Gedenktag

Uraufführung mit den »Violins of Hope«

Violins of Hope war sein wichtigstes Projekt: der Geigenbauer Amnon Weinstein (1939 - 2024) Foto: dpa

Ein besonderes Gedenkkonzert anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz findet am 27. Januar in der Berliner Philharmonie statt. Gespielt wird mit den aus der Schoa geretteten »Violins of Hope«. Für diese Instrumentensammlung schrieb Berthold Tuercke eigens eine Komposition, die nun uraufgeführt wird. Unter Leitung von Vladimir Jurowski wird das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB) gleich drei Kompositionen, die in besonderer Weise die Musik im Holocaust reflektieren und interpretieren sollen.

Das Werk »Aus Geigen Stimmen« von Berthold Tuercke eröffnet das Konzert. Dessen Untertitel »mit 53 Geigen, 1 Bratsche, 1 Cello und gemischtem Chor – mit den aus der Schoa geretteten ›Violins of Hope‹ des Amnon Weinstein« bezieht sich auf genau die Instrumente, die der israelische Geigenbauer Weinstein von Holocaust-Opfern zusammengetragen hat. Auf diesen Originalinstrumenten werden die Musikerinnen und Musiker die Komposition erklingen lassen, während der RIAS Kammerchor mit gesprochenen und gesungenen Texten auf ihre Geschichte eingeht.

Es folgt das Streichtrio des so hochbegabten wie gezwungenermaßen frühreifen, tschechischen Komponisten Gideon Klein, das im Oktober 1944 im Ghetto Theresienstadt in winziger Miniaturnotenschrift heimlich zu Papier gebracht wurde. Neun Tage vor dem Abtransport des 25-Jährigen nach Auschwitz, wo er im Außenlager Fürstengrube noch am 27. Januar 1945, dem Tag der Befreiung des KZ, sterben musste.

Weinberg musste seine jüngere Schwester zurücklassen

Das Streichquartett Nr. 5 des polnisch-jüdischen Komponisten Mieczysław Weinberg aus dem Jahre 1945 spiegelt nicht die Situation eines Todgeweihten wider, wohl aber die eines von gewaltsamen Toden in seinem unmittelbaren Umfeld vielfach Gezeichneten. Auf der Flucht Richtung Osten musste der im selben Jahr wie Gideon Klein geborene Musiker 1939 seine jüngere Schwester zurücklassen. Sie starb wie Weinbergs Eltern schon bald durch die Nazi-Schergen, ohne dass der Bruder davon Kenntnis erhielt. Das Streichquartett Nr. 5 des Mitarbeiters von Dmitri Schostakowitsch verweise auf all die fürchterlichen Ahnungen und bitteren Gewissheiten, heißt es in der Pressemitteilung des RSB. Ein verzweifeltes Hoffen auf eine bessere Welt ist Weinberg bis zu seinem Tod 1996 dennoch nie abhandengekommen.

Bereits zum 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz 2015 spielten Musiker, damals Mitglieder der Berliner Philharmoniker, auf Geigen, die einst Opfern des Holocaust gehört hatten. Ermöglicht hatte das Projekt der israelische Geigenbauer Amnon Weinstein, der diese Instrumente seit vielen Jahren sammelt und restauriert. Jedes hat seine eigene bedrückende Geschichte. Weinstein selbst ist im Frühjahr 2024 verstorben. Für ihn war es eine Pflicht, die Violinen wieder zum Klingen bringen – auch als Zeichen gegen das Vergessen.

Weinstein hatte die Instrumente restauriert und ließ sie Jahrzehnte später wieder öffentlich erklingen. Die Musik sollte Hoffnung geben. Mit dem Projekt war er unter anderem in Jerusalem, Paris, Madrid, Cleveland und Berlin zu Gast. Er sagte, die Erinnerung habe sich zwar nicht in den Korpus der Violinen eingeschrieben, aber die Musiker spielten dennoch anders auf ihnen – »irgendwie intensiver«.

