München

Vom Leben und Überleben

Einhundert Jahre wurde der im Sommer 2019 verstorbene Artur »Atze« Brauner alt. Eine Legende war der in Polen geborene Jude, der Hollywood nach Deutschland holte, aber schon zu Lebzeiten. Seine Tochter Alice, die beruflich in seine Fußstapfen getreten ist, hat das aufregende Leben ihrer Eltern in der soeben erschienenen Biografie Also dann in Berlin … beschrieben – eine Liebeserklärung auf 336 Seiten.

Im Gemeindezentrum der Israelitischen Kultusgemeinde am Jakobsplatz ist Alice Brauner ein stets gern gesehener Gast. Seitdem sie mit einem Münchner Unternehmer verheiratet ist und die bayerische Landeshauptstadt neben Berlin zu ihrem Lebensmittelpunkt geworden ist, sind ihre Besuche ein Heimspiel. Profitieren davon konnten die Gemeindemitglieder, die sich die Vorstellung des Buches durch die Autorin selbst nicht entgehen lassen wollten. Und auf die Zusage von Alice Brauner für diesen Termin musste Ellen Presser, die Leiterin der IKG-Kulturabteilung, nicht lange warten.

videobotschaft Den Stellenwert, den der Name Brauner in der jüdischen Gemeinde genießt, verdeutlichte Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Sie musste an dem Abend zwar einen unaufschiebbaren Termin außerhalb Münchens wahrnehmen, wollte es sich aber nicht nehmen lassen, wenigstens virtuell an der Buchpräsentation im Gemeindezentrum teilzunehmen. Ihre Ansprache wurde per Videobotschaft auf der Großleinwand des Hubert-Burda-Saals übertragen.

Artur Brauner genoss hohes Ansehen im Filmgeschäft der Nachkriegszeit.

Das Ansehen, das Artur Brauner im Filmgeschäft der Nachkriegszeit genoss, lässt sich leicht an den Namen zahlloser Stars festmachen, die in und an seinen Produktionen mitwirkten und mit seiner Lebensgeschichte fest verbunden sind: Gert Fröbe, Maria Schell, Heinz Rühmann, O. W. Fischer und Romy Schneider gehören beispielsweise dazu. An diesen enormen beruflichen Erfolg von Artur Brauner, dessen »Central Cinema Compagnie« (CCC-Filmkunst) zur größten Filmproduktionsstätte Europas wurde, erinnerte Charlotte Knobloch in ihrem virtuellen Grußwort.

Sie war Artur Brauner und seiner Frau, die die »Hölle« der Nazis überlebten und fast ein dreiviertel Jahrhundert gemeinsam durchs Leben gingen, über die Jahre viele Male persönlich begegnet: »Sie waren ein Paar, das ganz einfach wunderbar zusammenpasste. Jeder, der die beiden einmal Arm in Arm über einen roten Teppich spazieren sah, verliebt wie am ersten Tag und jeden Moment genießend, weiß das.«

charakterisierung Diese bewegende Charakterisierung von Artur und Maria Brauner ist zugleich ein wesentlicher Teil der Biografie Also dann in Berlin … von Alice Brauner, wie im Verlauf des Abends schnell klar werden sollte. Die Geschichte, zu der das Überleben im Krieg und die Verwirklichung des Traums, Hollywood nach Deutschland zu holen, gehören, ist vor allem die Geschichte einer großen, ganz außergewöhnlichen Liebe.

Seine Frau, seine Kinder, die Familie empfand Artur Brauner abseits des schillernden Filmgeschäfts als Ort der inneren Ruhe, als Schutzwall. Das geht aus zahllosen Passagen des Buches hervor. Einige davon las seine Tochter Alice, die seit 2019 die »CCC-Filmkunst« leitet, bei der Präsentation im Gemeindezentrum vor. Ihr liebevoller Blick und die einfühlsame Schilderung, die sich durch das gesamte Werk ziehen, waren stets präsent.

