Achava-Festspiele

Von Berlin nach Erfurt

»Ich werde alles daran setzen, dass Achava in Thüringen bleibt.« Ministerpräsident Bodo Ramelow Foto: dpa

Achava-Festspiele

Von Berlin nach Erfurt

Das für die Hauptstadt konzipierte Kulturfestival hat auch in der Provinz Chancen, sagt Manager Martin Kranz

von Esther Goldberg  31.08.2015 18:22 Uhr

Die Achava-Festspiele unter der Intendanz von Martin Kranz sind die Alternative für die abgesagten Jüdischen Kulturtage in Berlin in diesem Jahr. Für Thüringen stellen sie eine hochgelobte Premiere dar. Längst hatte Kranz Künstler aus Israel, den USA und anderen Ländern für das Jahr 2015 verpflichtet, bevor die umstrittene Absage der Berliner Gemeinde kam.

Kranz zog Konsequenzen und mit seinem Tross nach Thüringen. Dort lief er offene Türen ein und erhält seither viel Beifall für seinen Schritt in die Provinz. Denn ein solches Festival mit jüdischem Impuls und deutschlandweiter Ausstrahlung hat es bislang in dieser Region noch nicht gegeben. Interreligiöse Dispute mit hochrangigen Vertretern der abrahamitischen Religionen und internationale Bühnenkunst erster Güte gestalten die derzeit noch laufende Premiere zu einem Erfolg.

»Wenn wir 3000 Besucher innerhalb dieser neun Tage haben werden, bin ich zufrieden«, sagt Kulturmanager Kranz. Verglichen mit den 35.000 Besuchern der Jüdischen Kulturtage im vergangenen Jahr in Berlin ist das wenig. Allerdings sahen die Zahlen vor elf Jahren in der Hauptstadt ähnlich aus, obwohl die Berliner Gemeinde 10.000 Mitglieder hat.

Eröffnung In Thüringen hingegen sind es kaum 800. »Thüringen hat die Hälfte der Einwohner von Berlin. Und zudem möchten wir aus Thüringen heraus die Einladung nach Berlin und Frankfurt und andere Regionen schicken«, antwortet Martin Kranz auf die Frage, ob ein solches Festival nicht vielleicht zu groß für das kleine Thüringen sei. Bereits in diesem Jahr habe er Reaktionen aus Köln und München erhalten. Auch Berliner waren angereist, um das famose Eröffnungskonzert im Dom mit drei Kantoren und dem Rias-Kammerchor zu erleben.

Für ihn werde es »Zeit, dass auch solche positiven Signale wie diese Festspiele aus dem Osten kommen«, sagte Kranz. Aus Thüringen stammte der NSU. In der Suhler Flüchtlingsunterkunft kam es zu einem Übergriff. Doch nun kommt dieses Festival. Die Idee ist gut, ob das aber in den kommenden Jahren personell und finanziell zu stemmen ist? »Ich werde alles daran setzen, dass Achava in Thüringen bleibt«, betont Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke). Der Zentralrat der Juden hat für Achava eine Anschubfinanzierung gegeben. Und in diesem Jahr wurden noch nicht einmal Steuergelder eingesetzt wie in Berlin.

»Für uns ist das Festival ein tolles Signal«, sagte Reinhard Schramm, Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen. Er will die Festspiele nicht an der Größe seiner Gemeinde messen. Vielmehr hält er die eigene Gemeinde »für so klein, dass es wichtig ist, das Wort ›jüdisch‹ auch außerhalb der Gemeinde zu hören«. Da auch die Politik auf sichtbares jüdisches Leben setze – Schramm spricht von »beispielloser Unterstützung« –, werde auch in Zukunft das Fest der Brüderlichkeit gelingen können.

Religion Auch Walter Homolka, Rektor des Abraham Geiger Kollegs in Potsdam, hält Thüringen für groß genug, ein solches Festival zu tragen – nicht nur als einmalige Ausweichmöglichkeit, weil die Jüdischen Kulturtage in Berlin weggebrochen sind. Vielmehr erlebe er, dass es bereits eine große Vertrautheit der Religionen in dem kleinen Bundesland gebe.

