Düsseldorf

Visum, Einreise, Aufenthalt

Rund 80 Prozent der etwa 7000 Mitglieder der Düsseldorfer Gemeinde stammen aus ehemaligen Sowjetrepubliken, viele davon aus der Ukraine. Foto: Getty Images

Die russische Invasion der Ukraine war auch für viele Mitglieder der Düsseldorfer Gemeinde ein Schock. Nach Bekanntwerden des Angriffs gingen erste Anrufe von verunsicherten Gemeindemitgliedern mit ukrainischen Angehörigen ein.

Rund 80 Prozent der etwa 7000 Mitglieder stammen aus ehemaligen Sowjetrepubliken, viele davon aus der Ukraine, sagt Olga Rosow, Leiterin der Sozialabteilung der Gemeinde. Sie kommt selbst ursprünglich aus Kiew und hat Familie in der Ukraine. »Die Menschen machen sich Sorgen um ihre Angehörigen. Man spürt ein Gefühl der Hilflosigkeit«, erzählt die Leiterin.

Pass Die Anrufer haben vor allem Klärungsbedarf darüber, welchen Status Geflüchtete mit ukrainischem Pass in Deutschland haben und wie lange sie bleiben dürfen. Auch die Frage, ob und wie man Angehörigen helfen kann, die aktuell in der Ukraine sind, beschäftigt gerade viele Jüdinnen und Juden mit ukrainischen Wurzeln.

Die Gemeinde richtete daraufhin bereits wenige Stunden nach dem Beginn des russischen Einmarsches drei Telefonnummern als Hotline ein. Zwei der Nummern führen zur Sozialabteilung der Gemeinde, eine Nummer zur Düsseldorfer jüdischen Telefonseelsorge. Gedacht sind die Nummern für Menschen mit Fragen zu den Folgen des Krieges, zum Beispiel zur Einreise ukrainischer Familienangehöriger und ihrem Status in Deutschland.

»Wir sind in engem Kontakt mit der Stadt Düsseldorf, der kommunalen Ausländerbehörde und den Wohlfahrtsverbänden«, betont Olga Rosow. Man könne Anrufern zunächst einmal erste Informationen geben und ihnen weitere Stellen nennen, an die sie sich wenden können. Zu den ersten Informationen gehört, dass Ukrainer ohne Visum zunächst 90 Tage in Deutschland bleiben dürfen, ein sogenannter Kurzaufenthalt. Danach können sie eine Aufenthaltserlaubnis für weitere 90 Tage einholen.

KOntakt Die Gemeinde kann informieren und Kontakt zu Hilfsangeboten vor Ort im Raum Düsseldorf herstellen. Menschen aus der Ukraine herausholen, was sich einige Anrufer wünschen, kann sie allerdings nicht.

Sie bereitet sich gemeinsam mit der Stadt Düsseldorf auf die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine vor. Da die ukrainische Regierung nach dem Überfall die Mobilmachung verkündet hat, dürfen zurzeit keine wehrfähigen Männer mit ukrainischer Staatsangehörigkeit ausreisen, die zwischen 18 und 60 Jahre alt sind. Das hat zur Folge, dass unter den ersten Flüchtlingen, die in Deutschland ankommen, vorwiegend Frauen, Kinder und ältere Männer sind.

Die Strukturen für die soziale Betreuung von Flüchtlingen sind vorhanden.

Die Hotline-Nummern wurden prominent auf der Internetseite der Gemeinde und auf Facebook veröffentlicht. Alle Nummern sind von Montag bis Freitag, die der Seelsorge auch am Sonntag erreichbar. An den Telefonen der Gemeinde melden sich Ansprechpartner, die auch Russisch sprechen.

Mit diesem schnell eingerichteten Angebot konnte die Gemeinde auf bestehende Ressourcen zurückgreifen. Die Telefonseelsorge, bekannt als Vertrauenstelefon »Jüdische Hotline«, existiert in Düsseldorf schon seit Jahren. Normalerweise dient sie als psychologischer Notdienst, der »auf moralische, emotionale, spirituelle und informative Unterstützung ausgerichtet ist«.