Jüdische Musiker wurden von den Deutschen gezwungen, in den Konzentrationslagern zu musizieren

Angefangen hatte alles in den 80er-Jahren mit einem neugierigen Blick in den Schrank seines Vaters Moshe, der ebenfalls Geigenbauer war. Weinstein Junior fand darin eingelagerte, verstaubte Instrumente. Jüdische Musiker wurden von den Deutschen gezwungen, in den Konzentrationslagern zu musizieren. Sie spielten neben den Gaskammern, bei der Ankunft neuer Insassen oder auf den Feiern der SS-Leute. Allein in Auschwitz soll es acht Orchester gegeben haben, darunter ein Mädchenorchester.

Viele europäische Juden, die später nach Israel ausgewandert waren, kamen in Moshe Weinsteins Werkstatt und übergaben ihm ihre Violinen oder die ihrer Angehörigen. Sie konnten und wollten die Instrumente, die sie an die Grausamkeiten der Schoa erinnerten, nicht bei sich behalten. Sein eigener Schmerz über den Verlust der Familie – mehr als 300 Angehörige wurden ermordet – war aber so groß, dass er sich nicht mit ihnen beschäftigen wollte. Schließlich fing sein Sohn Amnon an, sie zu restaurieren.

Der sächsische Bogenbauer Daniel Schmidt kam Mitte der 90er-Jahre mit den Instrumenten in Berührung, als er sich in der Werkstatt Weinsteins in Tel Aviv ausbilden ließ. Er inspirierte Weinstein, sich mit der Herkunft der Geigen zu beschäftigen. Später ermunterte er seinen Ausbilder, die tragischen Geschichten zu den Instrumenten einem breiten Publikum bekannt zu machen. Auch Weinsteins Sohn Avshalom ist Geigenbauer und unterstützt das Projekt seines Vaters. Mehr als 70 Instrumente gehören inzwischen zur Sammlung »Geigen der Hoffnung«.

Porträt der Woche

Zwischen den Welten

Ruth Peiser aus Berlin war Goldschmiedin, arbeitete bei einer Airline und jobbt nun in einer Boutique

von Gerhard Haase-Hindenberg  15.06.2025

Berlin

»Drastisch und unverhältnismäßig«

Die Jüdische Gemeinde erhöht die Gebühren ab September deutlich. Betroffene Eltern wehren sich mit einer Petition

von Christine Schmitt  12.06.2025

Hamburg

Kafka trifft auf die Realität in Tel Aviv

Ob Krimi, Drama oder Doku – die fünften Jüdischen Filmtage beleuchten hochaktuelle Themen

von Helmut Kuhn  12.06.2025

Weimar

Yiddish Summer blickt auf 25 Jahre Kulturvermittlung zurück

Zwischen dem 12. Juli und 17. August biete die internationale Sommerschule für jiddische Musik, Sprache und Kultur in Weimar diesmal insgesamt über 100 Programmbausteine an

von Matthias Thüsing  11.06.2025

Sachsen

Verdienstorden für Leipziger Küf Kaufmann

Seit vielen Jahren setze er sich für den interreligiösen Dialog und den interkulturellen Austausch von Menschen unterschiedlicher Herkunft ein

 11.06.2025

Oldenburg

Brandanschlag auf Synagoge: Beschuldigter bittet um Entschuldigung

Am 5. April 2024 war ein Brandsatz gegen die massive Tür des jüdischen Gebetshauses in der Leo-Trepp-Straße geworfen worden

 11.06.2025

Erinnerung

731 Schulen erinnern an Anne Frank

Der Aktionstag findet seit 2017 jährlich am 12. Juni, dem Geburtstag des Holocaust-Opfers Anne Frank (1929-1945), statt

 11.06.2025

Grand Schabbaton

Eine 260-köpfige Familie

In Potsdam brachte der»Bund traditioneller Juden« mehrere Generationen zusammen

von Mascha Malburg  11.06.2025

Meinung

Jewrovision: einfach jung und jüdisch sein

Junge Jüdinnen und Juden sind alltäglich Anfeindungen ausgesetzt. Für sie ist die Jewrovision ein Safe Space

von Katrin Richter  11.06.2025