Eine Vertrautheit zwischen der Jüdischen Gemeinde und der Gesellschaft. Das mag auch damit zusammenhängen, dass Erfurt so massiv an der Erforschung jüdischen Lebens im Mittelalter arbeitet und deshalb mit einiger Erfolgsaussicht auf seinen Eintrag auf die Weltkulturerbeliste der UNESCO blickt. Die mittelalterliche Synagoge, die einzigartige Mikwe und der gehobene jüdische Schatz haben ein Umdenken in Bewegung gesetzt.

Damit ein solches Fest auch in den kommenden Jahren stattfinden kann, reichen selbst die besten Willenserklärungen nicht aus. Doch scheinen bereits die nächsten Ideen greifbar. So denken die Macher um Martin Kranz, Jascha Nemtsov und Hellmut Seemann beispielsweise über ein Limmud-Angebot an der Uni Jena nach. Diese vier Tage jüdischen Lernens dürften ein deutschlandweites Interesse finden. Und die Finanzierung, die in diesem Jahr so schnell realisiert werden musste, dürfte mit etwas mehr Zeit zumindest vorstellbar sein.

Berlin

»Berlin verneigt sich«

Zwei Monate nach ihrem Tod wird die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer in Berlin gewürdigt. Der Bundespräsident mahnt vor Politikern und Weggefährten, das Erbe der Jahrhundertfrau weiterzutragen

von Alexander Riedel  09.07.2025 Aktualisiert

Engagement

Verantwortung übernehmen

Erstmals wurde der Fritz-Neuland-Gedächtnispreis verliehen. Die Auszeichnung erhielten der Jurist Andreas Franck und die AG PRIOX der bayerischen Polizei

von Luis Gruhler  09.07.2025

Deutsch-Israelischer Freiwilligendienst

»Wir müssen gewachsene Strukturen erhalten«

ZWST-Projektleiter Erik Erenbourg über ein besonderes Jubiläum, fehlende Freiwillige aus Deutschland und einen neuen Jahrgang

von Christine Schmitt  09.07.2025

Essen

Vier Tage durch die Stadt

Der Verein Kibbuz Zentrum für Kunst, Kultur und Bildung führte 20 Jugendliche einer Gesamtschule an jüdische Orte. Die Reaktionen überraschten den Projektleiter

von Stefan Laurin  09.07.2025

Berlin

Millionenförderung für jüdisches Leben

Die sogenannten Staatsleistungen machten dabei fast 8,9 Millionen Euro in dieser Summe aus. Als Zuwendung für personelle Sicherheitsleistungen flossen den Angaben zufolge 6,1 Millionen Euro

 09.07.2025

Magdeburg

Staatsvertrag zur Sicherheit jüdischer Gemeinden geändert

Die Änderung sei durch den Neubau der Synagogen in Magdeburg und Dessau-Roßlau vor rund zwei Jahren sowie durch zu erwartende Kostensteigerungen notwendig geworden

 09.07.2025

Berliner Philharmonie

Gedenkfeier für Margot Friedländer am Mittwoch

Erwartet werden zu dem Gedenken langjährige Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter, Freundinnen und Freunde Friedländers sowie Preisträgerinnen und Preisträger des nach ihr benannten Preises

 08.07.2025

Mittelfranken

Archäologen entdecken erste Synagoge Rothenburgs wieder

Erst zerstört, dann vergessen, jetzt zurück im Stadtbild: Die erste Synagoge von Rothenburg ob der Tauber ist durch einen Zufall wiederentdeckt worden. Ihre Überreste liegen aber an anderer Stelle als vermutet

von Hannah Krewer  08.07.2025

Biografie

»Traut euch, Fragen zu stellen«

Auch mit 93 Jahren spricht die Schoa-Überlebende Eva Szepesi vor Schülern. Nun hat sie ein Bilderbuch über ihre Geschichte veröffentlicht

von Alicia Rust  06.07.2025