Erfahrung Im Umgang mit Jüdinnen und Juden aus der Ukraine hat man in der Sozialabteilung der Gemeinde bereits viel Erfahrung gesammelt. Schließlich haben die Mitarbeiter in den vergangenen Jahren immer wieder auch ukrainische Einwanderer bei ihrem Neustart im Rheinland begleitet. Die Strukturen für die soziale Betreuung von Flüchtlingen sind somit vorhanden. Die Stadt Düsseldorf hat bereits Räume für ukrainische Flüchtlinge angemietet.

Am Nachmittag des ersten Kriegstages nahmen mehrere Gemeindemitglieder an der Antikriegs-Demonstration auf einem Platz im Düsseldorfer Stadtzentrum teil. »Wenn die Flüchtlinge aus der Ukraine hierherkommen, sind wir in Düsseldorf und die gesamte jüdische Community in NRW mit tatkräftiger Unterstützung dabei«, sagte Olga Rosow dem Fernsehteam des Westdeutschen Rundfunks. Mit diesen Worten kam sie in die abendliche WDR-Nachrichtensendung Lokalzeit.

Die Gemeinde veröffentlichte nach dem russischen Angriff eine Stellungnahme: »Wir sind erschüttert über den Einmarsch in die Ukraine und beten für die Unversehrtheit unserer Schwestern und Brüder und aller Menschen dort.«

Am Samstagabend veranstaltete die Gemeinde eine Mahnwache mit einem Friedensgebet auf dem Paul-Spiegel-Platz. Vor dem Eingang zur Düsseldorfer Synagoge wurde die blau-gelbe ukrainische Flagge gehisst. Dabei richtete Oded Horowitz, Vorstandsvorsitzender der Gemeinde, einige Worte an die rund 100 Teilnehmer. Der Vorsitzende stammt selbst aus Czernowitz in der Ukraine.

Düsseldorf pflegt seit den 60er-Jahren enge Kontakte mit Moskau. 1992 besiegelten beide Kommunen eine Städtepartnerschaft. Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) kündigte nach dem Überfall an, die Partnerschaft auf Eis zu legen. Angesichts des Angriffs auf die Ukraine sehe er für den Austausch auf offizieller Ebene keine Basis mehr.

Die telefonische Hotline der Gemeinde Düsseldorf für Fragen zur Situation in der Ukraine: 0211/46 912 245 (Mo bis Fr), 0211/46 912 233 (Mo bis Fr) und 0211/946 85 20 (Mo bis Fr und So)

Interview

»Das Gedenken für Jugendliche greifbar machen«

Kurator Pascal Johanssen zur neuen Ausstellung im ehemaligen Jüdischen Waisenhaus in Pankow

von Gerhard Haase-Hindenberg  21.04.2025

Porträt der Woche

Austausch mit Gleichen

Maria Schubert ist Gemeindesekretärin in Magdeburg und tanzt gern

von Alicia Rust  18.04.2025

Feiertage

Hymne auf die Freiheit

Der Alexander-Moksel-Kindergarten führte im Gemeindezentrum ein Pessach-Musical auf

von Vivian Rosen  17.04.2025

Berlin

Mazze als Mizwa

Das Projekt »Mitzvah Day« unterstützt die Berliner Tafel mit einer Lebensmittel-Spende

von Katrin Richter  17.04.2025

Berlin

Berlin: Gericht bestätigt fristlose Kündigung von Rabbiner

Das Berliner Arbeitsgericht hat die fristlose Kündigung eines Rabbiners wegen sexueller Belästigung eines weiblichen Gemeindemitglieds bestätigt

 16.04.2025

Jewrovision

»Schmetterlinge im Bauch«

Nur stilles Wasser trinken, noch einmal gut essen, dann geht es auf die Bühne. Die Moderatoren Masha und Gregor verraten, wie sie sich vorbereiten und mit dem Lampenfieber umgehen

von Christine Schmitt  16.04.2025

München

Hand in Hand

Ein generationsübergreifendes Social-Media-Projekt erinnert an das Schicksal von Schoa-Überlebenden – Bayern-Torwart Daniel Peretz und Charlotte Knobloch beteiligen sich

von Luis Gruhler  15.04.2025

Literatur

Die Zukunft Israels hat längst begonnen

Der Schriftsteller Assaf Gavron stellte im Jüdischen Gemeindezentrum seinen aktuellen Erzählband vor

von Nora Niemann  14.04.2025

Porträt der Woche

Eigene Choreografie

Galyna Kapitanova ist IT-Expertin, Madricha und leitet eine Tanzgruppe

von Alicia Rust  14.04.2025