Artur Brauner, der bereits 1946 in der Trümmerwüste Berlins seinen ersten Film drehte und nur zwei Jahre später mit der Gründung von CCC-Filmkunst den Grundstein für sein späteres Imperium legte, engagierte sich Zeit seines Lebens für den Austausch zwischen Juden und Christen, dennoch wurde die Unfassbarkeit des Holocaust sein Lebensthema.

21 von rund 500 Filmproduktionen, an denen Artur Brauner beteiligt war, werden seit 2009 in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem gezeigt, 2010 wurde dort eine eigene Mediathek eingerichtet.

strategie Aus erster Hand erfuhren die Gäste im Gemeindezentrum der IKG, wie weit Artur Brauner bei der filmischen Aufarbeitung des Holocaust ging, aber auch, welche Erfahrungen er dabei machen musste. Nur mithilfe einer besonderen Geschäftsstrategie konnte er Filme verwirklichen, die sich mit der Verfolgung der Juden durch die Nazis auseinandersetzten. Das Geld für Produktionen wie Die weiße Rose oder Hitlerjunge Salomon verdiente Brauner mit der Produktion und dem Verkauf von Unterhaltungsfilmen.

21 von rund 500 Filmproduktionen, an denen er beteiligt war, werden seit 2009 in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem gezeigt, 2010 wurde dort eine eigene Mediathek eingerichtet. Die Vorführungen an diesem Ort bezeichnete Brauner selbst einmal als »die Krönung meines Filmschaffens«.

Auch die Präsentation der Biografie im Gemeindezentrum der IKG hätte ihm gefallen. Nicht nur, weil seine Tochter Autorin des Buches ist und es gemeinsam mit der Literaturwissenschaftlerin Heike Gronemeier vorstellte. Brauner hatte für diesen Abend, den der Journalist Günter Keil moderierte, die Lieblingslieder ihrer Eltern herausgesucht. Vivian Kanner und die Nichte von Alice Brauner trugen sie vor, begleitet von Maxim Shagaev am Akkordeon.

Berlin/Potsdam

Zentralrat der Juden erwartet Stiftung für Geiger-Kolleg im Herbst

Zum Wintersemester 2024/25 soll sie ihre Arbeit aufnehmen

 26.07.2024

Potsdam

Neuer Name für das Abraham Geiger Kolleg bekannt geworden

Die Ausbildungsstätte für liberale Rabbiner soll nach Regina Jonas benannt werden

 26.07.2024

Berlin

Wegner besucht verwüstetes israelisch-palästinensisches Lokal

Das Restaurant wurde vergangene Woche verwüstet

 26.07.2024

Düsseldorf

Sägen, fräsen, bohren

Im Südwesten der Stadt betreibt die Gemeinde eine metallverarbeitende Behindertenwerkstatt

von Stefan Laurin  25.07.2024

Ausstellung

Olympioniken im KZ Buchenwald

Auf dem Ettersberg bei Weimar treffen unterschiedlichste Biografien aufeinander

von Matthias Thüsing  25.07.2024

Berlin

Große Räume für große Träume

Hillel zieht von Neukölln nach Kreuzberg

von Joshua Schultheis  25.07.2024

Olam

Für die Kids

Der Senat unterstützt das Jugendzentrum der Jüdischen Gemeinde zu Berlin mit 450.000 Euro

von Christine Schmitt  25.07.2024

Kommentar

Der »Spiegel« schreibt am eigentlichen Thema vorbei

In seiner Berichterstattung über das Abraham-Geiger-Kolleg konstruiert das Magazin eine Konfliktlinie

von Rebecca Seidler  25.07.2024 Aktualisiert

Leipzig

Sachbeschädigung an jüdischer Einrichtung

Der Tatverdächtige wurde nach der Tat verhaftet und ist inzwischen wieder auf freiem Fuß

 24.07.2024