Hanau

Jüdische Gemeinde feiert Jubiläum

Oliver Dainow, Geschäftsführer der jüdischen Gemeinde Hanau, zeigt in der Synagoge die neue Torarolle und das neu erworbene Toraschild. Foto: picture alliance/dpa

Die jüdische Gemeinschaft bewegt sich nach Angaben des hessischen Landesvorsitzenden Daniel Neumann zwischen »Angst, Enttäuschung, Rückzug und Einsamkeit auf der einen Seite und Zusammenhalt, Selbstbewusstsein, Tatendrang und Hoffnung auf der anderen Seite«. Vor allem der »israelbezogene Antisemitismus von links und aus dem muslimisch-arabisch-türkischen Milieu« habe in den vergangenen Jahren massiv zugenommen.

»Und dieser entlädt sich nur allzu oft gegenüber Juden hierzulande«, sagt Neumann der Deutschen Presse-Agentur. Die Sicherheitslage war und ist nach seiner Einschätzung weiterhin angespannt. »Dennoch sind wir mit Blick auf die Unterstützung des Landes Hessen zur Erhöhung der Sicherheit jüdischer Einrichtungen sowie wegen der guten Zusammenarbeit mit den Polizeibehörden und der eigenen Sicherheitsstrukturen gut aufgestellt«, betont er.

»Im Grunde genommen ist es mit das Größte und Schönste, was eine Gemeinde machen kann: eine neue Torarolle nach Hause zu bringen«, sagt Oliver Dainow, Geschäftsführer der jüdischen Gemeinde Hanau. Er freut sich darauf, die neue Torarolle und das neu erworbene Toraschild den Gemeindemitgliedern zu präsentieren.

Prozession durch den Schlossgarten

Vor diesem Hintergrund feiert die jüdische Gemeinde in Hanau am nächsten Dienstag (29. April) den 20. Jahrestag ihrer Neugründung. Nicht im Stillen, sondern öffentlich mit einem Festakt im Veranstaltungszentrum Congress Park Hanau und mit einer Prozession durch den Schlossgarten zur Synagoge.

Dabei wird die neue Torarolle mit den heiligen Schriften des Judentums zur Synagoge getragen. »Es geht um die Sichtbarkeit jüdischen Lebens«, betont Dainow.

Die jüdische Gemeinde in Hanau zählt heute etwa 200 Mitglieder. Ihre Synagoge ist die einzige aktive im Main-Kinzig-Kreis. Die erste Gemeinde existierte nur wenige Jahre und wurde in den Pestpogromen um das Jahr 1350 zerstört. Die zweite wurde 1603 gegründet und bestand bis zu der Deportation der letzten Hanauer Juden durch die Nationalsozialisten im Jahr 1942.

Ereignis für die gesamte Stadt

Ende der 1990er-Jahre wurde durch die Zuwanderung von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland die Basis für die spätere Wiedergründung einer jüdischen Gemeinde in der Brüder-Grimm-Stadt gelegt.

Lesen Sie auch

Die Einbringung der neuen Torarolle und die Prozession seien ein Ereignis nicht nur für die jüdische Gemeinde, sondern für die gesamte Stadt, sagt Dainow. »Es zeigt einfach, dass es jüdisches Leben hier in der Stadt gibt.« Über 300 Anmeldungen für die Feier sind bei ihm eingegangen.

Auch wenn die Gemeinde dies inmitten eines wachsenden Antisemitismus öffentlich feiere, dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, dass alles in Ordnung sei. »Das ist es nicht«, betont Dainow. »Es ist eher eine Trotzreaktion. Und es ist einfach dieser Wunsch, sich nicht zurückdrängen zu lassen.«

Aufgabe der Gesellschaft

Das Sicherheitsgefühl von Juden wird sich nach Ansicht des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Hessen erst verbessern, wenn sie keine Sorge vor Anfeindungen, Beleidigungen oder körperlichen Übergriffen haben müssten, sobald sie als Juden erkennbar und sichtbar seien. »Dafür zu sorgen ist nicht nur Aufgabe von Politik, Sicherheitsbehörden und Bildungseinrichtungen, sondern Aufgabe der Gesellschaft als solcher. Denn daran entscheidet sich auch ihr eigenes Schicksal«, sagt Neumann.

