Berlin

Unterm Regenbogen

Viele Juden prägten die Homosexuellenkultur der 1920er-Jahre. Heute weiß man kaum noch etwas über sie. Genau das möchte das Schwule Museum ändern und zeichnet in seiner Ausstellung »lesbisch.jüdisch.schwul« im Rahmen des Themenjahrs »Zerstörte Vielfalt« 24 Lebensläufe nach. Dabei stehen Künstler, Wissenschaftler und Intellektuelle im Mittelpunkt.

Wie der Arzt Felix Abraham, der in einer Sprechstunde Transsexuelle beriet. Oder die intersexuelle Bürgerrechtlerin Martha Baer. Sie wuchs als Frau auf und wechselte später das Geschlecht – und den Namen. Karl Baer stand fortan in seinem Ausweis. Auch das Leben des expressionistischen Dichters Kurt Hiller, der sich in seiner juristischen Doktorarbeit unter anderem gegen den Paragrafen 175 wendete, der männliche Homosexualität unter Strafe stellte, wird beleuchtet.

Wie freiheitlich das Leben in der Zeit der Weimarer Republik war, zeigt die Geschichte des Schriftstellers Richard Plaut, der mit 14 Jahren merkte, dass er schwul war. Sein Vater schickte ihn zum Psychiater, dieser aber bestärkte den Jungen, zu seiner Homosexualität zu stehen.

Damenklub Vom liberalen Klima der 20er-Jahre zeugt auch der Beruf von Elsa Conrad. Die Wirtin betrieb in Berlin den spektakulären Damenclub »Mali und Igel«. »Damenklubs waren kleine Bars, Kaschemmen und Kaffeehäuser, aber auch große Ballsäle mit Platz für 200 bis 400 Damen, die heftig feierten«, sagt der Kurator der Ausstellung Jens Dobler. »Oft waren die Damen dem Champagner sehr zugeneigt. Die Gäste tanzten viel. Das waren klassische Lesbenklubs.« Dieses Klima kam in Deutschland erst in den 1970er-Jahren langsam wieder.

Die Ausstellung widmet sich auch Erika Mann. Sie selbst hätte sich nie »lesbisch« genannt, auch nicht »jüdisch«. Doch ihre Großmutter war Jüdin. »Erika Mann hätte sich wahrscheinlich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, in solch einer Ausstellung vorzukommen«, mutmaßt Dobler. Auch die Forschung ignoriere Erika Manns jüdische Großmutter und ihre zahlreichen Frauenbeziehungen, spreche viel mehr von ihren beiden Ehen. »Aber Erika Mann gehört in unsere Ausstellung«, betont der Kurator.

Kinder So kompliziert wie bei ihr war das Verhältnis zum Judentum und zur Homosexualität bei vielen Protagonisten der Ausstellung. Manche waren getauft und wurden von den Nazis zu Juden gemacht, andere hatten heterosexuelle Beziehungen, waren verheiratet und hatten Kinder.

Ein Bruch in allen Lebensläufen ist der Nationalsozialismus. Richard Plaut flüchtete ins amerikanische Exil und änderte seinen Namen in Richard Plant. Felix Abraham versuchte vergeblich, in Schweden eine Anstellung als Arzt zu finden. Schließlich nahm er sich das Leben. Karl Baer emigrierte nach Gefängnis und KZ mit seiner Frau nach Palästina.

Die Ausstellung »lesbisch.jüdisch.schwul« im Schwulen Museum Berlin, Lützowstraße 73, wird am 6. Juni um 19 Uhr eröffnet und ist bis zum 9. September mittwochs bis montags von 14 bis 18 Uhr und samstags von 14 bis 19 Uhr zu sehen.

www.schwulesmuseum.de

Fürth

Ruth Weiss ist gestorben

Sie engagierte sich ihr Leben lang gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit. Nun ist die in Franken geborene Schriftstellerin mit 101 Jahren gestorben

 05.09.2025 Aktualisiert

München

»In unserer Verantwortung«

Als Rachel Salamander den Verfall der Synagoge Reichenbachstraße sah, musste sie etwas unternehmen. Sie gründete einen Verein, das Haus wurde saniert, am 15. September ist nun die Eröffnung. Ein Gespräch über einen Lebenstraum, Farbenspiele und Denkmalschutz

von Katrin Richter  04.09.2025

Erfurt

Studiengang »Jüdische Soziale Arbeit« offiziell gestartet

Zentralratspräsident Josef Schuster: Die Einrichtung des Studiengangs ist ein starkes Zeichen für die Lebendigkeit jüdischen Lebens in Deutschland

 04.09.2025

Hannover

»Wir sind hier und wir bleiben hier«

Im September wird die Liberale Jüdische Gemeinde 30 Jahre alt. Gegründet wurde sie einst von drei Frauen. Ein Gespräch mit Geschäftsführerin Rebecca Seidler über Generationen, Sicherheit und eine große Portion Optimismus

von Katrin Richter  04.09.2025

Osnabrück

Leben, Lieben, Lachen

Die Jüdische Gemeinde hat ihr erstes Jüdisches Kulturfestival auf die Beine gestellt – mit einem beeindruckenden Programm

von Sophie Albers Ben Chamo  04.09.2025

Frankfurt

Persönlichkeiten mit Haltung

Der Architekt Salomon Korn und der Mediziner Leo Latasch erhalten das Ehrensiegel der Jüdischen Gemeinde

von Eugen El  04.09.2025

Jewish Women* Empowerment Summit

Neue Bündnisse finden

Auch feministische Kreise schlossen jüdische Frauen nach dem 7. Oktober aus. Auf dem Kongress der Bildungsabteilung und der ZWST soll das thematisiert werden. Ein Essay der Keynote-Speakerin Merle Stöver

von Merle Stöver  03.09.2025

Darmstadt

Jüdische Kulturwochen: Großer Andrang bei Eröffnung

Das Programm schließt den Extremismusforscher Ahmad Mansour mit ein

von Imanuel Marcus  03.09.2025

Universität

Starke junge Stimme

Seit dem 7. Oktober 2023 versucht der Verband Jüdischer Studenten in Bayern, mit seinen Aktivitäten vor allem auf dem Campus einen Weg zurück zur Normalität zu finden

von Luis Gruhler  02.09.2025