukkaleuchters gezündet. Das Privileg, dies zu tun, war im Wesentlichen meinem Vater vorbehalten, der sich danach ans Klavier setzte und die Chanukka-Hymne spielte, mit uns die fünf Strophen sang, ja, sogar noch eine Strophe hinzufügte, weil sie – wenn auch klein gedruckt und in Klammern – im Gebetbuch stand. Das erhöhte am ersten Tag die Spannung, bis meine Schwester und ich unsere Geschenke erhielten.

Nach dem Lichterzünden setzte sich der Vater ans Klavier und sang gemeinsam mit seiner Familie die fünf Strophen der Chanukka-Hymne.

Alljährlich gab es bei uns zu Hause eine Diskussion, die erst mit dem dritten Licht von Bedeutung war, darüber, wie denn nun die Kerzen anzuzünden sind: von links nach rechts oder von rechts nach links. Vermutlich war es meine Mutter, die aus ihrem Elternhaus eine weitere Variante in die Diskussion einbrachte, und zwar: Erst wird das neueste Licht gezündet, und dann die anderen Kerzen von rechts nach links.

Ich erinnere mich, dass im Verlaufe einer Diskussion über dieses so wichtige Thema – es muss um 1960 gewesen sein – mein Vater vorschlug, ich möge doch Rabbiner Martin Riesenburger, bei dem ich Religionsunterricht hatte, anrufen und ihn fragen, was denn nun richtig sei.

Religionsheft An seine Antwort kann ich mich zwar nicht erinnern, aber ich kann sie rekonstruieren: In mein Heft, das vom Religionsunterricht stammt und das ich vor wenigen Tagen beim Aufräumen fand, hat es mir Riesenburger hineingeschrieben. Unter der Überschrift »Die Ordnung des Anzündens der Chanukka-Lichte« schrieb er:

»Kapitel 139, Absatz 11: Bei uns ist folgendes gebräuchlich: In der ersten Nacht zündet man das Licht an, das einem rechts gegenüber steht; in der zweiten Nacht fügt man links davon eins hinzu, und so in jeder Nacht weiter fügt man links ein Licht hinzu, das Neuhinzugefügte zündet man immer zuerst an und wendet sich nach rechts weiter.« Die Kapitel und Absatzangabe beziehen sich auf den Kizzur Schulchan Aruch, jenes Werk, das die religionsgesetzlichen Bestimmungen für das jüdische Leben beinhaltet.

Die in meinem Elternhaus geführte Diskussion wird sicher auch in diesem Jahr in unserer Familie geführt.

Der Autor war von 1988 bis 2015 Direktor des Centrum Judaicum.

Mitzvah Day

Im Handumdrehen

Schon vor dem eigentlichen Tag der guten Taten halfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentralrats bei der Berliner Tafel, Lebensmittel zu prüfen

von Sören Kittel  20.11.2025

Misrachim

»Selbst vielen Juden ist unsere Kultur unbekannt«

Ihre Familien kommen aus Marokko, Libyen, Irak und Aserbaidschan. Ein Gespräch über vergessene Vertreibungsgeschichten, sefardische Synagogen und orientalische Gewürze

von Joshua Schultheis, Mascha Malburg  20.11.2025

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

Berlin

450 Einsatzkräfte schützen jüdische Einrichtungen

Zudem seien im laufenden Jahr zwei Millionen Euro in bauliche Sicherheitsleistungen für jüdische Einrichtungen investiert worden sowie 1,5 Millionen Euro in mobile Sicherheitsleistungen für jüdische Gemeindeeinrichtungen

 19.11.2025

Ehrung

»Gräben aufgerissen«

Der Preis Augsburger Friedensfest ehrt Personen, die sich um ein friedvolles Miteinander der Religionen bemühen. Jetzt ging er an Josef Schuster vom Zentralrat der Juden. Er äußert sich bei der Verleihung kritisch

von Christopher Beschnitt  18.11.2025

Leipzig

Henriette Goldschmidt: Feministin der ersten Stunde

Sie wollte Frauen durch Bildung und Erwerbstätigkeit mehr Unabhängigkeit ermöglichen: Henriette Goldschmidt eröffnete in Leipzig die erste »Hochschule für Frauen«. Vor 200 Jahren wurde sie geboren

von Katharina Rögner  17.11.2025

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025

Porträt der Woche

Bühne und Heimweh

Emiliia Kivelevich inszeniert Theater zwischen Kunst, Glaube und Migration

von Christine Schmitt  16.11.2025

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025