»Dabei scheint der moralische Kompass der Mehrheitsgesellschaft mit Blick auf die Gefahren von rechts noch einigermaßen zu funktionieren«, fügt der Landesvorsitzende hinzu. »Sobald aber Israel, also der einzige jüdische Staat der Welt ins Spiel kommt, versagen die historischen und moralischen Selbstbeschwörungen völlig. Dann herrschen Kälte, Entsolidarisierung oder gar Feindseligkeit.«

Umso mehr freut sich die jüdische Gemeinde in Hanau über die tatkräftige Unterstützung einer katholischen und einer evangelischen Kirchengemeinde und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in ihrer Stadt. Diese haben mit Spenden die Anschaffung der neuen Torarolle, die in der Ukraine traditionell mit der Hand geschrieben wurde, und eines schmückenden Toraschildes ermöglicht.

Toraschild bei Sotheby’s ersteigert

Das seien mehr als nur Lippenbekenntnisse, sagt Dainow. »Die waren in der Vergangenheit da und sind immer da.«

Bei dem Toraschild handele es sich sogar um ein Stück, das um das Jahr 1900 von der Hanauer Silberschmiede Neresheimer gefertigt wurde, erzählt Dainow. Als er vor zwei, drei Jahren erfahren habe, dass das Schild bei Sotheby’s zum Verkauf stand, habe er kurz entschlossen mitgeboten und es ersteigert. Über die Geschichte des Schildes und wie es zu der Versteigerung gekommen sei, sei ihm nichts bekannt. dpa

Karneval

»Ov krüzz oder quer«

Wie in der NRW-Landesvertretung in Berlin die närrische Jahreszeit eingeleitet wurde

von Sören Kittel  13.11.2025

Jüdische Kulturtage Berlin

Broadway am Prenzlauer Berg

Vom Eröffnungskonzert bis zum Dancefloor werden Besucherrekorde erwartet

von Helmut Kuhn  13.11.2025

Justiz

Anklage wegen Hausverbots für Juden in Flensburg erhoben

Ein Ladeninhaber in Flensburg soll mit einem Aushang zum Hass gegen jüdische Menschen aufgestachelt haben. Ein Schild in seinem Schaufenster enthielt den Satz »Juden haben hier Hausverbot«

 12.11.2025

Interview

»Niemand hat Jason Stanley von der Bühne gejagt«

Benjamin Graumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, weist die Vorwürfe des amerikanischen Philosophen zurück und beschuldigt ihn, Unwahrheiten über den Abend in der Synagoge zu verbreiten

von Michael Thaidigsmann  12.11.2025

Hessen

Margot Friedländer erhält posthum die Wilhelm-Leuschner-Medaille

Die Zeitzeugin Margot Friedländer erhält posthum die höchste Auszeichnung des Landes Hessen. Sie war eine der wichtigsten Stimme in der deutschen Erinnerungskultur

 12.11.2025

Berlin

Touro University vergibt erstmals »Seid Menschen«-Stipendium

Die Touro University Berlin erinnert mit einem neu geschaffenen Stipendium an die Schoa-Überlebende Margot Friedländer

 12.11.2025

Jubiläum

»Eine Zierde der Stadt«: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in Berlin eröffnet

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin eingeweiht. Am Dienstag würdigt dies ein Festakt

von Gregor Krumpholz, Nina Schmedding  11.11.2025

Vertrag

Jüdische Gemeinde Frankfurt erhält mehr Gelder

Die Zuwendungen durch die Mainmetropole sollen bis 2031 auf 8,2 Millionen Euro steigen

von Ralf Balke  11.11.2025

Berlin

Ein streitbarer Intellektueller

Der Erziehungswissenschaftler, Philosoph und Publizist Micha Brumlik ist im Alter von 78 Jahren gestorben. Ein persönlicher Nachruf

von Julius H. Schoeps  11.11.2025